Die Bundesregierung hat nach dem Aufenthaltsgesetz alle zwei Jahre einen "Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer" vorzulegen. Die Bundesregierung hat im Oktober 2006 im Alleingang beschlossen, die Veröffentlichung des aktuellen Berichts zu verschieben und das Parlament erst im April diesen Jahres darüber informiert. Wenn Migrantinnen und Migranten oder Flüchtlinge so gegen gesetzliche Pflichten verstoßen würden, müssten sie mit harten Saktionen rechnen.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
In § 94 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes heißt es:
„Die Beauftragte erstattet dem Deutschen Bundestag mindestens alle zwei Jahre einen Bericht über die Lage der Ausländer in Deutschland.“
Das hätte im Juni 2007 der Fall sein müssen. Ende April 2007 teilte die Integrationsbeauftragte jedoch dem Bundestagspräsidenten mit, dass der Bericht erst im ersten Quartal 2008 vorgelegt wird. Wenn Migrantinnen und Migranten oder Flüchtlinge so leichtfertig gegen die ihnen auferlegten gesetzlichen Pflichten verstoßen würden, wie Frau Böhmer es tut, müssten sie mit harten Sanktionen rechnen. Von Nichtdeutschen fordern Sie immer Rechtstreue, aber selbst setzen Sie sich leichtfertig über das Gesetz hinweg.
Sie haben bereits im Oktober letzten Jahres die Verschiebung des Lageberichts im Alleingang beschlossen. Nicht nur das: Sie haben auch noch mitbeschlossen, dass dieses Vorgehen dem Bundestag erst im April dieses Jahres mitzuteilen ist. Sie betrachten den Deutschen Bundestag offenkundig als eine bloße Abnickmaschine, die das Regierungsgeschäft nicht stören soll. Ich finde dies einfach nur skandalös.
(Beifall bei der LINKEN)
Als Grund für die Verschiebung des Lageberichts verweist die Integrationsbeauftragte auf den Nationalen Aktionsplan Integration. Fachlich nachvollziehbar wäre es aber gewesen, erst einen wissenschaftlich fundierten Lagebericht vorzulegen und dann einen Aktionsplan zu erarbeiten. Genau das will die Regierung aber nicht. Kritische Nachfragen sind nicht erwünscht, wenn Bundeskanzlerin Merkel den Nationalen Aktionsplan Integration nächste Woche vorstellen wird. Da passt es anscheinend auch nicht, kurz vor dem Integrationsgipfel die Versäumnisse einer ausgrenzenden Integrations- und Flüchtlingspolitik aufarbeiten zu müssen; denn durch einen kritischen und problemorientierten Bericht über die Lage von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen in Deutschland würde vor allem eines deutlich werden: Die Integrationspolitik der letzten Jahre ist weit davon entfernt, soziale Chancengleichheit für alle Menschen hier herzustellen. Eine wirkliche Kehrtwende in der Integrationspolitik würde eben mehr erfordern, als einfach nur ein paar unverbindliche Maßnahmen und Ziele in einen Aktionsplan hineinzuschreiben.
Lieber inszeniert die Bundesregierung einen Gipfel nach dem anderen. Die Beteiligung von Migrantenorganisationen wurde dabei auch medial immer groß herausgestellt. Auf gleicher Augenhöhe sollte geredet werden. Man wollte miteinander reden. Dabei haben all diese Organisationen einen Maulkorb bekommen. Über aufenthaltsrechtliche Regelungen und über die Integration von geduldeten Flüchtlingen sowie Menschen ohne Aufenthaltsrecht durften in den Arbeitsgruppen des Integrationsgipfels keine Empfehlungen abgegeben werden. Gleiches galt auch für das Thema der politischen Rechte. Während es zum bürgerschaftlichen Engagement eine Arbeitsgruppe gegeben hat, durfte das kommunale Wahlrecht für Angehörige von Drittstaaten überhaupt nicht thematisiert werden.
Zur gleichen Zeit, als Sie die Arbeitsgruppen noch bei Kaffee und Keksen über Integration debattieren ließen, stellte die Große Koalition mit den massiven Verschärfungen im Aufenthaltsgesetz die Weichen für die zukünftige Integrationspolitik: Sanktionen statt Angebote, Ausweitung von Abschiebungen statt Aufenthaltsverfestigung und Eingriffe in die Grundrechte, wie das Recht auf Familie, statt Ausbau von Rechten.
Kritik war nicht erwünscht. Der Dialog auf gleicher Augenhöhe war eine Farce und ist es auch noch. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass die Organisationen keinen Sinn mehr in der Teilnahme in der nächsten Woche sehen und mit einem Ausstieg drohen.
Die bisherigen Berichte über die Lage von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen in Deutschland waren der Regierung offenkundig zu kritisch. Aus dem Vermerk vom Oktober aus dem Hause Böhmer geht hervor, dass der zukünftige Bericht nicht mehr wissenschaftlich abwägend ausfallen soll. Er soll ergebnisorientiert gestaltet werden. Und wer bestimmt das Ergebnis? Frau Böhmer selbst.
Die von Ihnen angestrebte Veränderung des Lageberichts illustriert eben auch den Wandel, für den Frau Böhmer steht, nämlich die Umwandlung des Amtes einer Beauftragten für Migrantinnen und Migranten in das Amt einer Staatsministerin, die vor allem für die Belange der Regierung ist - notfalls auch gegen die Belange der Migrantinnen und Migranten. Erst vor drei Wochen hat die Integrationsbeauftragte ein Gesetz begrüßt und für gut befunden, das massiv in die Rechte von Migrantinnen und Migranten eingreift.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Nationale Integrationsplan, der uns in der nächsten Woche präsentiert wird, steht auf tönernen Füßen. Er wird von unverbindlichen Handlungsempfehlungen und auch Zielen geprägt sein und sehr selektiv ausfallen. Dazu passt, dass Sie uns die Vorlage eines fundierten Berichts zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland bewusst verweigern wollen. Ich kann Sie nur auffordern, diesen Bericht so zügig wie möglich vorzulegen.
Deswegen haben wir, Die Linke, eine Sofortabstimmung beantragt. Eine Überweisung dieses Antrages in die Ausschüsse wäre einfach nur eine Fortsetzung der Verzögerungstaktik. Es hat überhaupt keinen Sinn und Zweck, einen solchen Antrag in die Ausschüsse zu überweisen. Wir beantragen die Sofortabstimmung, weil wir der Auffassung sind, dass der Bericht fällig ist.
Danke.