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Den Völkermord an den Jesiden anerkennen

Rede von Sevim Dagdelen,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren der jesidischen Gemeinschaft, die Sie heute im Deutschen Bundestag sind! Heute ist ein historischer Tag. Endlich wird der Bundestag den Völkermord an den Jesiden anerkennen. Auf diesen Tag haben die Vertreterinnen und Vertreter der jesidischen Gemeinschaft, auch meine Fraktion und ich selbst jahrelang hingearbeitet. Umso bedauerlicher ist es, dass wir bei dieser Antragstellung der Ampel plus Union draußen gehalten worden sind. Aber, meine Damen und Herren, das Thema ist größer als wir alle hier zusammen; deshalb wird Die Linke diesem Antrag selbstverständlich zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir finden, diese Anerkennung ist überfällig. Wir wollen, dass der Bundestag diesen Völkermord an den Jesiden anerkennt, acht lange Jahre nachdem im August 2014 die Mörderbanden des „Islamischen Staats“ Jesiden abschlachteten, vergewaltigten, versklavten. Deshalb ist es höchste Zeit, den Jesiden Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

Aber man kann beim Lesen des Antrags den Eindruck gewinnen, der IS sei vom Himmel gefallen. Weder werden die Vorgeschichte noch die Unterstützer dieser Mörderbande genannt. Warum wohl? Wenn man dies getan hätte, dann hätte man sagen müssen, dass der IS in doppelter Hinsicht das Produkt der westlichen Interventionspolitik war, zum einen der Invasion der USA im Irak 2003 und zum anderen der Regime-Change-Politik in Syrien. Die US-Administration, Jake Sullivan – jetzt Sicherheitsberater –, sagte damals – Zitat –: „Al-Qaida ist auf unserer Seite in Syrien.“

Der IS und die al-Qaida wurden unterstützt mit Waffen und Geld von unseren engsten Verbündeten: von Saudi-Arabien, der Türkei und Katar. Die damalige Bundesregierung lieferte Waffen an diese Verbündeten, und jetzt werden weiter Waffen geliefert. Das ist die deutsche Mitverantwortung, meine Damen und Herren, und dieser Mitverantwortung stellen Sie sich leider nicht. Aber das ist notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Politik nach dem Motto „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ hat dazu geführt, dass hier in Deutschland weiter Spenden für islamistische Terrorgruppen gesammelt werden konnten, während der Völkermord an den Jesiden in vollem Gange war. So wurde der IS in Deutschland erst am 12. September 2014 verboten. Auch das gehört zur historischen Wahrheit, und auch das dürfen wir niemals vergessen, damit so etwas nie wieder vorkommt.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Max Lucks [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Martin Sichert [AfD])

Es schmerzt mich auch, dass Sie diejenigen, die die Jesiden im Sindschar-Gebirge, im Shingal, gegen die Völkermörder des IS verteidigten, die den Jesiden halfen, in die Berge zu flüchten, in Ihrem Antrag nicht einmal benennen. Denn die historische Wahrheit ist doch: Während die Peschmerga die Jesiden schutzlos zurückließen und sogar noch die Waffen mitgenommen haben, waren es die mutigen Kämpferinnen und Kämpfer der YPG, die da waren und die Jesiden verteidigten und sich den islamistischen Mörderbanden entgegenstellten.

(Beifall bei der LINKEN)

Vor ihrem Mut verneigen wir uns hier in Demut, weil sie für immer als die Befreier der Jesiden in die Geschichte eingehen.

Warum wird die YPG als Befreier der Jesiden nicht erwähnt? Man kann es sich nur so erklären, dass Sie die Fahne der YPG, die Fahne der Befreier der Jesiden, hier in Deutschland mit Rücksicht auf Ihren NATO-Partner Türkei verboten haben.

Ich frage mich: Wie kann man das mit seinem Gewissen vereinbaren? Ganz aktuell bombardiert die Türkei immer wieder die Selbstverteidigungseinheiten im Shingal und die Jesiden. Auch da höre ich nichts von dieser Bundesregierung. Warum, Frau Baerbock, verurteilen Sie nicht die völkerrechtswidrigen Angriffe Ihres NATO-Partners Türkei im Sindschar-Gebirge?

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Martin Sichert [AfD])

Wenn Sie wirklich den Schutz der Jesiden wollen, dann dürfen Sie gegenüber Ihrem Partner Türkei nicht weiter schweigen.

Deshalb sagen wir: Wer Interesse hat, die Jesiden zu schützen, der muss alles tun, um die Bombardierungen im Sindschar-Gebirge zu stoppen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)