Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilanz der deutschen Klimapolitik misst sich an den Fakten, und zwar an den tatsächlichen Einsparungen an Treibhausgasen; dazu hat Gregor Gysi vorhin das Wesentliche gesagt. Kurz gefasst, wir liegen bei den CO2-Emissionen über dem Niveau von 1999. Noch einmal: Ohne den Osteffekt würden wir international schön dumm dastehen.
Diese ernüchternde Bilanz ist das können wir Ihnen nicht ersparen auch eine Bilanz der rot-grünen Vorgängerregierung. Ich finde, wer 7 Prozent mehr Emissionsrechte verteilt, als von den Unternehmen zwischen 2000 und 2002 überhaupt CO2 ausgestoßen wurde, wer zudem langfristige Privilegien für die Kohle festschreibt und dann auch noch die Zertifikate vollständig verschenkt, braucht sich über dieses Ergebnis nicht zu wundern. Wir haben hier erlebt, dass Sie sich gegenseitig die Schuld zuschieben. Das nützt uns gar nichts. Wir müssen das besser machen Sie waren damals in der Verantwortung und daraus die Konsequenzen ziehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Jetzt zum ungebremsten Wachstum des Straßengüterverkehrs und des Flugverkehrs. Da wird offensichtlich, dass in den letzten Jahren in Sachen Klimapolitik einiges schiefgelaufen ist. Das Statistische Bundesamt sagt, es habe im letzten Jahr 6,5 Prozent mehr Flugverkehr gegeben. Was tun Sie? Sie weisen weitere Flughäfen aus. Diese werden staatlich finanziert. Hier muss ein Umdenken erfolgen. Wenn wir das wirklich wollen, müssen die Finanzströme anders fließen, zum Beispiel auch im Zusammenhang mit dem Ausbau des Münchener Flughafens.
(Beifall bei der LINKEN)
Natürlich erkennen wir an, dass es durch das EEG einen gewaltigen Zuwachs an Strom aus Wind, Wasser, Biomasse und Fotovoltaik gegeben hat. Diese Politik müssen wir ausbauen; diese Politik unterstützen wir weiter.
Doch allein über das EEG ist eine Energiewende nicht hinzubekommen. Man muss sich mit den Konzernen dort anlegen, wo es richtig weh tut. Genau um das geht es.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein anspruchsvoller Emissionshandel wäre so etwas oder auch eine wirksame Begrenzung des Flug- oder des Schwerlastverkehrs. Da muss man eben ran.
Aktuell geht es aber vor allem darum, zu verhindern, dass in Deutschland 44 neue Kohlekraftwerke ich wiederhole: 44 gebaut werden. Diese geplanten Kraftwerksneubauten würden bis 2020 einen Anstieg über das CO2-Niveau von 1990 bedeuten. Bis zur Mitte des Jahrhunderts würde dieser Kraftwerkspark Jahr für Jahr gut 100 Millionen Tonnen mehr CO2 in die Atmosphäre blasen, als laut dem Reduktionsziel der Bundesregierung erlaubt ist.
Würden diese Kraftwerke gebaut, dann wären die Weichen der deutschen Klimapolitik für ein halbes Jahrhundert gestellt; denn sie laufen dann 40, 50 oder 60 Jahre. Das wissen Sie, meine Damen und Herren.
Mich interessiert an dieser Stelle: Wie kommt es eigentlich zu diesen Planungen? Herr Gabriel sagt, wir befänden uns auf dem richtigen Pfad. Wenn das so ist, dann würden die Energieversorger doch gar nicht auf solche Ideen kommen.
Oder ist es so, dass der Emissionshandel diese überhaupt nicht interessiert?
Den Energieversorgern wird es total leicht gemacht; denn sonst wären solche Planungen gar nicht möglich. Zum Glück hat die EU-Kommission kürzlich zumindest die größten Fehler des deutschen Zuteilungsplans für die nächste Handelsperiode beseitigt. Die Gesamtobergrenze, das Cap, ist deutlich gesenkt worden. Es ist verboten worden, die Kohlemeiler 14 Jahre lang zu privilegieren. Wir begrüßen das sehr und haben das unterstützt. Aber nun will die Bundesregierung wiederum der Braunkohle einen Bonus zuschanzen. Wir haben über die CO2-Bilanz gesprochen. Bedenken Sie, was Sie da tun! Bedenken Sie, was Sie damit anrichten! Anscheinend hat diese Bundesregierung keine Lust auf ernsthafte Konflikte mit den EVUs.
In anderen Sektoren gäbe es eine Vielzahl von Minderungsoptionen. Die müssten jetzt einfach angegangen werden. Dazu liegen Anträge vor; da muss gehandelt werden. Zum Teil ist das das sage ich an die Haushälter gewandt nicht einmal mit Kosten verbunden.
Wir meinen, dass in diesem Bereich etwas getan werden muss, und haben ein Sofortprogramm vorgelegt, über das wir abstimmen können. Wir halten für die Zukunft eine energetische Schwerpunktsetzung auf Sonne, Wind, Biomasse und Wasser für notwendig, die auch der Volkswirtschaft nutzen wird. Das wissen wir nicht erst seit Nicholas Stern. Auch vor dem letzten IPCC-Bericht war schon bekannt, dass wir eine Abkehr von fossilen Energien brauchen. Die internationalen Konflikte wurden schon angesprochen.
Es gilt, das Ruder herumzureißen. Wir müssen das gemeinsam tun, aber das muss in einer Weise erfolgen, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land den Prozess unterstützen. Dann muss auch damit Schluss sein, dass in einkommensschwachen Haushalten im nächsten Winter, der vielleicht sehr kalt wird, Energiearmut herrscht oder dass es sich Kinder nicht mehr leisten können, mit dem Bus zu ihrem Sportverein zu fahren. Es geht nicht an, dass Energiekonzerne Zusatzgewinne in Milliardenhöhe aus dem Emissionshandel erzielen, wenn gleichzeitig dieses Geld an anderer Stelle dringend gebraucht wird.
(Beifall bei der LINKEN)

Die Bundesregierung und ihre Klimapolitik - eine ernüchternde Bilanz
Rede
von
Eva Bulling-Schröter,