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Anke Domscheit-Berg: Wir fordern ein Recht auf Verschlüsselung

Rede von Anke Domscheit-Berg,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Jimmy Schulz, eine Debatte um das Recht auf Verschlüsselung sollte eigentlich so lächerlich sein wie die Forderung – wir haben es schon gehört –, nicht nur Postkarten, sondern auch verschlossene Briefe versenden zu dürfen. Anders als in der Papierwelt ist das Briefgeheimnis in der digitalen Welt aber kein selbstverständliches Grundrecht mehr; denn dazu braucht es ein Recht auf Verschlüsselung. Erst verschlüsselt verwandelt sich eine E-Mail in einen Brief mit Sicherheitsbriefumschlag. Den hätte ich mir in der DDR auch gewünscht; meine Briefe kamen damals aufgeschlitzt an.

(Marian Wendt [CDU/CSU]: Fragen Sie doch mal die Kollegen, warum sie die aufgeschlitzt haben!)

Für Die Linke steht der Schutz der Privatsphäre im Vordergrund – und das Briefgeheimnis als Abwehrrecht gegen den Staat. Wir wissen alle seit Edward Snowden, dass Überwachungsbegehrlichkeiten staatlicher Geheimdienste keine Fantasien geblieben sind und Konsequenzen für nachgewiesene staatliche Rechtsbrüche bis heute ausblieben. Als wäre das nicht schlimm genug, werden zunehmend IT-Sicherheitskräfte vom Staat dafür eingesetzt, unser aller Sicherheit zu gefährden.

Der jüngste BSI Lagebericht spricht von 800 Millionen bekannten Schadprogrammen, und jeden Tag kommen 390 000 dazu. Um ihre Verbreitung frühzeitig zu stoppen, müssen entdeckte Sicherheitslücken sofort gemeldet und geschlossen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber die Bundesregierung schafft Behörden wie ZITiS, wo ohne ausreichende Rechtsgrundlage Sicherheitslücken entdeckt und geheim gehalten werden sollen, um sie irgendwann für Überwachungszwecke einzusetzen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!)

Man stelle sich vor: Ein Polizist entdeckt in einer Siedlung unzähliger gleichartiger Häuser, dass sich alle Haustüren mit einem kleinen Trick öffnen lassen, aber er warnt niemanden, damit er einfach in jedes Haus eindringen kann, falls irgendwann einmal zufällig in einem dieser Häuser eine Straftat begangen werden sollte. – Genauso soll es mit unser aller Handys und Computer laufen.

Die gesamtgesellschaftlichen und weltweiten Risiken eines derartigen staatlichen Handelns sind so gravierend, dass die Behauptung, man täte das im Interesse unserer Sicherheit, eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke fordert daher, dass alle in Behörden bekannten Sicherheitslücken gemeldet werden müssen, um sie zu schließen; das will ja auch die FDP.

Wir wünschen uns auch mehr staatliche Förderung anwenderfreundlicher Verschlüsselungssoftware, vor allem für Open-Source-Lösungen; denn sie sind transparent und überprüfbar, was Vertrauen und Akzeptanz erhöht.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jimmy Schulz [FDP])

Viele Softwareentwickler arbeiteten nach Snowden mit unbezahltem Engagement an solchen Open-Source-Lösungen. Ich möchte ihnen allen herzlich dafür danken.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Jimmy Schulz [FDP])

Ihre Programme sollten aber auch Behörden häufiger einsetzen. Es ist doch ein Witz, dass es fast unmöglich ist, als Bürger oder Bürgerin auf elektronischem Weg verschlüsselt mit einer Behörde zu kommunizieren, wenn es um etwas anderes geht als um eine Steuererklärung.

Das Recht auf Verschlüsselung für elektronische Kommunikation muss kommen. Staatliches Handeln darf niemals zur Schwächung der IT-Sicherheit beitragen. Daher begrüße ich den Antrag der FDP.

Und leider muss ich noch immer sagen, dass ich im Übrigen der Auffassung bin, dass Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nichts im Strafrecht verloren haben. § 219a Strafgesetzbuch muss weg!

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])