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Dauer des KFOR-Einsatzes zeigt, dass Konflikte militärisch nicht zu lösen sind

Rede von Gregor Gysi,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Abtrennung des Kosovo war völkerrechtswidrig. Es gab und gibt einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates vom 10. Juni 1999 mit der Nummer 1244, und da steht drin, dass die Bundesrepublik Jugoslawien – so nannte sich Serbien damals –

(Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Montenegro!)

unbedingt Bestand haben muss, ihre territoriale Integrität zu wahren ist, dass Kosovo innerhalb Serbiens aber eine substanzielle Autonomie benötigt. Dann erklärte die NATO, man habe sich mit der serbischen Regierung über die substanzielle Autonomie nicht verständigen können und deshalb trenne man das Kosovo ab. Aber der Sicherheitsratsbeschluss wurde nicht aufgehoben, der gilt noch heute; also ist es völkerrechtswidrig.

Auch der Krieg gegen Serbien war völkerrechtswidrig. Serbien hatte keinen Staat angegriffen, und es gab keinen Sicherheitsratsbeschluss nach Kapital VII der Charta der Vereinten Nationen. Aber das interessierte die NATO nicht. Wie war die Begründung? Die serbische Armee kämpfte gegen die UCK, die mit Waffengewalt eine Lostrennung des Kosovo von Serbien erreichen wollte. – Übrigens: Wer hat die UCK eigentlich bewaffnet? Aber gut. – Jeder Staat würde sich gegen bewaffnete Kräfte wenden, die einen Teil des Landes auf diese Art und Weise loslösen wollen. Aber bei diesem Kampf wurden auch nicht wenige Zivilisten getötet. Das war die Begründung der NATO.

Wir lehnten die Begründung ab und sagten, dass der Krieg völkerrechtswidrig sei. Ich sagte damals einem Vertreter der Bundesregierung, dass die zweifache Völkerrechtsverletzung – der Krieg und die Abtrennung des Kosovo – Schule machen wird. Das wurde bestritten. Aber so kam es: Russland trennte die Krim von der Ukraine, mit dem Hinweis auf die russische Schwarzmeerflotte und den geplanten NATO-Beitritt als Begründung. Auch das war klar völkerrechtswidrig; aber man berief sich auf das Kosovo.

Jetzt führt Russland einen völkerrechtswidrigen, schlimmen Krieg gegen die Ukraine. Die Begründung lautet, es gebe Faschisten in der Ukraine, die bekämpft werden müssten. Das ist überhaupt nicht haltbar. Natürlich gibt es da Faschisten; aber die gibt es auch in Russland, die gibt es auch bei uns und in vielen anderen Ländern. Das ist überhaupt kein Grund für einen Krieg.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Steffen Janich [AfD]: Wo gibt es Faschisten, zum Beispiel? – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Sie haben da etwas vergessen! Buchstabieren Sie mal Milosevic, Herr Gysi!)

Die zweite Begründung lautet, dass die ukrainische Armee gegen von Russland bewaffnete Kräfte im Donbass vorgeht – die genauso separatistisch sind, wie es die UCK war – und dass bei diesem Kampf ebenfalls nicht wenige Zivilisten ums Leben gekommen sind. Sehen Sie, meine Partei kann dieses Argument überhaupt nicht akzeptieren. Wir haben es ja schon bei der NATO abgelehnt, also können wir es jetzt unmöglich bei Russland anerkennen. Wir verurteilen deshalb den Krieg.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber die anderen Parteien und Fraktionen, die dieses Argument der NATO immer akzeptiert haben, müssten sich wenigstens schwertun, es jetzt bei Russland vollständig abzulehnen.

Natürlich sind diese Kriege nicht gleichzusetzen; der heutige ist viel brutaler, und es gibt deutlich mehr Kriegsverbrechen.

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Sagen Sie das mal Putin!)

Aber Kriegsverbrechen gab es in Serbien auch, zum Beispiel als ein Zug mit Zivilisten bombardiert wurde und wir erst ein gefälschtes und dann erst das echte Video sahen.

Sie wollen das Bundeswehrmandat verlängern. Es besteht jetzt seit 23 Jahren. Schon an der Dauer des Einsatzes wird deutlich, dass diese Konflikte militärisch nicht zu lösen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich frage erneut: Wie lange soll die Bundeswehr im Kosovo bleiben? 30 Jahre? 50 Jahre? Für immer?

Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin. – Vielleicht denken Sie, dass ich keinen Anspruch auf eine Antwort habe, was übrigens dem im Grundgesetz vorgesehenen Verhältnis zwischen Regierung und Parlament widerspricht. Auf jeden Fall haben aber die Bundeswehr, unsere Bevölkerung und die Bevölkerung des Kosovo Anspruch auf eine Antwort.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Herrn Milosevic haben Sie vergessen!)