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»Beim Euro Hawk haben von Rot-Grün bis Schwarz-Gelb alle zusammen versagt«

Rede von Jan van Aken,

Jan van Aken (DIE LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich dem Sekretariat meinen Dank aus­sprechen. Es war eine ganz harte Aufgabe, mitten in der Sommerpause von null auf hundert einen solchen Unter­suchungsausschuss zu organisieren. Das haben sie ganz hervorragend gemacht. Ich möchte nicht wissen, wie viele Nächte und Wochenenden sie durchgearbeitet haben. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte gerne drei Punkte ansprechen: erstens, die Rolle von Herrn de Maizière, zweitens, warum wir als Linke den Euro Hawk von Anfang an falsch fanden und drittens: Wie kann man künftig solche Debakel verhin­dern?

Zu Herrn de Maizière. Hier sind die Fakten ganz simpel. Herr de Maizière hat vor drei Monaten gesagt, ihm sei nie ein Papier im Zusammenhang mit dem Problem des Euro Hawk vorgelegt worden. Es gibt dieses Papier aber.

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist ihm schon ein halbes Jahr vorher vorgelegt worden. In diesem sind die Probleme drastisch geschildert worden. Er ist der Lüge überführt. Ich frage mich, warum er eigentlich immer noch Minister ist.

(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Märchenstunde!)

Herr Grübel, Sie werfen mir Bösartigkeit vor.

(Michael Brand [CDU/CSU]: Das war noch milde ausgedrückt!)

Ich möchte deswegen die Fakten, die diese Lüge von Herrn de Maizière belegen, noch einmal ganz langsam der Reihe nach durchgehen, um zu sehen, an welchem Punkt Sie mir widersprechen.

Erstens. Am 5. Juni dieses Jahres hat Herr de Maizière vor dem Verteidigungsausschuss wörtlich gesagt, vor dem 13. Mai sei ihm „keine Vorlage … mit einer Beschreibung der Zulassungsprobleme“ vorgelegt worden.

(Thomas Silberhorn [CDU/CSU]: Lesen Sie den nächsten Satz doch auch noch vor!)

Das ist aber falsch. In den Akten finden wir plötzlich einen ganz dicken Bericht – fast 50 Seiten – für Herrn de Maizière für seinen Besuch bei Cassidian. Cassidian ist eine Firma aus Bayern, die am Euro Hawk beteiligt war. Das ist ihm vorgelegt worden. Dann fragen wir Herrn de Maizière, als er als Zeuge dort sitzt: Kennen Sie diese Vorlage? Er weiß natürlich ganz genau, dass in diesen Akten auf vier langen Seiten alle Probleme des Euro Hawk geschildert werden. Dort steht: Es gibt hohe finanzielle Risiken. Es wird von Zulassungsproblemen geredet. Dort steht, dass die Serienbeschaffung des Euro Hawk infrage gestellt ist. Und dort steht – das ist die größte anzunehmende Klatsche für ein Projekt –: Wir suchen bereits nach Alternativen. Das steht dort alles, und das weiß Herr de Maizière.

Und – Herr Grübel, Sie waren dabei und haben es gesehen – was versucht dieser Minister dann? Plötzlich versucht er, zu definieren: Na ja, diese Informationsmappe war keine Vorlage. Nur das Deckblatt war eine Vorlage. Der Rest war eine Informationsmappe. Deswegen hat er nicht gelogen. Diesen himmelschreienden Versuch, sich mit Worten herauszuwinden, hat er selber aufgegeben. Er hat später zugegeben: Die ganze Mappe mit allen Problembeschreibungen war eine Vorlage.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Nein! Falsche Rückschlüsse!)

Also hat er gelogen. Das ist zweifelsfrei belegt, Herr Grübel. Das können Sie auch nicht leugnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zweite Frage: Warum überhaupt diesen Euro Hawk? Ich stehe jetzt hier und höre mir Ihre Reden an. Herr Grübel von der CDU, Sie werfen Herrn Scharping und Rot-Grün vor, dass sie das Projekt versemmelt haben.

(Henning Otte [CDU/CSU]: Genau!)

Herr Arnold von der SPD, Sie werfen Herrn de Maizière von der CDU vor, dass er es versemmelt hat. Das Schlimme ist: Sie haben beide recht.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie alle gemeinsam – von Rot-Grün über die Große Koalition bis zu Schwarz-Gelb – haben das Projekt in den Sand gesetzt. Wir haben dieses Problem nicht. Wir haben nämlich von Anfang an immer Nein zum Euro Hawk gesagt, aus einem ganz einfachen Grund:

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht ihr ja immer!)

