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Amira Mohamed Ali: Bundesregierung bläst Zucker in die Bilanzen der Lebensmittelindustrie

Rede von Amira Mohamed Ali,

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es geht um den Haushaltsplan der Bundesregierung für den Bereich „Ernährung und Landwirtschaft“. Wenn wir Ihren Haushaltsentwurf lesen, dann fragen wir Linken uns: Haben Sie die Bedeutung dieses Ministeriums für die Gesundheit und die Lebensqualität der Menschen eigentlich wirklich schon erfasst?

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben den Eindruck: Das ist ein Haushaltsentwurf, der vor allem die großen Lebensmittelkonzerne bedient. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich werde heute auf zwei Punkte eingehen, die uns wichtig sind: Das Erste ist die Nährwertkennzeichnung, das Zweite ist das staatliche Tierwohllabel. In beiden Punkten fahren Sie einen Schlingerkurs, der die wirklichen Probleme nicht anpackt, und das akzeptieren wir nicht.

Zur Nährwertkennzeichnung. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Diabetes Gesellschaft und Foodwatch haben vor kurzem einen offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben. Der Brief wurde unterstützt von mehreren Krankenkassen, der Bundeszahnärztekammer, der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und weiteren medizinischen Verbänden, von insgesamt mehr als 2 000 Ärzten, 1 300 Kinderärzten, rund 220 Diabetologen und 58 Medizinprofessoren. In diesem Brief schlagen diese Experten vollkommen zu Recht Alarm und beschreiben, dass inzwischen 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig und circa 23 Prozent der Erwachsenen adipös, also krankhaft übergewichtig, sind. Ich betone: 23 Prozent. Viele dieser Menschen leiden unter ernsthaften gesundheitlichen Problemen wie Diabetes Typ 2; das sind ernährungsbedingte Leiden.

In dem Brief fordern die Experten die Regierung auf, dringend Gegenmaßnahmen zu ergreifen, darunter auch die von uns schon seit Jahren geforderte Lebensmittelkennzeichnung in Form einer Nährwertampel.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Ampelfarben kennzeichnen den Gehalt von Fett, Zucker und Salz. Dafür hat Die Linke im Haushalt Mittel für ein Modellprojekt beantragt. Diese Mittel haben Sie abgelehnt. Stattdessen widersprechen Sie, Frau Ministerin Klöckner, den Experten und behaupten, das Ampelsystem würde die Verbraucher verwirren.

So argumentiert auch – wen wundert’s? – die Lebensmittelindustrie. Sie sagt, dass ja nach der Ampelkennzeichnung Olivenöl rot gekennzeichnet wäre, weil es viel Fett enthält. Das ist das blamable Niveau, auf dem die Argumente hier ausgetauscht werden. Es geht natürlich um verarbeitete Lebensmittel, die aus mehr als einem Grundprodukt bestehen. Man muss bei Öl nicht draufschreiben, dass es Fett enthält; genauso wenig wie man auf ein Pfund Zucker draufschreiben muss, dass es aus Zucker besteht. Das wissen die Menschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber weiß man auch, dass ein 250-Gramm-Becher Fruchtjoghurt unter Umständen so viel Zucker enthält, wie ein Kind an einem ganzen Tag zu sich nehmen sollte? Hierfür brauchen wir die Kennzeichnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Lebensmittelindustrie hat ein Interesse daran, möglichst viel Zucker zu verarbeiten, weil er den Geschmack von qualitativ minderwertigen Inhaltsstoffen übertüncht und weil er billig ist. Zucker erhöht unmittelbar die Gewinnspanne. Das ist die Wahrheit.

Ich kann mir eigentlich nur einen Grund vorstellen, warum man die Ampelkennzeichnung ablehnt: weil man es der Industrie weiterhin so leicht wie möglich machen möchte, ihren Profit zu maximieren, und das auf Kosten der Gesundheit der Menschen. Das akzeptieren wir nicht. Wir fordern Sie auf: Beenden Sie endlich diese Kumpanei!

(Beifall bei der LINKEN)

Mein zweiter Punkt: das staatliche Tierwohllabel. Das klingt toll. Viele Menschen wollen Fleisch essen, aber sie wollen auch, dass die Tiere vorher anständig gehalten und behandelt wurden. Die große Mehrheit der Menschen ist empört über das Leid der Tiere in vielen konventionellen Ställen, auf den qualvollen Tiertransporten und in den Megaschlachthöfen wie Tönnies in Rheda, wo 26 000 Schweine am Tag geschlachtet werden.

Aber wo Tierwohl draufsteht, muss auch Tierwohl drin sein.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Kriterien für Ihr Label werden gerade noch zwischen Politik, Wirtschaft, Tierschutzverbänden und Verbraucherschutzorganisationen verhandelt, und es zeichnet sich ab, dass die mächtigen Wirtschaftsverbände die Kriterien so krass nach unten drücken wollen, dass es kaum einen Unterschied für das Wohl der Tiere machen wird. 10 Prozent mehr Platz im Stall, ansonsten bleibt alles beim Alten.

Einen solchen Etikettenschwindel werden wir aber nicht akzeptieren. Die Linke wird sich mit ganzer Kraft dieser Entwicklung entgegenstellen, damit das Tierwohllabel nicht zu einem Tierindustriewohllabel verkommt. Dafür steht Die Linke nämlich nicht zur Verfügung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)