Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Wissing, ich befürchte, Schwarz-Gelb hat ein neues Geschäftsmodell eingeführt. Das wird sich künftig vielleicht „5 plus“ nennen, aber dazu komme ich noch.
Die Möglichkeit, durch eine Selbstanzeige der Bestrafung zu entgehen, ist ein Privileg. Von diesem Privileg profitieren überwiegend Menschen mit viel Geld. Weil sie das Geld mehr lieben als ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen, werden sie zu Steuerhinterziehern, oder sie entziehen sich der Steuerpflicht, indem sie aus steuerlichen Gründen ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, wie manches Supermodell oder mancher Supertrainer.
Die Hartz-IV-Empfänger, die sich etwas dazuverdienen, ohne es der Agentur für Arbeit mitzuteilen, haben dieses Privileg nicht. Sie werden knallhart wegen der Erschleichung von Sozialleistungen angeklagt und müssen sich vor Gericht verantworten. Finden Sie das gerecht? Wir nicht. Deshalb gehört nach Meinung der Linken die strafbefreiende Selbstanzeige abgeschafft. Diese wird von zu vielen als taktisches Instrument benutzt, wenn es darum geht, dem Staat die Steuern, die ihm zustehen, vorzuenthalten.
Steuerhinterziehung ist kriminell. Sie ist kein Kavaliersdelikt. Bei keiner anderen Straftat weiß der Täter von vornherein, dass die Straftat schon dann, wenn er nur eine Bedingung erfüllt, ohne Folgen bleibt. Das bedeutet, dass die strafbefreiende Selbstanzeige dazu beiträgt, Steuerhinterziehung attraktiv zu machen. Sie macht die Hinterziehung ein Stück weit kalkulierbar und nimmt dem Risiko der Entdeckung den Schrecken.
Durch Berichte über CDs in den Medien wissen die Steuerhinterzieher, ob ein Entdeckungsrisiko besteht und dass sie dem Staat eventuell doch ihre verheimlichten ins Ausland transferierten Einkünfte anzeigen sollten.
Würde die strafbefreiende Selbstanzeige ganz abgeschafft, hätte dies zwei Folgen: Die Steuerhinterziehung würde gefährlicher, sodass sich weniger Menschen trauen, Steuern zu hinterziehen. Dadurch erhöhten sich die Steuereinnahmen für den Staat. Deshalb hat die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige eine generalpräventive und eine fiskalische Wirkung.
Damit komme ich zum springenden Punkt: Nur das Risiko der Entdeckung bringt dem Staat die gewünschten Steuereinnahmen. Das letzte Jahr war das beste Beispiel: Nach den Berichten in den Medien über Steuer-CDs ging eine Flut von 30 000 Selbstanzeigen ein. Der größte Teil der hinterzogenen Gelder kam aus den bekanntgewordenen Herkunftsländern und Geldinstituten.
Statt nur ein bisschen an der Selbstanzeige herumzudoktern, muss die Wahrscheinlichkeit, dass Steuerhinterziehung aufgedeckt wird, erhöht werden. Deshalb verlangen wir, dass die Finanzämter mehr Personal bekommen, um effektiv Steuerhinterzieher verfolgen und aufdecken zu können.
Wir fordern die Bundesregierung auf, endlich auf einem internationalen automatischen Informationsaustausch in Steuersachen zu bestehen. Der vorgelegte Gesetzentwurf führt nicht dazu, dass sich die Steuerhinterzieher in Deutschland bei ihren kriminellen Machenschaften weniger sicher fühlen. Die Regierungskoalition behauptet zwar, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verhindern zu wollen, dass die strafbefreiende Selbstanzeige als Instrument der Steuergestaltung missbraucht wird. Aber selbst nach Ihren jüngsten Nachbesserungen im Finanzausschuss besteht ein Widerspruch zwischen Text und Begründung des Gesetzentwurfs. In der Begründung heißt es wörtlich ich zitiere :
Nur wer sich für eine vollständige Rückkehr in die Steuerehrlichkeit entscheidet, kann sich der Straffreiheit sicher sein.
