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Den Mutterschutz im Sinne aller Beschäftigten reformieren

von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich über die Leidenschaft für das Thema an allen Ecken und Enden. Auf Antrag der Union diskutieren wir heute im Plenum über die bedarfsgerechte Ausweitung des Mutterschutzes für Selbstständige. Super! Aber auf die politische Agenda gesetzt haben dieses wichtige Thema die Betroffenen, also selbstständige Frauen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Mit ihrer Petition und ihren beeindruckenden Beiträgen in der Anhörung im Petitionsausschuss haben sie, die Frauen selbst, den Grundstein für eine überfällige Verbesserung gelegt.

(Anke Hennig [SPD]: Sehr genau!)

Vielen Dank an dieser Stelle für den Einsatz!

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber schauen wir uns erst mal den Antrag der Union genauer an. Besonders spannend finde ich ja direkt den ersten Punkt: Um das Mutterschaftsgeld zu erhöhen, wollen Sie, dass die gesetzlichen und die privaten Krankenversicherungen mehr Geld auszahlen. Das ist ja klasse! Sie wollen hier tatsächlich in die Vertragsfreiheit eingreifen, indem Sie den privaten Krankenversicherungen Vorschriften machen. Das sind ja ganz neue Töne.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Leni Breymaier [SPD])

Wenn wir als Linke eine solidarische Bürger/-innenversicherung für alle gefordert haben – übrigens die einzig sinnvolle Lösung –, in die dann auch alle einzahlen, dann haben Sie immer dagegengestimmt und laut „Verfassungswidrig!“ gerufen. Da müssen Sie sich jetzt schon mal entscheiden. Jetzt, wo Sie nichts mehr umsetzen müssen, spucken Sie halt große Töne.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Sie machen es sich mit Ihrem Antrag wirklich zu einfach; denn das Mutterschaftsgeld ist ziemlich komplex. Für abhängig Beschäftigte gilt: Das Mutterschaftsgeld entspricht zu 100 Prozent dem Nettolohn. Einen Teil zahlt die Krankenkasse, den Rest die Arbeitgeber/-innen. Die wiederum bekommen das aus einer Umlage zurück, in die alle Arbeitgeber/-innen einzahlen müssen. Das ist sehr gut.

Für Selbstständige ist das aber anders. In der gesetzlichen Krankenkasse gilt: Schwangere bekommen 70 Prozent des Einkommens als Mutterschaftsgeld, aber nur, wenn sie eine entsprechende Zusatzversicherung haben. Und von der müssen sie erst mal wissen, sonst gibt es quasi nichts. Hier gibt es auch keine Arbeitgeber/-innen, die den Rest übernehmen. Das heißt, 30 Prozent vom Einkommen fehlen sowieso. Schwangere selbstständige Frauen sind in keinem System vorgesehen. Dabei wurde das Mutterschutzgesetz, in dem das Mutterschaftsgeld geregelt ist, doch erst 2016 reformiert. Da hätte das doch mal auffallen können, oder?

(Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war da noch mal an der Regierung?)

Wissen Sie, wer da regiert hat?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe so eine Ahnung; aber gut. In der privaten Versicherung – ganz kurz noch – ist das alles noch viel komplizierter und vor allem schlechter für die Betroffenen. Genau deswegen wollen wir die solidarische Bürger/-innenversicherung.

Aber nutzen wir jetzt erst mal die Gelegenheit, das Thema „Mutterschaftsgeld“ grundlegend zu regeln. Denn nicht nur für selbstständige Schwangere ist die aktuelle Situation fatal – wir haben es ja schon gehört –, auch befristet Beschäftigte verlieren ihren Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn der Vertrag im Mutterschutz endet, und bekommen nur noch Mutterschaftsgeld in der Höhe des Krankengeldes, also 70 Prozent vom Einkommen. Auch hier fehlen die 30 Prozent bitterlich; denn oft sind diese Leute nicht in sonderlich guten Lohngruppen. Beim Bürger/-innengeld gibt es gar nichts außer ein bisschen schwangerschaftbedingtem Mehrbedarf.

(Karsten Hilse [AfD]: Ich wusste gar nicht, dass das „Bürgerinnengeld“ heißt!)

Das ist lächerlich. Im ALG-Bezug gibt es das Mutterschaftsgeld lediglich in der Höhe des Arbeitslosengeldes. Und irgendwie zwischen den Stühlen sitzen die Selbstständigen mit Familienversicherung.

Was also tun? Von uns als Serviceopposition kommen konkrete Vorschläge. Zum Beispiel könnten wir innerhalb der Krankenversicherung bleiben und alle Selbstständigen über eine Umlage in die Absicherung ihrer Kolleginnen und Kollegen miteinbeziehen. Bleibt kompliziert, ist aber ein Anfang.

(Beifall bei der LINKEN)

Oder wir gehen das grundsätzlich an und lösen das Mutterschaftsgeld aus einem System, das weder schwangere Selbstständige noch befristete Verträge kennt, und finanzieren es für alle aus einem staatlichen Topf. Denn es ist eine gesellschaftliche Verantwortung, Schwangerschaften finanziell abzusichern, und keine individuelle.

(Beifall bei der LINKEN)

Mein letzter Satz. – Wenn wir jetzt da rangehen, was wir als Linksfraktion sehr begrüßen, dann lassen Sie es uns gleich richtig machen. Guter Mutterschutz für alle!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Nina Stahr [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])