Die Bundeswehr brauchte diesen Euro Hawk aus ihrer Sicht für ihre Auslandseinsätze. Sie brauchte die Spiona­gedrohne, um Kriegseinsätze in Afghanistan zu unterstützen. Wir finden die Kriegseinsätze falsch. Deswegen fanden wir die Drohne falsch. Das finden wir heute immer noch.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Was aber dann im Laufe des Untersuchungsausschusses noch herausgekommen ist, das war uns vorher nicht klar, und das finde ich genauso bedenklich: Bei diesem Euro Hawk handelt es sich technisch um einen riesigen Datenstaubsauger. Wir haben das von Fachleuten analysieren lassen. Er kann tatsächlich, wenn er in 15 Kilome­ter Höhe über Deutschland kreist, alle Mobilfunkverbindungen aufzeichnen und heruntersenden. Das ist ein Datenstaubsauger. Wenn der hier eingesetzt wird, dann finde ich das sehr bedenklich.

Dann stellt sich doch tatsächlich im Laufe des Untersuchungsausschusses heraus: Das war auch geplant. Der sollte auch von der Bundeswehr im Rahmen der sogenannten Amtshilfe ausgeliehen werden. Das haben wir schriftlich in den Dokumenten. Das hat auch ein Zeuge ausgesagt. Das Innenministerium und der Bundesnach­richtendienst waren zum Beispiel vorgesehen, diesen Euro Hawk zu nutzen. Die Vorstellung, dass es wie im Jahre 2007 wieder einmal eine große Demonstration in Deutschland gibt und die Bundeswehr herangerufen wird, Amtshilfe zu leisten, und dann ein Euro Hawk diese Demonstration mit seinem Datenstaubsaugermechanismus von oben überwacht, finde ich wirklich erschreckend. Das ist ein zweiter, guter Grund, diesen Euro Hawk abzulehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt stellt sich die große Frage: Wie können wir eigentlich in Zukunft ein solches Debakel verhindern? Das, was mich in diesem Untersuchungsausschuss am meisten schockiert hat, war, wie eng eigentlich die Verflechtung zwischen dem Bundesverteidigungsministerium und der deutschen Rüstungsindustrie ist. Man glaubt gar nicht, welche personellen Verknüpfungen es da gibt. Da gibt es Mitarbeiter, die direkt von der Spitze des Ministeriums in eine Rüstungsfirma wechseln. Da gibt es Vorlagen, die teilweise von der Industrie geschrieben werden. Das geht so weit, dass jetzt bei der Suche nach einem Nachfolgeprojekt für den Euro Hawk eine Firma beauftragt wird, ihr eigenes Produkt zu prüfen. Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass das Ministerium Firmen damit beauftragt, sich selbst zu überprüfen. Dass am Ende Murks dabei herauskommt, muss Ihnen allen klar sein. Mit dieser Verflechtung und diesem Filz muss endlich aufgeräumt werden.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])

Was wir brauchen, ist endlich eine unabhängige Kontrolle des Verteidigungsministeriums. Der Euro Hawk ist ja nicht das einzige Projekt, das völlig gegen die Wand gefahren wurde. Es gibt viele andere. Ich muss sagen: Das, was die Zeugin vom Bundesrechnungshof im Untersuchungsausschuss gesagt hat, war für mich wirklich sehr ernüchternd. Sie hat gesagt: Das Ministerium war blauäugig. Sie hat gesagt: Das Controlling hat versagt. Sie hat gesagt: Es hat keine fachliche Kontrolle gegeben. Das muss man sich einmal vorstellen: Bei einem Hunderte Millionen Euro schweren Projekt kein Controlling, keine Kontrolle, ein blauäugiges Ministerium.

Wir brauchen offensichtlich eine unabhängige Kontrolle von außen. Deshalb schlagen wir eine Stärkung des Bundesrechnungshofes vor, weil dort die Expertinnen und Experten vorhanden sind. Es hat sich im Laufe des Untersuchungsausschusses gezeigt, dass die etwas davon verstehen. Sie müssen nur direkt in das Ministerium durchgreifen können. Das würde diesen Filz mit der gegenseitigen Selbstbedienung vielleicht beenden.

Zusammenfassend muss man sagen: Das Euro-Hawk-Projekt war von Anfang an falsch. Es ist ganz schlecht umgesetzt und am Ende gegen die Wand gefahren worden. Schuld waren immer die anderen. Das Wort „Selbstkritik“ kommt bei Herrn de Maizière überhaupt nicht vor. Schuld haben immer die anderen. Verantwor­tung übernimmt er nur für die Rüstungsindustrie und für niemand sonst. Das finde ich eines Ministers unwürdig.

(Beifall bei der LINKEN – Henning Otte [CDU/CSU]: Wie Ihre Vorgängerpartei PDS!)

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte, auch keine Droh­nen. Vielleicht wissen Sie es, vielleicht wissen Sie es nicht: Deutschland verkauft gerade nicht nur Panzer nach Saudi-Arabien, sondern auch Drohnen. Aber das ist ein Thema für die nächste Saison.

Ich bedanke mich bei Ihnen. Tschüss.

(Beifall bei der LINKEN)