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Deregulierter Weinmarkt gefährdet den traditionellen Weinanbau

Rede von Kirsten Tackmann,

Rede zum Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen "Erhaltung der Weinbaukultur durch eine vernünftige Reform der EU-Weinmarktordnung", DS 16/6959; die Rede wurde zu Protokoll gegeben

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Beim Weinanbau handelt es sich nicht bloß um ein bedeutendes Kulturgut und einen wichtigen Wirtschaftsfaktor, sondern auch um ein Politikum. Dies zeigt auch der gemeinsame Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache16/6959, aus dem ich an dieser Stelle zitieren möchte:

„Der am 4. Juli 2007 vorgelegte Vorschlag lässt eine konsequente Ausrichtung auf das primäre Ziel der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Weinwirtschaft vermissen. Er ist deshalb in wesentlichen Teilen zu ändern.“

DIE LINKE teilt diese Position. Das haben wir auch immer so gesagt. Warum gehören wir trotzdem nicht zu den Antragstellerinnen? Dies, meine Damen und Herren, liegt nicht an irgendwelchen gravierenden inhaltlichen Differenzen, sondern an der anachronistischen Position der Fraktion der CDU/CSU, die sich an ihren „Unvereinbarkeitsbeschluss“ festhält, der gemeinsame parlamentarische Initiativen mit der Fraktion DIE LINKE ausschließt. Völlig unabhängig von der inhaltlichen Position, die jeweils von meiner Fraktion vertreten wird.

Kurioserweise spielt dieses gesamte parteipolitische Taktieren keine Rolle, wenn sich das Interfraktionelle Parlamentarische Weinforum trifft, so wie am zurückliegenden Dienstagabend geschehen. Außerhalb dieses Hauses können wir uns jederzeit gemeinsam für die Interessen des deutschen Weinanbaus und der hier lebenden Winzerinnen und Winzer stark machen. Darf bei den Konservativen halt nur nicht offiziell sein.

Doch zurück zum eigentlichen Problem.

In vino veritas - Im Weine liegt die Wahrheit. Ja, am Wein zeigt die Europäische Union ihr wahres politisches Gesicht. Der Kommissionsvorschlag zur Weinmarktordnung will den deregulierten Weinmarkt unter dem Vorwand der Anpassung der EU-Agrarpolitik an die Richtlinien der Welthandelsorganisation. Das entspricht nicht dem Politik- und Europaverständnis der Fraktion DIE LINKE. Und hierin unterscheiden wir uns grundsätzlich von den anderen hier im Hause vertretenen Fraktionen - aber eben nicht beim Wein.

Durch die Vorhaben der Europäischen Kommission im Rahmen der Reform der EU-Weinmarktordnung werden Kulturgüter wie der traditionelle Weinanbau in Deutschland bedroht. Natürlich ist der Wein nicht nur ein hervorragendes, Identität stiftendes Kulturgut, sondern auch ein oftmals herausragender Wirtschaftsfaktor für die Regionen, in denen er angebaut wird.

Gerade für Ostdeutschland und seine beiden Weinanbaugebiete an der Elbe und zwischen Saale und Unstrut bedeutet der Weinanbau die Möglichkeit, eine konkurrenzfähige, sich selbsttragende Wirtschaft vor Ort zu etablieren. Qualitätswein lautet das Credo der heimischen Winzerinnen und Winzer. Denn ist die Stärke des einheimischen Weins in der Auseinandersetzung mit anderen Weinregionen.

In der Benachteiligung der deutschen Winzerinnen und Winzer besteht die eigentliche Gefahr des Vorhabens der Europäischen Kommission - besonders in den kleinen Anbaugebieten - gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen aus den südlichen europäischen Ländern. Traditionelle, Jahrhunderte alte önologische Verfahren wie die Aufzuckerung des Weines sollen verboten werden. Trotz des vergleichsweise sehr hohen Direktverarbeitungsanteils beim deutschen Wein sollen die Anbaugebiete beschränkt und teilweise gerodet werden, wovon besonders Weine in Steillage betroffen wären.

Um zum Politikum zurückzukehren: Deutschland ist im Weinanbau kein großer Player und verfügt dementsprechend über geringe Einflussmöglichkeiten, seine Interessen gegenüber den in weitaus größeren Mengen Wein produzierenden Ländern wie Frankreich, Spanien und Italien durchzusetzen. Deshalb ist eine klare gemeinsame Positionierung des Deutschen Bundestages ein wichtiges Signal nach Brüssel. Auch deshalb, meine Damen und Herren, wird die LINKE dem Antrag in der vorliegenden Form zustimmen. Wir beantworten nicht Blockade mit Blockade sondern machen unser Abstimmungsverhalten konsequent am Inhalt des Antrags fest, nicht an den Einreicherinnen oder Einreichern. Wir lassen uns von Vernunft gebotener Gemeinsamkeit leiten. Das gehört zum politischen Grundverständnis einer parlamentarischen Demokratie.