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Biokraftstoffstrategie der Bundesregierung gescheitert

Rede von Kirsten Tackmann,

Rede zu den Anträgen "Rein-Biokraftstoffe von Besteuerung bis 2009 befreien und den Bericht zur Steuerbegünstigung für Biokraft- und Bioheizstoffe umgehend vorlegen" der FDP. DS 16/5133, und "Stufenbesteuerung und Quotenpflicht bei Biokraftstoffen zurück nehmen - Nachhaltigkeitskriterien umgehend einführen" der LINKEN, DS 16/5679

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste!
Herr Schindler, mit Ihrer Biokraftstoffpolitik werden Sie wahrscheinlich beim nächsten Tanz sitzen bleiben und nicht abgeholt werden, weder von den vorhandenen Bräuten noch von irgendjemand anders.
Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Für die Linke ist Ihre Biokraftstoffstrategie deutlich gescheitert. Dieses Scheitern ist unübersehbar und auch nicht überraschend. Sie selbst haben es dargestellt: Gerade die klein- und mittelständischen Biodieselhersteller haben entweder geschäftliche Schwierigkeiten oder stehen schon vor der Pleite. Zwei Drittel der deutschen Biodieselhersteller stehen vor dem Aus, so meldet Agra-Europe. Damit stehen auch die regionalen Versorgungsstrukturen, die einen ganz anderen Markt darstellen als die Tankstellen - das wissen Sie wahrscheinlich genauso gut wie ich -, und Arbeitsplätze vor allem im ländlichen Raum vor dem Aus.
Wir können weitermachen mit dem Bioethanolwerk in Schwedt, das gerade die Produktion auf null heruntergefahren hat. Man kann zu Projekten wie in Schwedt stehen, wie man will. Eines ist aber Fakt: Dort sind Fördermittel in Millionenhöhe in den Sand gesetzt worden.
(Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Aber nicht wegen dieser Strategie!)
- Das hat aber damit zu tun; denn Sie haben das mit einbezogen.
(Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Die Produkte in Schwedt sind nie steuerlich gefördert worden!)
- Sie können gern eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie darauf Wert legen.
Die Hoffnung auf eine zukünftige ökologische Kraftstoffstrategie mit einheimischen Rohstoffen ist damit vergeigt. Das Schielen auf kurzfristige Steuereinnahmen lässt die vielleicht in einigen Jahren sprudelnde Quelle schon jetzt versiegen. Diese Politik widerspricht auch den angeblich so ambitionierten Klimaschutzzielen Ihrer Regierung. Sie hat zudem soziale Folgen, weil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser jungen Branche vor der Entlassung stehen.
Für meine Fraktion gibt es dafür ganz klar zwei Gründe: die Zwangsbeimischungsquote und die „Strafsteuer“ für Biokraftstoffe, wie ich sie einmal benennen möchte. Bereits nach nur einem Jahr Wirkungszeit dieser beiden Maßnahmen ist der Biospritmarkt im Prinzip kaputt; die Klimaschutzziele haben Sie gleich mit aufgegeben. Dabei wird jetzt - Sie selbst haben es genannt - massenweise Palm- und Sojaöl importiert, deren Produktion nun wirklich nicht klimafreundlich ist: Tropenwälder werden abgeholzt. Landarbeiterinnen und Landarbeiter werden ausgebeutet. Kleinbauern werden vertrieben. Solche Raubbauimporte sind weder klimafreundlich noch sozial. Die Linke fordert daher ganz dringend ein wirksames Zertifizierungssystem für den nachhaltigen Anbau von nachwachsenden Rohstoffen, und zwar sowohl für Europa als auch für Importe aus Drittländern. Diese Zertifizierung muss nach strengen sozialen und ökologischen Standards erfolgen.
(Beifall bei der LINKEN)
Wie zahlreiche Fachleute haben auch wir von Anfang an gewarnt. Wenn Sie die Mineralölkonzerne dazu verpflichten, dem herkömmlichen Sprit einen Mindestanteil an Biodiesel oder Bioethanol beizumischen, sorgen Sie dafür, dass die Konzerne Zugriff auf den Bioenergiemarkt bekommen. Diese Konzerne bedienen sich jetzt des importierten Palm- und Sojaöls, das nicht ökologisch hergestellt wurde. Sie können damit ihre Biokraftstoffbeimischungsquote und alle anderen Vorgaben erfüllen. Die Folge davon sind Dumpingpreise auf dem Biospritmarkt, mit denen die einheimischen Produzenten nicht mithalten können, weil die natürlich zu anderen Bedingungen produzieren.
Gerade die europäischen Landwirtinnen und Landwirte hätten die Chance, Biosprit klimaneutral zu erzeugen, wenn sie nach guter fachlicher Praxis mit angepassten Fruchtfolgen und mit Düngemitteleinsatz nach Augenmaß produzieren könnten. Statt das zu fördern, versucht die Bundesregierung, durch Besteuerung Gewinne abzuschöpfen, die nirgendwo wirklich existieren.
Außerdem will sie den Biospritanteil jetzt auch noch auf 20 Prozent steigern,
(Norbert Schindler (CDU/CSU): Den Energieanteil! Nicht im fossilen Bereich!)
obwohl der Sachverständigenrat für Umweltfragen festgestellt hat, 7 Prozent seien auf Basis der einheimischen Ressourcen zu decken;
(Norbert Schindler (CDU/CSU): 10 Prozent!)
alles andere müsse importiert werden. Ich sage: Oder wir reduzieren den Kraftstoffverbrauch der Autoflotte drastisch und benutzen mehr Bus und Bahn. Andernfalls wird der deutsche Biokraftstoffmarkt von billigen und klimaunfreundlichen Exporten überflutet oder werden Ihre Klimaschutzziele nicht erfüllt.
Aus unserer Sicht gibt es aber sehr wohl soziale und ökologische Alternativen zu Ihrer Politik. Wir haben sie in unserem Antrag niedergeschrieben und freuen uns sehr auf die Diskussion. Wir hoffen auf Besserung.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)