2013 war Deutschland ein weiteres Mal Exportchampion. Die Importe hingegen gingen sogar zurück. Schuld daran ist die schwache Binnennachfrage. Denn: die wirtschaftliche Entwicklung geht an der Mehrheit der Menschen vorbei. Die Wirtschaft ist von 2000 auf 2013 um fast 14 Prozent gewachsen. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen haben in diesem Zeitraum um rund 31 Prozent zugelegt. Die Bruttolöhne- und gehälter je Beschäftigten hingegen sind um rund 2 Prozent gesunken. Einkommenszuwächse gab es nur bei den Spitzeneinkommen. Am unteren Ende der Einkommensskala kam es zu weiteren Rückgängen. Jeder vierte Beschäftigte in Deutschland arbeitet für einen Niedriglohn.
Auch die Europäische Kommission empfiehlt Maßnahmen zur Stärkung der Binnennachfrage. Sie hat die Makroökonomischen Ungleichgewichte in Deutschland einer vertieften Überprüfung unterzogen, da sich die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse seit 2007 über der Warnschwelle von sechs Prozent befinden. Laut EU Kommission haben die privaten Haushalte mehr gespart und die Unternehmen zu wenig investiert. Auch die öffentlichen Investitionen seien viel zu gering. Folglich müssten öffentliche Investitionen – insbesondere Infrastrukturmaßnahmen – gesteigert und geeignete Bedingungen zur Begünstigung des Lohnwachstums – vor allem der Arbeitnehmer am unteren Ende der Einkommensskala – geschaffen werden. Politische Maßnahmen, die Investitionen beeinträchtigten könnten, sollen vermieden werden.
Doch die Bundesregierung nimmt diese Empfehlungen nicht wirklich ernst. Muss sie auch nicht, denn sie hat maßgeblich dafür gesorgt, dass innerhalb der neuen „Economic Governance“ der EU Überschüsse nicht sanktionsfähig sind. Schon im Jahreswirtschaftbericht stellt sie einseitig die gute Verfassung der deutschen Wirtschaft und die hohe Beschäftigungsquote heraus. Neue Ideen gegen prekäre Beschäftigung und ausbleibende Investitionen: Fehlanzeige!
So will die Bundesregierung die Verkehrsinvestitionen um 5 Mrd. € erhöhen und die Länder um 6 Mrd. € entlasten – gestreckt auf die gesamte Legislaturperiode. Selbst gestecktes Ziel der Bundesregierung ist laut Koalitionsvertrag jedoch eine Gesamtinvestitionsquote oberhalb des OECD-Durchschnitts. Der OECD-Durchschnitt lag 2013 bei 20%. Die deutsche Investitionsquote nur bei 17,2%. Um den OECD-Durchschnitt zu erreichen, hätten allein im vergangenen Jahr 75 Mrd. Euro mehr investiert werden müssen.
Die wachsende Spaltung auf dem Arbeitsmarkt will die Bundesregierung mit einer Beschränkung der Leiharbeit auf 18 Monate und gleichem Lohn nach neun Monaten bekämpfen. Das geht am Problem vorbei. Im „Zwölften Bericht der Bundesregierung zur Arbeitnehmerüberlassung“ ist nachzulesen, dass der Anteil der Arbeitsverhältnisse, die weniger als 3 Monate dauerten, zwischen 39 und 61% schwankten. Auch der Mindestlohn ist mit all den Ausnahmen mittlerweile eher ein Schweizer Käse, außerdem kommt er zu spät und ist zu niedrig. Sachgrundlose Befristung und die ausufernde Zahl von Werkverträgen werden von der Großen Koalition gar nicht angefasst.
Diese Maßnahmen der Bundesregierung werden weder zu einer ernsthaften Stärkung der Binnennachfrage führen, noch die exzessiven Leistungsbilanzüberschüsse abbauen.
Dafür ist es vielmehr notwendig, die Verteilung von Einkommen und Vermögen gerechter zu gestalten. Dafür muss der Anteil der Löhne am Volkseinkommen deutlich steigen. Deutliche Lohnsteigerungen sind nötig, die durch eine Stärkung der gewerkschaftlichen Durchsetzungsmacht erreicht werden können. Dies erfordert ein konsequentes Verbot von Leiharbeit und sachgrundlosen Befristungen, die Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen sowie die Abschaffung des Zwangssystems Hartz IV. Auch die sofortige Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von 10 Euro pro Stunde ohne Ausnahmen ist wichtig für die Stärkung der Binnennachfrage. Ebenso muss die Steuerpolitik gerechter gestaltet werden durch eine höhere Besteuerung von großen Erbschaften und Finanzgeschäften sowie die Einführung einer Millionärssteuer. Notwendig ist auch eine deutliche Steigerung öffentlicher Investitionen zugunsten von Bildung, Gesundheit, Klimaschutz, Infrastruktur und Verkehr.