Zum Hauptinhalt springen

Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige

Rede von Richard Pitterle,

37. Sitzung des Deustchen Bundestages am 22.4.2010

Rede (zu Protokoll gegeben) von Richard Pitterle am 22.4.2010 zum SPD-Antrag zur Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

in meiner Nachbarstadt Leonberg hat die Stadtverwaltung vorgeschlagen, alle fünf Jugendhäuser zu schließen und die Sozialarbeiter zu entlassen. In meiner Gemeinde Sindelfingen, einst eine der reichsten Städte, wurde beschlossen, eine Schule, die hervorragende Sozialarbeit betreibt, zu schließen. Eine Hortgruppe soll trotz einer langen Warteliste aufgelöst werden. Menschen, die Kinder in Musik unterrichten, sollen aus einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis in ein Honorarverhältnis gezwungen werden, wodurch sie ein Stück Lebenssicherheit verlieren. Viele Gemeinden reduzieren ihre sozialen und kulturellen Angebote. Und das alles mit dem Argument, es sei kein Geld da. Aber das Geld ist da. Es liegt bei den Banken in der Schweiz, in Liechtenstein oder auf einer exotischen Insel, weil ”ehrenwerte” Bürger dieser Gesellschaft das Geld, dass wir dringend zur Finanzierung von wichtigen Aufgaben benötigen, der Besteuerung entziehen wollen.

Die genaue Höhe der jährlichen Steuerhinterziehung lässt sich bekanntermaßen nicht genau beziffern. Wenn jedoch durch die Arbeit von Steuerfahndern, trotz des Personalmangels bei den Finanzämtern, im Jahr 2004 1,6 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen wurden, kann man sich vorstellen, welche Reserven hier stecken. Der jüngste Fall des Steuer-CD-Ankaufs aus der Schweiz hat die Höhe der Steuerhinterziehungen ebenfalls deutlich bewiesen: Bei den bundesdeutschen Finanzämtern sind nach einer Medienmeldung bis heute rund 16 000 Selbstanzeigen mit einer durchschnittlichen Rückzahlung von 60 000 Euro pro Anzeige, also insgesamt ca. eine Milliarde Euro, eingegangen. Da kann man schon eine ziemliche Wut bekommen.

Und ganz nebenbei, Steuersünder-CD, das klingt so verharmlosend, ein wenig nach dem Motto, wir sind doch alle Sünder vor dem Herrn, daher spreche ich lieber von einer Steuerkriminellen -CD. Laut Medienberichten sollten sogar bis zu 100 000 Deutsche ca. 23 Milliarden Euro an der Steuer vorbei auf Schweizer Konten deponiert haben und die Schweiz ist ja auch nur eine der sogenannten Steueroasen. Das ist doch ein Skandal.

Daher habe ich ein großes Verständnis für den Antrag der SPD, die Straffreiheit bei Selbstanzeigen abzuschaffen. Dieses Anliegen findet auch die Unterstützung meiner Fraktion.
Nun lese ich Vorschläge von einigen Finanzpolitikern der Regierungsparteien, wie die Möglichkeit für eine straflose Selbstanzeige einschränkt werden könnte. Darunter einige Vorschläge mit denen ich persönlich auch mitgehen könnte. Aber die Frage ist doch Herr Dautzenberg, warum entfalten Sie ihre Fantasie auf diesem Gebiet, nachdem die SPD den Antrag gestellt hatte, die strafbefreiende Selbstanzeige zu streichen. Da kommt doch der Verdacht auf, dass es Ihnen darum geht, den Antrag der SPD aufzuweichen und sich schützend vor die Steuerhinterzieher zu stellen. Wir brauchen jetzt von der Regierung Taten und nicht nur Ankündigungspolitik, die davon ablenkt, dass die Koalition zugelassen hat, dass sich die Vermögenden legal, oder auch illegal, der Steuerzahlung entziehen können.

Ich appelliere an die Bundesregierung:
Sorgen Sie auch durch konsequente Bekämpfung der Steuerhinterziehung dafür, dass die Kommunen wieder ihren Pflichtaufgaben nachkommen können, sorgen Sie endlich für Steuergerechtigkeit bei uns im Land.