Nach dem Text des Gesetzentwurfs wird man jedoch schon straflos gestellt, wenn man die falschen Angaben zu einer Steuerart vollständig berichtigt.
Es geht gar nicht um das in der Diskussion angesprochene Argument der Nichtzahlung der Hundesteuer. Aber erklären Sie mir doch bitte, warum jemand, der seine Angaben zur Einkommensteuer korrigiert, aber nicht seine Hinterziehung bei der Umsatzsteuer offenbart, straflos gestellt wird. Das ist in Ihrem Gesetzentwurf der Fall.
So ist aus von Ihnen behaupteten bissigen Verschärfung ein Papiertiger geworden. Sie gaukeln den Bürgerinnen und Bürgern vor, etwas zu unternehmen.
Ich frage Sie: Warum haben Sie nicht einmal vorgesehen, dass die Korrektur der falsch erklärten Steuerangaben mit einer Versicherung an Eides statt ergänzt wird? Das würde das Risiko der Strafbarkeit derjenigen erhöhen, die sich nicht vollständig offenbaren.
Sie haben die Dreistigkeit, zu behaupten, mit Ihrem Gesetzentwurf wäre dem Taktieren mit der Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung ein Riegel vorgeschoben. Damit das Taktieren wirklich beendet wird, muss die strafbefreiende Selbstanzeige abgeschafft werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Regierung verweist darauf, dass der Staat vom Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige profitiere, weil Quellen aufgedeckt würden, die der Staat nicht erschlossen hätte. Aber auch hier täuschen Sie die Öffentlichkeit. In anderen Staaten gibt es dieses Instrument nicht, aber es gibt dort eine Bestimmung, dass das Gericht bei einer Selbstanzeige von der Bestrafung absehen kann. Ich sage Ihnen, worin der Unterschied liegt: Das Ganze findet nicht zwischen der Finanzverwaltung und dem Steuerhinterzieher statt, sondern ist ein öffentliches gerichtliches Verfahren. Dadurch wird auch klar, dass es sich nicht um ein Kavaliersdelikt handelt.
In Kanada ist übrigens die Möglichkeit, durch eine Selbstanzeige der Strafbarkeit zu entgehen, auf ein einziges Mal beschränkt. Warum nehmen Sie sich das nicht zum Vorbild? Wie viele Brücken wollen Sie den Unehrlichen noch bauen?
Die Bundesregierung schafft es sogar, den kriminellen Steuerhinterzieher weiterhin besser zu behandeln als einen säumigen Steuerehrlichen. Bei steuerehrlichen Bürgerinnen und Bürger, die ihre Einkünfte dem Staat offenlegen, wird die Steuer festgesetzt. Wenn sie mit der Zahlung der festgesetzten Steuer in Verzug kommen, müssen sie darauf 12 Prozent pro Jahr an Säumniszuschlag zahlen.
Der kriminelle Hinterzieher jedoch, der sich selbst anzeigt, zahlt mit 6 Prozent Hinterziehungszinsen pro Jahr nur die Hälfte. Im Gesetzentwurf schlagen Sie vor, bei hinterzogenen Steuern von über 50 000 Euro einen Zuschlag von 5 Prozent einzuführen, um straffrei zu bleiben. Dann zahlt er also 11 Prozent insgesamt. In jedem Fall muss er weniger bezahlen als der steuerehrliche Bürger, der gerade nicht flüssig ist. Wir fordern, dass der Zuschlag schon für den ersten Euro hinterzogener Steuern gelten muss. 5 Prozent sind zu wenig; 12 Prozent sind angemessen. Ihre Ablehnung eines höheren Zuschlags zeugt nur davon, wie egal Ihnen Steuerehrlichkeit und Steuergerechtigkeit sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Unsere Zustimmung für diese Politik bekommen Sie nicht.
(Beifall bei der LINKEN)