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Agrarpolitik

Rede von Alexander Süßmair,

Tagesordnungspunkt 27 a »Agrarpolitischer Bericht 2011 der Bundesregierung« und b »Klimabilanz im Ackerbau verbessern« sowie die Zusatzpunkte 9 »Kleingruppenhaltung für Legehennen endgültig beenden« und 10 »Verordnung zur Kleingruppenhaltung unverzüglich in Kraft setzen«

Vizepräsidentin Petra Pau:

Das Wort hat der Kollege Alexander Süßmair für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)

Alexander Süßmair (DIE LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute vor allem den Agrarpolitischen Bericht 2011 der Bundesregierung. Darin geht es um die Situation der Landwirtschaft von 2007 bis 2010 und um die Ziele der Agrarpolitik. In dem Bericht heißt es so schön – ich zitiere –:

Zur Ernährungssicherung einer wachsenden Weltbevölkerung und zur Produktion nachwachsender Rohstoffe ist eine leistungsfähige und sozialverträgliche, Ressourcen schonende, die Biodiversität erhaltende Wirtschaftsweise erforderlich.

Alle diese Ziele sind richtig. Man könnte glauben, dass Sie durchaus verstanden haben, worum es geht. Aber stimmt das mit der Agrarpolitik, die Sie betreiben, überein? Ich sage nein. Das beweise ich Ihnen anhand zweier Punkte.

Punkt eins. Ihre Politik ist nicht sozialverträglich; denn die Einkommen im ländlichen Raum sind immer noch geringer als die in den industriellen Ballungsgebieten. Das steht auch im Bericht. Dort kann man nachlesen, dass im Wirtschaftsjahr 2009/2010 das durchschnittliche jährliche Bruttoeinkommen eines Landwirts bzw. einer Landwirtin 23 211 Euro betrug.

Das sind im Monat etwa 1 934 Euro. Damit lag das Einkommen der Landwirte um 34 Prozent unter dem durchschnittlichen Bruttoeinkommen. Viele Menschen wandern deshalb aus den ländlichen Räumen ab, und viele Betriebe finden keinen Nachfolger.

Heute ist Equal Pay Day. Das heißt: gleicher Lohn für die gleiche Arbeit für Männer und Frauen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Leider ist es auch im ländlichen Raum so, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn bekommen als Männer. Damit sind Frauen, was ihre Einkommen betrifft, im ländlichen Raum am schlechtesten gestellt. Nur 8 Prozent der Betriebe in der Landwirtschaft werden von Frauen geleitet. Da wundert es nicht, dass vor allem junge, qualifizierte Frauen den ländlichen Raum verlassen.

Was steht dazu im Agrarbericht der Bundesregierung? Auf Seite 76 befindet sich eine Tabelle zu Auszubildenden in Agrarberufen. Dort steht das Wort »Molkereifachmann/-frau«. Das ist das einzige Mal, dass in diesem Agrarbericht das Wort »Frau« überhaupt vorkommt.

(Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Skandalös!)

Auf 108 Seiten kein Wort zur Situation von Frauen in der Landwirtschaft, geschweige denn zu gleichem Lohn und Chancengleichheit von Männern und Frauen!

(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Genau! Daran können Sie sehen: Wir sind gleichberechtigt! Wir haben diese Unterschiede längst überwunden!)

Das ist ein Armutszeugnis für Ministerin Aigner und ein Tiefschlag für die schwarz-gelbe Bundesregierung.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Trend zur Industriealisierung der Landwirtschaft hat sich in den letzten Jahren drastisch verstärkt. Durch die Öffnung der Märkte und die Orientierung auf den Weltmarkt sind die landwirtschaftlichen Betriebe einem immer stärkeren Kostendruck ausgesetzt. Dafür müssen dann Hunderttausende von Saisonarbeitskräften aus Osteuropa teils zu Hungerlöhnen schuften, und die Beschäftigten in den Betrieben werden mit niedrigen Löhnen ausgebeutet. Bäuerinnen und Bauern sind immer stärker – das ist schon erwähnt worden – auf die Fördergelder der EU angewiesen, weil sie für ihre Produkte keine fairen Preise bekommen. Immer mehr kleine und mittlere Höfe müssen aufgeben, weil sie diesem Kostendruck nicht mehr standhalten und das Geld für notwendige Investitionen nicht mehr erwirtschaften können. Das ist der völlig falsche Weg.

