Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Linke hat diese Aktuelle Stunde zur Ministerpräsidentenwahl in Thüringen beantragt. Warum? Weil die Wahl von Herrn Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit Stimmen von FDP, CDU und AfD Bedeutung hat – weit über die Grenzen Thüringens hinaus.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])
Es geht um die Frage, in welchem Zustand unsere Demokratie ist.
(Beatrix von Storch [AfD]: Das stimmt! – Heiterkeit bei der AfD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Hört! Hört!)
Dieser Zustand ist alarmierend. Die unumstößliche Lehre aus der deutschen Geschichte,
(Zuruf von der AfD)
der Nachkriegskonsens aller demokratischen Parteien war: Kein Fußbreit den Faschisten!
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Keine Zusammenarbeit mit Nazis, weder direkt noch indirekt.
Aber genau das ist geschehen: am 5. Februar. Keine zwei Wochen nach dem 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz lässt sich der Kandidat der FDP, die es mit Ach und Krach überhaupt in den Landtag geschafft hat, mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen.
(Dr. Roland Hartwig [AfD]: Das ist Demokratie! – Weiterer Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow, der großen Rückhalt in der Bevölkerung hat, verliert sein Amt, und die AfD jubelt. Der Faschist Björn Höcke gratuliert zur Wahl.
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Wir müssen die Bolschewiken rufen!)
Nein, das war kein Versehen.
(Frank Pasemann [AfD]: Das ist ja peinlich!)
FDP und CDU wussten, was passieren kann.
(Frank Pasemann [AfD]: Was ist Ihr Demokratieverständnis?)
Wir alle wissen von den Vorwarnungen, von den Absprachen. Und niemand, wirklich niemand hat Herrn Kemmerich gezwungen, die Wahl anzunehmen,
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
und niemand hat Herrn Lindner dazu gezwungen, für das Amt viel Glück zu wünschen, anstatt diesen Vorgang klar zu verurteilen.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)
Hier wurde eindeutig ausgetestet, wie weit man gehen kann. Nur auf Druck der Öffentlichkeit und auf Druck couragierter Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, nur auf diesen Druck hin kündigte Herr Kemmerich am nächsten Tag seinen Rücktritt an.
(Thomas Ehrhorn [AfD]: Es lebe die sozialistische Einheitsfront!)
Ich danke den vielen Antifaschistinnen und Antifaschisten, die aufgestanden sind und lautstark deutlich gemacht haben: Das lassen wir nicht zu! Das ist ein Tabubruch! Hochgefährlich für unsere Demokratie!
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Marian Wendt [CDU/CSU])
Das zeigt, wie wichtig es ist, dass Antifaschistinnen und Antifaschisten aufstehen, dass der Protest laut bleibt. Genau dieser laute Protest ist der Unterschied zu 1930 und die große Chance, die wir heute haben, zu verhindern, dass die deutsche Geschichte sich wiederholt.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Aber der Scherbenhaufen ist da. Unsere Demokratie hat großen Schaden genommen. Ich kann die vielen Mitglieder von Union und FDP verstehen, die jetzt ihren Parteiaustritt erklären. Auch wenn ich als Linke andere politische Überzeugungen habe, freut mich das nicht; denn es ist nicht gut, wenn wir Menschen für die Demokratie verlieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Viele Menschen haben ihr Vertrauen in unsere Demokratie durch diese Wahl verloren,
(Zuruf von der AfD: Was wissen Sie denn von Demokratie?)
die zwar formal demokratisch, aber gegen alle demokratischen Grundwerte war.
(Zurufe von der AfD: Oh! – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Unerhört!)
Es ging um Macht um jeden Preis – mit dem Ziel, auf Biegen und Brechen Bodo Ramelow zu verhindern; einen Ministerpräsidenten mit höchsten Beliebtheitswerten,
(Jürgen Pohl [AfD]: Ich lach mich tot!)
weil er in Thüringen eine sozial gerechte Gesellschaft gestaltet,
(Beifall bei der LINKEN – Marian Wendt [CDU/CSU]: Scheiß auf Wählerstimmen?)
akzeptiert bis in konservative Kreise.
Die CDU hält bis heute in völliger Verantwortungslosigkeit ihren Unvereinbarkeitsbeschluss aufrecht.
(Marian Wendt [CDU/CSU]: Der ist genau richtig!)
Sie verweigert jede Zusammenarbeit mit der Linken.
(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch richtig! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
– Ja, ja. – Die Lehre aus der Weimarer Republik lautet aber, dass alle demokratischen Kräfte zusammenstehen müssen: gegen rechts, gegen Faschismus.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das ist die Verantwortung aller Demokraten für unsere Demokratie. Aber die CDU wiederholt wie ein Mantra die nachweislich falschen Behauptungen, dass Die Linke ihre Vergangenheit nicht aufgearbeitet habe, dass wir keine Demokraten seien. Absurd!
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)
Der Grund, warum uns die CDU ausgrenzt, ist ein völlig anderer:
(Marian Wendt [CDU/CSU]: Wo ist das Vermögen der SED? – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
weil wir, Die Linke, dieses Wirtschaftssystem infrage stellen; weil wir laut fordern, dass Multimillionäre gerechte Steuern auf ihr Vermögen zahlen sollen; weil wir laut fordern, dass grundlegende Dinge der Daseinsvorsorge, wie Wohnen, Energie, Gesundheitsversorgung, nicht dem Diktat des Marktes unterworfen werden, sondern in öffentliche Hand gehören.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Nezahat Baradari [SPD] – Zurufe von der CDU/CSU und der AfD)
Wir fordern konsequent, dass von dem enormen Wirtschaftswachstum, von der enormen Wirtschaftskraft in unserem Land endlich alle Menschen profitieren. Sie grenzen Die Linke aus, damit Sie die Legende aufrechterhalten können, dass Ihre Politik, die die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergehen lässt, alternativlos sei. Das ist unverantwortlich!
(Beifall bei der LINKEN)
Denken Sie an die Menschen in Thüringen!
(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Da haben 23 Prozent AfD gewählt!)
Diesen Freitag wird das erste Mal seit 70 Jahren ein Bundesland im Bundesrat nicht vertreten sein. Wichtige Entscheidungen können in Thüringen nicht gefällt werden, weil keine Regierung vorhanden ist. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Der muss schnellstmöglich behoben werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Mein Appell an Sie, Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, lautet: Hören Sie auf mit den unsinnigen Ratschlägen in Richtung Thüringen!
(Marian Wendt [CDU/CSU]: Wir brauchen keine Ratschläge von Ihnen!)
Sie, Herr Lindner, schlagen vor, dass Stefan Kaufmann ein Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten werden soll. Der erfährt davon aus der Presse. Er will gar nicht kandidieren. Das ist doch absurd.
(Beifall bei der LINKEN – Christian Lindner [FDP]: Den habe ich auch nicht vorgeschlagen!)
Lassen Sie die Menschen vor Ort entscheiden! Es geht um den Erhalt unserer Demokratie.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es geht darum, dass die Gesellschaft nicht weiter auseinanderdriftet – in Thüringen und in der ganzen Republik.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Armin-Paulus Hampel [AfD]: Das war alles demokratisch!)