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Bleiberechts- statt “Abschiebeoffensive”

Rede von Clara Bünger,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ihr Antrag und Ihre Rede, Herr Baumann, machen wieder deutlich, dass Sie von Rechtsstaatlichkeit keine Ahnung haben. Was Sie eigentlich wollen, ist die Errichtung eines Unrechtsstaats, in dem Sie Ihre rassistischen Vorstellungen umsetzen können. Ich sage Ihnen dazu eines: Wir werden das verhindern. Ihr Rassismus muss endlich raus aus diesem Bundestag!

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Außerdem verbreitet die AfD Mythen und Unwahrheiten, wie es meine Kollegin Filiz Polat bereits erwähnt hat. Es ist völlig irreführend, zu beklagen, dass 800 000 abgelehnte Asylsuchende noch im Land seien, wie Sie es in Ihrem Antrag formulieren. Im Ausländerzentralregister, aus dem Sie Ihre Zahlen nehmen, wird diese Eintragung nämlich ein Leben lang nicht gelöscht. Eine Reform des AZR, wie es Frau Polat vorgeschlagen hat, ist deshalb dringend notwendig.

(Beifall bei der LINKEN)

Überwiegend leben diese Menschen mittlerweile völlig legal in Deutschland, aber eben mit einem anderen Aufenthaltszweck. Darunter können zum Beispiel Polinnen und Polen sein, deren Anträge in den 90er-Jahren eine Ablehnung im Asylverfahren erfahren hatten, aber jetzt selbstverständlich als Unionsbürger/-innen hier in Deutschland leben, oder Menschen, die geheiratet haben und sich deshalb vollkommen rechtmäßig in Deutschland aufhalten. Kurz gesagt: Wenn jemand in der Vergangenheit mal im Asylverfahren abgelehnt wurde, sagt das über den aktuellen Aufenthaltsstatus überhaupt nichts aus.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Entweder ist die AfD nicht in der Lage, das zu verstehen, oder sie weiß das sehr genau, aber verwendet diese irreführenden Zahlen für ihre demagogischen Zwecke. Dafür sollten Sie sich schämen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die AfD fordert, die Ausreise von abgelehnten Asylsuchenden – Zitat – „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu forcieren“, klingt das wie eine Aufforderung zu mehr Brutalität und Polizeigewalt. Dabei wird doch längst gnadenlos abgeschoben, und das seit Jahren. Meine letzte Anfrage an die Bundesregierung hat ergeben, dass im Schnitt jeden Tag 34 Menschen außer Landes geschafft werden. Sie werden zurück an Orte gezwungen, wo ihnen existenzielle Notlagen, Folter, Haft oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Ich sage Ihnen ganz klar: Jede einzelne dieser Abschiebungen ist eine zu viel.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viele der betroffenen Menschen hatten seit Jahren ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Sie haben hier gearbeitet, ihre Kinder gingen hier zur Schule. Diese Menschen werden durch die Abschiebung aus ihrem Leben gerissen.

Immer wieder werden auch Familienangehörige voneinander getrennt. Ich gebe Ihnen mal ein Beispiel: Ende Januar ist die Polizei in Celle mitten in der Nacht in die Wohnung einer Familie mit vier kleinen Kindern eingebrochen, um sie nach Georgien abzuschieben. Der Vater ist psychisch schwer krank; er hat mehrere Suizidversuche hinter sich. Die Mutter war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger, und die Behörden wussten, dass sie aufgrund einer Risikoschwangerschaft nicht abgeschoben werden durfte. Trotzdem versuchten sie zunächst, die gesamte Familie abzuschieben. Nur weil die Frau protestierte, durfte sie zunächst bleiben, wurde aber angewiesen, freiwillig auszureisen.

Nachtabschiebungen, Fesselungen, Polizeigewalt – all das kommt systematisch vor. Das ist nicht nur unmenschlich, sondern eines Rechtsstaats nicht würdig.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein besonderer Skandal in der Sache ist der sprunghafte Anstieg der Zahl an Abschiebungen in die Türkei. Über 360 Menschen wurden letztes Jahr in das Land abgeschoben. Darunter sind viele linke und kurdische Oppositionelle, denen in der Türkei massive Verfolgung droht. Das ist besonders perfide vor dem Hintergrund, dass Erdogan gerade wieder einen völkerrechtswidrigen Krieg in Kurdistan führt.

Zuletzt sage ich auch noch eine Sache, die sich an Sie richtet, liebe Koalition: Wir brauchen aus meiner Sicht keine Rückführungsoffensive, sondern eine Bleiberechtsoffensive.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)