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Amira Mohamed Ali: DIE LINKE lehnt viertes Bevölkerungsschutzgesetz ab

Rede von Amira Mohamed Ali,

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ja, es geht um Leben und Tod. Das Infektionsgeschehen muss dringend eingedämmt werden. Aber was macht die Bundesregierung? Sie taumelt von einem Murks in den nächsten. Und auch jetzt legen Sie uns wieder ein Stückwerk vor, das die großen Probleme nicht lösen wird. Das ist unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, im Vergleich zur letzten Woche haben Sie im Bevölkerungsschutzgesetz einiges umgestrickt: Die Maßnahmen sind jetzt befristet, der Persilschein für die Bundesregierung, weitere Maßnahmen zu erlassen, ist entfallen. Gut. Aber die Wahrheit ist, dass Sie sich hier erst auch auf unseren massiven Druck hin bewegt haben. Wir erleben übrigens nicht zum ersten Mal in dieser Pandemie, dass Sie versuchen, Grundrechtseinschränkungen praktisch im Vorbeigehen und ohne Befristung einzuführen und die Befugnisse der Regierung massiv auszuweiten. Das ist und bleibt untragbar. Und ich kann ihnen versichern: Die Linke wird das niemals akzeptieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir lehnen Ihr Gesetz weiterhin ab, und ich sage ihnen auch, warum. Sie wollen Ausgangssperren pauschal ab einer Inzidenz von 100 verhängen, obwohl die Wirksamkeit dieser Maßnahme hoch umstritten, aber der Eingriff in die Grundrechte massiv ist. Was jedoch wissenschaftlich sehr gut belegt ist, ist der hohe Anteil an Ansteckungen am Arbeitsplatz. Trotzdem nehmen Sie nach wie vor die Arbeitgeber nicht richtig in die Pflicht. Unglaublich!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ja, Homeoffice soll kommen; aber Sie kontrollieren es nicht richtig. Ja, Tests sollen kommen, aber nicht verpflichtend, nur ein Angebot für ein bis zwei Tests pro Woche. Das ist doch zahnlos.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Zeit, in der man immer nur „Bitte, bitte!“ zu den Unternehmern sagt, muss doch endlich vorbei sein. Wir brauchen endlich Schutz für alle Menschen an ihren Arbeitsplätzen und auch auf dem Weg zur Arbeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu den Schulen: Schon lange schlagen Schülervertreter, Eltern und Lehrer Alarm. Und was tun Sie? Obwohl Sie ab einer Inzidenz von 100 Ausgangssperren verhängen wollen, sollen die Kinder bis zu einer Inzidenz von 165 in die Schule gehen. Also, ich kann alle Eltern verstehen, die nur noch den Kopf schütteln.

(Beifall bei der LINKEN)

Woher haben Sie eigentlich diese Zahlen? Würfeln Sie die aus?

Es ist auch Irrsinn, dass die Kinder bis zu der 100er-Inzidenz in voller Klassenstärke unterrichtet werden sollen. Die Klassenstärken müssen reduziert werden. Das ist der Schlüssel.

(Beifall bei der LINKEN – Martin Reichardt [AfD]: Kinder sind keine Pandemietreiber! Das ist doch Unsinn, was Sie da erzählen!])

Genauso kann man nur den Kopf schütteln über Ihre Pläne, dass Kinder bis 14 Jahren im Freien Sport treiben dürfen, ab 15 aber nicht mehr. Das ist doch absurd!

(Beifall bei der LINKEN)

Brauchen Kinder ab 15 weniger Bewegung und Ausgleich? Wieder denken Sie nicht an die jungen Menschen, die eben keine großen Gärten und Spielzimmer haben. Aber das ist leider nichts Neues.

Diese Bundesregierung ignoriert konsequent die Tatsache, dass die Gefahren von Covid-19 nicht für alle Menschen gleich sind. Das Ansteckungsrisiko und das Risiko eines schweren Verlaufs sind für Menschen mit niedrigem Einkommen nachgewiesenermaßen deutlich höher: wegen beengter Wohnverhältnisse, weil sie nicht im Homeoffice arbeiten können, weil sie in vollen Bussen und Bahnen zur Arbeit fahren müssen

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was schlagen Sie denn vor?)

und weil Menschen mit niedrigem Einkommen oft eine schlechtere Gesundheitsversorgung haben und sich gesunde Ernährung nicht leisten können. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Verkäuferinnen, die Lieferanten, die Erzieherinnen – es ist doch wirklich eine Schande, dass Sie die Menschen, die Sie hier wieder und wieder beklatscht und gelobt haben, weil sie die wahren Stützen unserer Gesellschaft in dieser Pandemie sind, immer noch nicht genügend schützen, sondern weiterhin im Stich lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Position als Linke ist klar: Wir brauchen Infektionsschutz, und er muss solidarisch sein. Niemand darf auf der Strecke bleiben. Und das heißt: wirksamer Schutz an allen Arbeitsplätzen und auf dem Weg zur Arbeit, viel mehr Tests und Luftfilter für die Schulen, bessere Unterstützung von Lehrern und Eltern, auch im Homeschooling.

Und natürlich müssen endlich die sozialen Härten dieser Pandemie vernünftig abgefedert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht nicht, dass Angst und Verzweiflung bei immer mehr Menschen um sich greifen. Deshalb drängen wir seit über einem Jahr darauf, endlich ausreichende und unbürokratische Hilfen für kleine Unternehmen zur Verfügung zu stellen – inklusive eines Unternehmerlohns für Soloselbständige, für Künstlerinnen und Künstler.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen außerdem unbedingt eine Verlängerung der Auszahlung von Arbeitslosengeld I, einen monatlichen Zuschlag für Menschen in Grundsicherung und eine angemessene Gehaltserhöhung für alle Pflegerinnen und Pfleger und alle anderen im Gesundheitswesen, im Einzelhandel und in der Logistik, die durch die Pandemie doppelt und dreifach belastet werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Und – ich werde nicht aufhören, das hier zu sagen –: Wohnungskündigungen und Stromsperren aufgrund finanzieller Nöte gehören verboten, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber ich befürchte, Kolleginnen und Kollegen von der Bundesregierung: All das stößt bei Ihnen wieder auf taube Ohren, und Sie werden unsere Anträge, die wir hier heute einbringen, wieder nicht annehmen. Dabei wäre das so dringend nötig;

(Beifall bei der LINKEN – Jan Korte [DIE LINKE]: Das stimmt!)

denn es ist vollkommen klar, dass es so nicht weitergehen kann – weder in dieser Pandemie noch danach. Wir brauchen ein Gesundheitswesen, in dem nicht der Profit,

(Zuruf von der LINKEN: Richtig!)

sondern das Wohl der Patienten im Mittelpunkt steht.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen Schulen mit ausreichend Personal und Mitteln, um allen Kindern eine bessere Bildung zu garantieren. Wir brauchen einen Sozialstaat, der die Menschen zusammenführt und das Land fit für die Zukunft macht. Aber Sie können sich darauf verlassen, dass wir als Linke dafür weiter entschlossen kämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)