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Anke Domscheit-Berg: Digitalisierung: zu spät, zu wenig und nicht sozial gerecht

Rede von Anke Domscheit-Berg,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Laufe von 20 Jahren Beschäftigung mit der Digitalisierung habe ich mir schon das eine oder andere Mal Gedanken darüber gemacht, wie sehr Deutschland durch unseren Rückstand in der Digitalisierung im Nachteil ist. Aber besonders Sorge hatte ich vor einem Stresstest, wie wir ihn gerade erleben, und das offensichtlich berechtigterweise.

Der Rückstand der Digitalisierung im Gesundheitswesen tut wirklich weh: 10 000 Soldaten hängen im Moment in den Gesundheitsämtern an den Telefonen. 50 Prozent der Brandenburger Landkreise konnten von Samstag bis Dienstag keine Daten an das RKI melden, weil wahrscheinlich die Faxe verstopft waren. – Das alles ist kein Ersatz für funktionierende elektronische Meldewege, die im Übrigen bei der Umsetzung des Projektes „IT-Konsolidierung Bund“ – das wahrscheinlich unbekannteste 2,5-Milliarden-Euro-Projekt des Bundes – verschleppt wurden. Das Controlling liegt seit einem Jahr im Bundeskanzleramt. Für die Pandemie kommt diese Chefsache allerdings zu spät.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch bei der digitalen Bildung ist der Bund nach wie vor zu langsam, zu bürokratisch und auch zu kurzsichtig. Ein Beispiel dafür ist der spezielle Bildungstarif der Telekommunikationsanbieter, der auch armen Kindern einen mobilen Zugang zum Internet ermöglichen soll. Aber was nutzt uns das, wenn wir im Funkloch sitzen und wenn wir innerhalb der OECD beim 4-G-Ausbau im ländlichen Raum immer noch auf dem vorletzten Platz stehen? Und dann ist das Programm noch nicht einmal verknüpft mit Bedürftigkeit, sondern damit, ob die Kinder einen durch ein Coronaprogramm finanzierten Laptop erhalten haben. Was ist denn, wenn sie von woandersher ein Gerät bekommen haben – dann bleiben sie offline, oder was?

Die Verteilung dieser Coronalaptop-Budgets nach dem Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer bedeutet am Ende, dass für ein armes Kind in Baden-Württemberg dreimal so viel Budget für ein Gerät zur Verfügung steht wie für ein armes Kind aus Bremen. Das ist doch vollständiger Schwachsinn!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Da können wir als Linksfraktion nur feststellen: Diese Bundesregierung kann soziale Gerechtigkeit einfach nicht!

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Bundeskanzlerin – auch wenn Sie offensichtlich gerade das Weite gesucht haben –, Ihre Appelle an die Bevölkerung schätze ich sehr. Aber wie soll man Homeoffice machen ohne Breitband? Auf dem IT-Gipfel haben Sie, Frau Merkel, dazu aufgerufen, die Bevölkerung auf dem Weg in die Gigabitgesellschaft nicht zu vergessen – im Jahre 2012! Das ist jetzt acht Jahre her; aber immer noch haben nur 22 Prozent der Brandenburger/-innen wirklich schnelles Internet.

Das, was erfolgreich funktioniert, nämlich der kommunale Ausbau, wird durch Ihren Verkehrs- und Digitale-Infrastruktur-Minister aktiv behindert. Kommunen werden nach den Förderkriterien des Bundes dazu gezwungen, mit Fördergeldern ausgebaute Glasfasernetze nach zehn Jahren zu verkaufen. Das ist aktive Verhinderung eines gemeinwohlorientierten Glasfaserausbaus! Sie, Frau Merkel, tragen die Verantwortung dafür, dass dieser Versagerminister Andi Scheuer immer noch im Amt ist.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Jawohl! Das stimmt allerdings! Das ist wirklich der größte Versager!)

Ziehen Sie endlich die Notbremse! Besetzen Sie diesen kritischen Job mit irgendjemandem, der davon Ahnung hat!

Und im Übrigen bin ich der Auffassung, dass Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nichts im Strafrecht verloren haben. § 219a gehört abgeschafft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)