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Ausverkauf staatlichen Eigentums stoppen – keine Privatisierung der TLG Wohnungen

Rede von Heidrun Bluhm-Förster,

Rede zu Protokoll im Deutschen Bundestag zum Antrag der Fraktion DIE LINKE mit dem Titel "Ausverkauf staatlichen Eigentums stoppen – keine Privatisierung der TLG Wohnungen" (Drs.-Nr. 17/9150)

sehr geehrter Herr Präsident,
meine Damen und Herren,

dass DIE LINKE konsequent und stetig gegen den Privatisierungsrausch der Bundesregierung ankämpft, ist Ihnen nicht neu. Das hat mit unserem Verständnis von „Sozialstaat“ und politischer Verantwortung für soziale Gerechtigkeit zu tun.

Dass wir aber nun einen Antrag einbringen, der vor allem den Schutz der TLG WOHNEN GmbH vor der Privatisierung zum Inhalt hat, werden mache hier im Haus zumindest merkwürdig finden.
Ausgerechnet DIE LINKE setzt sich scheinbar für eine Nachfolgegesellschaft der Treuhandanstalt, der vormaligen Treuhandliegenschaftsgesellschaft und jetzigen TLG Immobilien GmbH ein!

Bemerkenswert ist daran aber vor allem, dass wir augenscheinlich die einzige Partei sind, die diesen beabsichtigten Verkauf der TLG GmbH grundsätzlich hinterfragt.

Es geht hier immerhin um eine Bilanzsumme von fast 1,9 Milliarden Euro, wovon allein rund 1,7 Milliarden Immobilienvermögen sind.
Verkauft werden sollen aber nicht schlechthin 11.500 Wohnungen und diverse Gewerbeimmobilien sondern die TLG Immobilien GmbH insgesamt, die extra wegen der vermeintlich besseren Verkaufsaussichten zum Jahresbeginn 2012 in zwei Gesellschaften aufgespalten worden ist.

Angeboten werden auch keine Tranchen von Wohnungsbeständen in den betroffenen Städten
Berlin, Dresden, Rostock, Merseburg, Stralsund und Halle, so dass sich die Kommunen, kommunale oder regionale Wohnungsgesellschaften an dem- sehr eiligen- „strukturierten Bieterverfahren“ beteiligen könnten.

Ich frage mich, wie zwei Parteien, die angeblich den Mittelstand so sehr ins Herz geschlossen haben und ständig von liberaler Chancengleichheit schwafeln, so etwas betreiben können!
Das Verfahren läuft vom 08. März bis zum 16. April diesen Jahres. Der Verkauf insgesamt soll in diesem Jahr über die Bühne gehen.
Das Bundesministerium der Finanzen sieht ausdrücklich nur den Verkauf sämtlicher Gesellschaftsanteile an einen oder höchstens zwei Erwerber vor.

Zu Beginn zwei Fragen:

1.Wer kann das wohl sein? und
2.Wird mit diesem Verkaufsmodell möglicherweise die Grunderwerbsteuer umschifft?

Wohlgemerkt:
Das sind keine Schrottimmobilien, die man lieber heute als morgen loswerden müsste, sondern das sind gut vermietete und verwaltete Wohnungen und Gewerbeobjekte, die Jahr für Jahr satte Gewinne abwerfen.

Es ist, als würde man das Huhn, das goldene Eier legt, für einen schnellen Happen zwischendurch schlachten!
Mit nachhaltiger Haushaltskonsolidierung hat das nicht das geringste zu tun.

Das ist lediglich der untaugliche Versuch, neu klaffende Haushaltslöcher kurzfristig zu kaschieren.
Nicht einmal von „solide Stopfen“ könnte hier die Rede sein.
Aber dieser wirtschaftliche Unfug ist nur die eine Seite der Medaille.
Viel gravierender sind aus meiner Sicht drei charakteristische Denk- und Verhaltensmuster dieser Koalition, die hier wieder einmal deutlich sichtbar werden:

1. Mit dem Verkauf öffentlicher Wohnungsbestände bedient man nicht nur die privaten Profitinteressen von großen Anlegern und internationalen Finanzinvestoren, für die der deutsche Immobilienmarkt höchst lukrativ ist, sondern man entledigt sich zugleich eines weiteren Stücks politischer Verantwortung für das soziale Funktionieren der Gesellschaft.

Um den erhofften Verkaufsgewinn nicht zu schmälern, werden die Eignungskriterien für die Interessenten möglichst tief gehängt.
Eine „kurze Begründung der mit dem Erwerb verfolgten Ziele“ und
„Angaben bzw. Nachweise zur finanziellen Leistungsfähigkeit“ sollen nach dem Bekanntmachungstext des BMF ausreichen für eine Zuschlagserteilung.

Noch einmal:

Hier werden keine leblosen Wohn –und Gewerbeimmobilien verscherbelt, sondern Gesellschaften mit dem Jahrzehnte langen Wissens-und Erfahrungsschatz ihrer Mitarbeiter und -
was uns am meisten empört,
mit allen Mieterinnen und Mietern, die seit vielen Jahren in ihren Wohnungen, in ihren Nachbarschaften, in guten, gewachsenen Wohnlagen leben und dort auch weiter unbehelligt und sicher bleiben wollen.

