Haushaltsdebatte zum Einzelplan Verkehr
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Der Verkehrsetat ist mit Investitionsmitteln in Höhe von über 12 Milliarden Euro der größte Batzen, mit dem der Bund die Zukunft des Landes festlegt bzw. betoniert. Deshalb ist es ganz besonders wichtig, dass man sich anschaut, welche Weichenstellungen vorgenommen werden; denn sie betreffen nicht nur unsere Generation, sondern auch die nächsten Generationen.
Wir haben uns einmal angeschaut, was eigentlich seit der Klimaschutzkonferenz in Rio vor 22 Jahren geschehen ist. Damals hat die Weltgemeinschaft festgestellt, dass der Ausstoß von CO2 ein wesentliches Problem für die Zukunft ist. Ich erwähne diesen Zeitraum, weil der Verkehrssektor ein wesentlicher Treiber des Klimawandels ist.
Wenn wir die letzten 20 Jahre betrachten, dann zeigt sich, dass alle acht Verkehrsminister dafür gesorgt haben, dass es hierzulande mehr Autobahnen und weniger Eisenbahnen gibt ‑ ob sie Wissmann, Müntefering, Klimmt, Bodewig, Stolpe, Tiefensee oder Ramsauer heißen.
Konkret bedeutet das, dass seit 1993 2 000 Kilometer zusätzliche Autobahnstrecken in diesem Land gebaut worden sind. Das ist eine gigantische Größe, wenn man bedenkt, dass das Land auch 1993 schon voll industrialisiert, voll funktionsfähig war.
(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Ein Glück, dass wir die A 20 gekriegt haben!)
Hinzu kommt, dass in derselben Zeit das Schienennetz hierzulande um 7 000 Kilometer abgebaut worden ist.
(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Ein Glück, Frau Kollegin, dass die A 14 gebaut wird!)
Das ist eindeutig eine falsche und zerstörerische Richtung. Denn wer es ernst meint mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit, mit der Stärkung der Schiene, der muss diesen Trend endlich umkehren;
(Beifall bei der LINKEN - Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Der Klimaschutz verstopft die B 105! Überall Stau ohne Ende!)
mit jedem neuen Verkehrshaushalt können Sie darüber entscheiden. Unter diesem Aspekt muss man den vorgelegten Verkehrshaushalt ablehnen. Denn auch in diesem Jahr sollen wieder rund 5 Milliarden Euro in die Straße, aber nur 4 Milliarden Euro in die Schiene investiert werden. Das ist die falsche Gewichtung.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Da klatschen die auch noch! Denen müsste man das Fahren auf der Autobahn verbieten!)
Es ist gar nicht so schwer, dieses Verhältnis umzukehren. Es gibt dafür ausgezeichnete Vorarbeiten. Ich möchte Ihnen eine dicke Broschüre empfehlen. Sie ist im Dezember letzten Jahres von dem Bundesnetzwerk „Verkehr mit Sinn“ vorgelegt worden. In diesem Rahmen haben sich 140 Bürgerinitiativen zusammengeschlossen und mit Unterstützung des BUND, des NABU und des VCD eine Alternativen- und Streichliste im Hinblick auf den Bundesverkehrswegeplan vorgelegt.
(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Na, da waren ja die Richtigen beieinander! - Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist eine wirklich fundierte Arbeit geworden. Ich wünsche mir, dass wir solche Vorlagen auch einmal aus dem zuständigen Ministerium bekommen.
(Beifall bei der LINKEN)
In dieser Liste werden - gut begründet - 61 Vorhaben zum Neu- und Ausbau von Bundesstraßen und Bundesautobahnen in der ganzen Republik zur Streichung vorgeschlagen. Zu jedem einzelnen Projekt können Sie nachlesen, warum es verzichtbar ist, ebenso im Einzelnen die Kritikpunkte und die möglichen Alternativen, vor allem aber, wie hoch die sinnvollen Einsparungen sind, die darin stecken. Das Ergebnis: Mehr als 20 Milliarden Euro können in den nächsten vier Jahren gespart werden - ohne Weiteres -, wenn diese unnötigen und überdimensionierten neuen Straßenbauprojekte nicht verwirklicht werden. Sie könnten diese 5 Milliarden Euro stattdessen komplett einsetzen, um die maroden Gleisanlagen, Schleusen und Straßenbrücken zu renovieren. Das wäre nachhaltige Verkehrspolitik, die wir unterstützen.
(Beifall bei der LINKEN)
Damit aber nicht genug: Es geht uns überall darum, dass das Steuergeld so eingesetzt wird, dass der Nutzen für die Allgemeinheit möglichst groß ist. Das gilt auch für die Bahn. Wir wollen nicht, dass Unsummen für fragwürdige Großprojekte ausgegeben werden, während viele nützliche kleine Projekte auf der Strecke bleiben. Nach wie vor stehen viele Lückenschlüsse aus. Es gibt ein Paradebeispiel für diese Art von Fehlinvestitionen, wie sie auch bei der Bahn vorkommt: Stuttgart 21.
(Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Was?)
Ursprünglich sollte Stuttgart 21 der große Wurf der Bahn des 21. Jahrhunderts werden. Angeblich ging es um eine große europäische Magistrale. Irgendwann hing sogar die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland daran. Aber der Lack ist längst ab. Es sind zwei Studien vorgelegt worden, die von der Bahn bezahlt wurden; sie sind sozusagen Auftragsarbeiten, die 20 Jahre Bahnreform resümieren und die ganze Geschäftspolitik und alles andere in schillernden Farben loben. Aber - das ist bemerkenswert -: Stuttgart 21, das auch 20. Geburtstag feiert, kommt nirgendwo vor.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN)
Mit keinem Wort wird es erwähnt, und das aus gutem Grund. Es soll offenbar einfach vergessen werden. Es hat keinen wirtschaftlichen Nutzen, und es hat schon gar keinen gesellschaftlichen Nutzen. Keiner der Projektpartner will inzwischen noch den Kopf dafür hinhalten. Aber: Es ist noch möglich, mit einem Bruchteil der Summe, die da verbuddelt werden soll, eine vernünftige Alternative zu bauen.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich fordere Sie auf, Herr Minister Dobrindt: Sperren Sie die Haushaltsmittel für Stuttgart 21, und machen Sie den Weg frei für eine bessere und weitaus billigere Lösung!
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen, dass die Bahn endlich flächendeckend ausgebaut wird und alle Bahnhöfe barrierefrei werden - dafür bräuchten Sie nur einen Bruchteil dieser Summe -, wir wollen bessere und mehr Fahrradwege, wir wollen Stadtumbauprogramme, und wir wollen, dass diejenigen unterstützt werden, die umweltfreundlich unterwegs sind.
(Sören Bartol (SPD): Aber Stadtumbauprogramme kriegen Sie doch auch! Sie müssen nur mal den Haushalt lesen! Fragen Sie mal Frau Hendricks!)
Dafür will die Linke nicht einfach mehr Geld ausgeben. Wir haben nicht nur ein gerechtigkeitsliebendes Steuerkonzept für mehr Einnahmen, sondern wir haben auch sehr gute Sparvorschläge - für den Verkehrshaushalt allemal.
Danke.
(Beifall bei der LINKEN)