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Andrej Hunko: Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention umsetzen

Rede von Andrej Hunko,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Europäische Menschenrechtskonvention ist aus meiner Sicht das wichtigste Menschenrechtsinstrument, das wir auf europäischer Ebene haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Es schafft ein Individualklagerecht am Gerichtshof in Straßburg für 830 Millionen Menschen – nicht nur für die Bürger der 47 Mitgliedstaaten des Europarates, sondern zum Beispiel auch für jeden Flüchtling auf dem Mittelmeer. Dieses wichtige Menschenrechtsinstrument und der Straßburger Gerichtshof sind gegenwärtig von Erosionsprozessen bedroht. Lassen Sie mich das kurz ausführen.

Aber lassen Sie mich zuerst an einigen aktuellen Beispielen ausführen, warum das so wichtig ist: Vorgestern ist die „Sea-Watch 3“ an den Gerichtshof herangetreten. Der Gerichtshof hat geurteilt, dass die Flüchtlinge von Italien versorgt werden mussten. Das ist ein gutes Urteil, und wir begrüßen das außerordentlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Gestern hat der Gerichtshof geurteilt, dass der 94-jährige Friedensaktivist John Catt aus Großbritannien nicht von der Polizei überwacht werden darf und seine Daten nicht gespeichert werden dürfen. Auch das war ein gutes Urteil.

Ich war vor einigen Wochen in Barcelona und habe dort die katalanischen Gefangenen besucht. Sie rechnen mit 25 Jahren Gefängnis in Madrid – der Prozess beginnt jetzt – wegen der Organisierung des Referendums am 1. Oktober 2017. Die rechtspopulistische Vox, also die Freunde der AfD, fordert sogar 74 Jahre Gefängnis. Sie haben mir gesagt: Der Gerichtshof in Straßburg ist unsere letzte Hoffnung.

All das zeigt, wie wichtig dieses Instrument ist. Es ist jedoch sozusagen einer Erosion ausgesetzt, zum einen wegen des möglichen Ausscheidens Russlands aus dem Europarat – auf die Gründe will ich nicht eingehen –, zum anderen durch die vielfältigen Angriffe verschiedener Rechtspopulisten in Europa, aber auch – das ist jetzt der zentrale Punkt – dadurch, dass die Europäische Union sich bis heute weigert, dieser Menschenrechtskonvention beizutreten, zu der sie sich 2009 im Lissabon-Vertrag selbst verpflichtet hat.

(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Die gilt ohnehin!)

Ich halte das für skandalös. Ich denke, im Jahr 2019, zum zehnten Jubiläum, sollte das endlich umgesetzt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Bitte schön.

Danke sehr, Herr Hunko, dass Sie die Bemerkung zulassen. Es ist nur eine Klarstellung, die uns aber wichtig ist. – Sie haben uns mit den spanischen Rechtspopulisten in der konkreten Situation der Sezessionsbestrebungen Kataloniens in Verbindung gebracht. Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass es keine einzige Stellungnahme der AfD gibt, die in irgendeiner Weise gegen diese Freiheitsbestrebungen Kataloniens gerichtet ist, und wir uns an der Stelle in keiner Weise mit der Vox in Spanien oder in Kastilien irgendwie gemeingemacht haben. Wenn Sie eine andere Information dazu haben, eine offizielle Rede der AfD zu diesem Thema, dann bitte ich, das an dieser Stelle zu erwähnen.

Danke schön.

(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Das sind Brüder im Geiste, dafür braucht man keine Stellungnahme!)

Herr Kollege Boehringer, mir ist durchaus bekannt, dass die verschiedenen rechtspopulistischen Formationen in Europa zu einzelnen Fragen durchaus unterschiedliche Ansichten haben. Sie eint, dass sie in der Regel diesen Gerichtshof angreifen. Ich glaube, das Phänomen von Vox ist durchaus vergleichbar mit dem Phänomen der AfD: Sie haben ihren Wahlkampf vor allen Dingen mit der Kampagne gegen Migranten gewonnen, genauso wie das die AfD in Deutschland macht.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Lars Herrmann [AfD]: Also nichts! Es gibt nichts! Sechs, setzen!)

Ich glaube, dass im Jahr 2019, zum zehnten Jubiläum des Inkrafttretens des Lissabon-Vertrages, die Frage des Beitritts der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention eine zentrale Frage sein sollte. Ich finde, wir sollten auch die Europawahl nutzen, um das Thema auf die Agenda zu setzen.

Wenn die Europäische Union diese eigene Verpflichtung nicht umsetzt und damit nicht akzeptiert, dass es einen Gerichtshof in Straßburg gibt, der in Bezug auf Menschenrechte auch über mögliche Verletzungen von Menschenrechten bei EU-Organen urteilen kann, zum Beispiel bei Frontex oder Europol, macht sie sich unglaubwürdig. Und dann sind auch die anderen Mechanismen, die hier angesprochen sind, letztlich hinfällig. Ich glaube, das ist der zentrale Punkt im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union.

Leider findet man dazu im Antrag der Grünen überhaupt nichts. Diese Forderung ist im Antrag der FDP unter Punkt 4 aufgeführt. Ich begrüße das. Wir werden über die Anträge diskutieren, aber ich denke, der Beitritt zur Europäischen Menschenrechtskonvention sollte umgesetzt werden.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)