Aber nicht einmal eine Nachbesserung der Mietverträge zum Schutz der Mieter ist bisher vorgesehen.

Das ist eiskaltes Kalkül ohne jede soziale Regung oder Rücksichtnahme auf die betroffenen Menschen.
Das geht so nicht!

2. Man geht weiter den Irrweg, mit kurzfristigen Einmalerlösen strukturelle Defizite kompensieren zu wollen, ohne zu bedenken, dass daraus dauerhafte Mehrausgaben an anderer Stelle entstehen, und

3. man vertut vor allem die Chance mit dem Potenzial, das in solchen Vermögenswerten steckt, nach neuen, dauerhaft tragenden Modellen zu suchen.

Wenn schon die Bundesregierung kein „wichtiges Bundesinteresse“ mehr am Halten der Wohnungsbestände sieht, sollte sie doch zumindest bedenken, dass sehr wohl ein starkes öffentliches Interesse am Erhalt dieser Wohnungen im öffentlichen Eigentum besteht.
Schon die verheerenden Erfahrungen, die so manche Kommune mit dem Verkauf ihrer Wohnungsgesellschaften an Finanzinvestoren gemacht hat, sollten dieses Interesse eindrucksvoll illustrieren.
Unbestreitbar , und inzwischen auch für den letzten Ignoranten unübersehbar ist, dass wir in Deutschland – speziell in den Großstädten - wieder ein massives Wohnungsproblem haben.
Eine Facette dieses Problems ist das Fehlen von bezahlbarem, mietpreisgebundenem Wohnraum in vielen Städten und Regionen der Bundesrepublik.
Natürlich wissen wir, dass mit 11.500 Wohnungen nicht alle Probleme gelöst werden können, aber man kann damit in den Städten, wo sie konzentriert sind, einen Anfang machen!
Wenn man politischen Gestaltungswillen besäße und bereit wäre, Neues zu probieren,
könnte man damit Modelle entwickeln, die auch auf andere Städte und Regionen übertragbar wären und zur dauerhaften Lösung der Wohnungsprobleme beitragen könnten.
Dazu muss aber- und das ist unsere Kernforderung –
das laufende Bieterverfahren sofort ausgesetzt, der beabsichtigte Verkauf zumindest der Wohnungen sofort unterbunden werden!
Dann: Kleinere Pakete schnüren und mehr Zeit und Gründlichkeit vorsehen, damit sich kommunale und regionale Wohnungsgesellschaften oder Genossenschaften und die Mieterinnen und Mieter beteiligen können.
Wir stellen uns folgende Schritte vor:

1. Zunächst sollte geprüft werden, ob in den betreffenden Kommunen wirtschaftlich ausreichend starke Wohnungsgesellschaften existieren, die die TLG- Wohnungen in ihren Bestand übernehmen können.
Der Kaufpreis sollte dabei –auch wenn es entgegenstehende gesetzliche Regelungen gibt- eher symbolisch sein.
Schließlich hat die TLG ja nichts für diese Immobilien bezahlt.
Sie sind ihr –freundlich ausgedrückt – in den Schoß gefallen.

2. Wenn Kommunen/Kommunale Gesellschaften die Wohnungsbestände nicht erwerben können oder wollen, sollten Modelle entwickelt werden, bei denen die bundeseigenen Wohnungen in Genossenschaften oder Stiftungen übertragen werden. Auch ein Verkauf von Wohnungen an deren Bewohner sollte geprüft werden.

3. Wo all dies nicht oder noch nicht möglich ist, könnte die TLG Immobilienverwaltung GmbH unter klaren Sozialvorgaben die Verwaltung weiter betreiben oder eine Aufgabenübertragung zum Beispiel an die BImA erfolgen, bis ein passfähiges Gesellschaftsmodell für die jeweiligen kommunalen Verhältnisse gefunden ist.

Grundsätzlich geht es darum,
solidere Grundlagen für kommunale Wohnungspolitik zu schaffen oder sie zu erweitern und einen Grundstock an Wohnungseigentum in öffentlicher Hand zu sichern.
Damit kann ermöglicht werden, sozialen Bedürfnissen zu entsprechen und dabei den gesellschaftlich notwendigen Umbau der Wohnungsbestände zu Barrierefreiheit und Klimaschutz voranzubringen.
Der geplante Verkauf – speziell der TLG WOHNEN GmbH- leistet dazu nichts und er ist überhaupt kein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung oder zum Schuldenabbau.
Er verbaut aber Chancen auf neue Denk- und Lösungsansätze, die in der Wohnungswirtschaft dringend gebraucht und von dort auch eingefordert werden.

Also, Herr Finanzminister, geben Sie diesen untauglichen Plan auf, und leisten Sie einmal einen bescheidenen Beitrag, um den dringend notwendigen sozial ökologischen Umbau der Gesellschaft
einen kleinen Schritt voranzubringen!

Vielen Dank