(Beifall bei der LINKEN)

In Ihrem Agrarpolitischen Bericht heißt es dazu, das Ziel der Bundesregierung sei, die Exportpotenziale der deutschen Landwirtschaft weiter auszuschöpfen. Das bedeutet nichts anderes, als dass diese Entwicklung weiter vorangetrieben werden soll, auf Kosten von Mensch, Tier und Umwelt. Eine solche sozial und ökologisch unverantwortliche Politik lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Punkt zwei. Ihre Politik ist nicht ressourcenschonend oder nachhaltig. Die Bundesregierung fördert mit der Intensivierung der Landwirtschaft die damit verbundenen Strukturen, hin zu Monokulturen, zu höherem Verbrauch von Energie, zum Einsatz von mehr Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln. Gleichzeitig erleben wir, dass die zunehmende Verknappung von fossilen Energieträgern und Mineraldünger wie Phosphor voranschreitet. Alle Experten sind sich einig, dass die Preise für diese Rohstoffe in den nächsten Jahren stetig steigen werden. Hinzu kommt, dass die Artenvielfalt durch die Intensivierung deutlich abgenommen hat.

Etwa 50 Prozent unserer Exporte sind Fleischexporte. Um die dafür notwendige Menge Fleisch zu erzeugen, müssen billige Futtermittel importiert werden. Sie sorgen dafür, dass woanders in der Welt Regenwälder abgeholzt werden. Sie sorgen dafür, dass Menschen von ihrem Land vertrieben werden und unter sozial unzumutbaren Bedingungen auf pestizidverseuchten Feldern arbeiten müssen, und das nur, weil Ihnen kurzfristige wirtschaftliche Erfolge und Profite wichtiger sind als ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Du brauchst auch nicht mitzumachen!)

Eine andere Agrarpolitik ist möglich, und es gibt Alternativen. Die Linke will einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn,

(Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Oh ja! Na endlich! Darauf habe ich gewartet!)

der auch in der Landwirtschaft gilt.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen faire Erzeugerpreise in der Landwirtschaft; wir müssen die Marktmacht der Bäuerinnen und Bauern stärken und Erzeugergemeinschaften fördern. Wir wollen die Abkehr vom Dogma des Exports und hin zu regionalen Wirtschaftskreisläufen, damit die Wertschöpfung im ländlichen Raum bleibt, die Umwelt geschont wird und die Menschen wieder eine lebenswerte Perspektive haben. Wir wollen eine gezielte und stärkere Förderung von Betrieben, die gute Arbeitsplätze erhalten, höhere Anforderungen an den Umweltschutz erfüllen, den Tierschutz verbessern und tiergerechte Haltungssysteme betreiben. Wir wollen den Ausbau des Ökolandbaus und auch die Forschung dafür stärken. Wir brauchen endlich eine geschlechterspezifische Förderung im ländlichen Raum.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Willi Brase [SPD])

Wir brauchen auch eine Handelspolitik, die die Märkte der Entwicklungsländer schützt und den Erzeugerinnen und Erzeugern dort den Verkauf ihrer Produkte zu fairen Preisen ermöglicht, statt ihre Ressourcen auszubeuten. Das verstehen wir unter guten Perspektiven für die Landwirtschaft.

Lassen Sie mich noch kurz etwas zu den beiden vorliegenden Anträgen von SPD und Grünen zum Verbot der Kleingruppenhaltung sagen. Das Verbot ist richtig. Wir sind der Meinung, dass Eier aus Legebatterien und aus Käfighaltung so schnell wie möglich verboten werden müssen; auch die Verbraucherinnen und Verbraucher haben im Supermarkt schon längst entschieden. (Zuruf von der LINKEN: So ist es!)

Sie kaufen nur noch Eier aus Bodenhaltung, Freilandhaltung oder aus Bio- und Ökolandbau. Nur die Industrie hat ein Interesse an möglichst billigen Eiern aus Legebatterien. Das lehnen wir ab, und deshalb unterstützen wir Ihre Anträge.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heinz Paula [SPD]: Gut so!)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Kollege Süßmair, es tut mir leid, dass ich auch Sie an die Redezeit erinnern muss.

Alexander Süßmair (DIE LINKE):

Ja. – Nur wenn wir Menschen sorgsam mit Natur und Tier umgehen, haben wir eine Zukunft.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)