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Besserer Schutz der Stalking-Opfer und Sensibilisierung der Behörden

Rede von Sevim Dagdelen,

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen ist nicht zielführend. Denn er schützt das Opfer erst dann, wenn es schwerwiegend und unzumutbar beeinträchtigt ist. Deshalb wird der Entwurf den Bedürfnissen der Betroffenen nicht gerecht. Eine Ergänzung des Gewaltschutzgesetzes um bisher nicht erfasste, nach wissenschaftlichen Untersuchungen aber verbreiteter Verhaltensweisen wäre hilfreicher. Sevim Dagdelen in der Debatte zum Stalking- Bekämpfungsgesetz.

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In einem sind wir uns alle einig: Der Schutz von Opfern beharrlicher Nachstellungen, des so genannten Stalkings, muss verbessert werden. Ich begrüße es hier ausdrücklich, dass wir über den Bundesratsgesetzentwurf anscheinend nicht mehr zu sprechen brauchen, da die inhaltlichen Mängel dieses Gesetzentwurfs meines Erachtens so groß sind, dass man darüber überhaupt nicht zu diskutieren braucht. Kommen wir also zum Entwurf der Bundesregierung. Dieser hat zwar den Vorteil, dass er wahrscheinlich nicht verfassungswidrig wäre; dafür weist er aber andere Schwächen auf. Im Gegensatz zum Bundesratsgesetzentwurf beschreibt der vorgesehene neue Straftatbestand § 241 b StGB abschließend besonders häufig auftretende Verhaltensweisen von Stalkern und stellt dieselben unter Strafe. Die Strafbarkeit soll dabei - das ist hier oft zum Ausdruck gekommen - vom Erfolg der kausalen schwerwiegenden und unzumutbaren Beeinträchtigung der Lebensgestaltung abhängen. Fraglich ist hier allerdings, ob das Ziel der Gesetzesinitiative so überhaupt erreicht wird. Das Ziel ist der Opferschutz, und zwar vor allem die bessere Betreuung durch die Strafverfolgungsbehörden zu einem Zeitpunkt, da das Opfer sich dem Psychoterror noch nicht durch Einschränkung der Lebensumstände gebeugt hat. Ein Ansetzen zu diesem Zeitpunkt wird durch den Gesetzentwurf jedoch nicht geregelt. Das Opfer soll erst schwerwiegend und unzumutbar beeinträchtigt sein, bevor die Schwelle zur Strafbarkeit überschritten wird. Den Bedürfnissen der Betroffenen wird er somit nicht gerecht. Diese sind primär nicht am repressiven Handeln des Staates interessiert, sondern an der präventiven Tätigkeit der Behörden und an Unterstützung. (Beifall bei der LINKEN) Erforderlich sind daher unseres Erachtens eine Sensibilisierung der Strafverfolgungsbehörden und eine konsequente Unterstützung der Opfer durch geschulte Kräfte. Was die Opfer wollen, ist auch eine Unterbrechung der Gewaltspirale des Täters, um bereits jetzt strafbare Handlungen wie Körperverletzung zu verhindern. Eine aus Sicht der Opfer vielleicht wünschenswerte vorbeugende Haft ist in einem demokratischen Rechtsstaat wegen der schweren Form des Eingriffs in die Handlungsfreiheit und in die Freiheit der Person nur unter restriktiven Bedingungen möglich; vergleichen Sie dazu § 112 a StPO. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung würde im Gegensatz zum Entwurf des Bundesrats hieran zu Recht nichts ändern. Stellt sich somit die Frage, ob eine Ergänzung des Gewaltschutzgesetzes um bisher nicht erfasste, nach wissenschaftlichen Untersuchungen aber verbreitete Verhaltensweisen nicht hilfreicher wäre. Zudem sollte unseres Erachtens der Normverletzung nach § 4 Gewaltschutzgesetz der Anschein eines Bagatelldelikts genommen werden. Die Polizeikräfte sollten darüber hinaus dazu angehalten werden, die Opfer von Straftaten allgemein und die Opfer von Stalking ernst zu nehmen und entsprechend zu betreuen. Dem grundsätzlichen Anliegen, eine bessere Verfolgbarkeit der Stalker durch die Strafbewehrung zu erreichen und damit den Opfern zu helfen, wird man durch die vorliegende Fassung dieses Gesetzentwurfs nicht gerecht. Ich hoffe, wir werden bei den Beratungen im Ausschuss darauf hinwirken können, dass die Regelung zu dem Zeitpunkt, wo die Opfer die Hilfe benötigen, greift. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN)