Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der eigentliche Grund für diese ganze Debatte heute ist, dass unsere Gerichte nahezu flächendeckend seit Jahren viel zu schlecht ausgestattet sind.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Richterinnen und Richter sind überlastet; die Verfahren dauern zu lange.
Und nun wollen Sie die Gültigkeitsdauer eines Gesetzes verlängern, das den Bundesgerichtshof entlasten soll, indem dort im Wesentlichen nur Fälle mit einem Streitwert von mindestens 20 000 Euro zugelassen werden.
(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Eben nicht!)
Das bedeutet, dass Menschen ein Rechtsweg abgeschnitten wird, auch den Menschen, die nicht viel Geld haben und für die wenige Tausend Euro schon ein Vermögen sind.
(Beifall bei der LINKEN – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Es geht um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache!)
Dieses Gesetz wurde vor einigen Jahren befristet eingeführt. Seither wird es immer wieder verlängert, mit der Begründung, man müsse noch evaluieren und herausfinden, ob es wirklich etwas bringt. Und jetzt ist es wieder so weit. Die Befristung läuft Ende dieses Monats aus. Das Gesetz soll für weitere anderthalb Jahre verlängert werden. Die Linke lehnt diese Verlängerung ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie evaluieren jetzt schon seit 2011. Sie haben nach wie vor kein Konzept dafür. Ihr neues Argument der Kommission, die Sie einsetzen wollen, wirkt wie ein Notnagel. Außerdem: Durch dieses Gesetz entstehen einige Verfahren auch erst, nämlich die über die Höhe des Streitwerts. Aber am wichtigsten: Die Linke ist nicht der Meinung, dass alles unter 20 000 Euro Streitwert nicht den vollen Instanzenzug verdient.
(Beifall bei der LINKEN)
Gerade gestern war ich bei einer Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung zu Gast. Die Schuldnerberater berichten von Fällen, in denen Menschen wegen viel geringerer Beträge als dieser Wertgrenze in die Schuldenfalle, in Existenznot, in völlige Verzweiflung geraten. Genau diese Menschen haben auch ein Recht auf alle Instanzen.
(Beifall bei der LINKEN)
Einen wesentlichen Faktor, der zur Überlastung unseres Bundesgerichtshofs führt, könnte man anders abstellen, indem man § 522 ZPO abändert bzw. die Reform von 2011 zurücknimmt. Damals wurde eingeführt, dass die Berufungsgerichte ohne eine mündliche Verhandlung oder ausführliche Begründung die Revision zum Bundesgerichtshof als „offensichtlich unbegründet“ nicht zulassen können. Das führte dazu, dass es Unmengen von Nichtzulassungsbeschwerden gibt, mit denen der BGH sich befassen muss. Es ist doch klar, dass die Menschen damit nicht zufrieden sind, wenn sie so abgespeist werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Zahlen sprechen Bände: etwa 1 000 neue Nichtzulassungsbeschwerden pro Jahr beim BGH, nur etwa 3 Prozent davon erfolgreich. Meine Erfahrung als Rechtsanwältin sagt mir: Würden die Gerichte in einer mündlichen Verhandlung erklären, weshalb sie die Anrufung des Bundesgerichtshofs nicht zulassen, würde das die Akzeptanz der Gerichtsentscheidungen erhöhen und viele unnötige Verfahren verhindern.
(Beifall bei der LINKEN)
Kolleginnen und Kollegen von der Regierung, die falsche Antwort auf die Überlastung der Gerichte ist es, Menschen den Rechtsweg abzuschneiden. Wenn Sie die Situation verbessern wollen, müssen Sie unsere Justiz besser ausstatten und das Recht auf mündliche Verhandlung stärken. Das schafft Vertrauen in unseren Rechtsstaat, und dieses Vertrauen ist wichtiger denn je.
Danke schön.
(Beifall bei der LINKEN)