Drs 16/7686
142. Sitzung des Deutschen Bundestages
Donnerstag, 14.2.2008
TOP 15.)
Rede (zu Protokoll)Sehr geehrte/r Herr/Frau Präsident/in,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Bundesregierung ist stolz, dass sie weniger Geld nach Brüssel überweisen muss. Die EU-Finanzen sind jedoch keine Trendsportart Buchhaltung, sondern die Grundlage des wichtigsten Staatenverbunds der Welt. Daher lehnen wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung ab.
Die zunehmende Armut von 80 Millionen Menschen in der EU - dies entspricht allen Einwohnern der Bundesrepublik - ist ein gesellschaftlicher Skandal. Die Armut, insbesondere von Kindern, wird zurückschlagen wie ein Bumerang. Die EU wird ohne eine Umkehr dieser Entwicklung an Legitimität und ökonomischer Bedeutung verlieren. Brüssel beansprucht über die sogenannte Methode der offenen Koordinierung Zuständigkeit in der Arbeitsmarkt- und in der Rentenpolitik. Die EU kann und muss daher auch Verantwortung in der Sozialpolitik übernehmen.
Die Kommission könnte etwa ein Sofortprogramm gegen Armut anregen. Würde die EU ihren Etat nur auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung steigern, könnte von diesem Geld jeder arme EU-Einwohner, also Menschen mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens, monatlich 50 Euro als Soforthilfe erhalten. Damit würde die Wirtschaft in der EU spürbar angekurbelt und die Menschen würden einmal erfahren, dass Europa auf Ihrer Seite steht.
Natürlich wäre es noch besser, in Ländern wie Deutschland würden angemessene Löhne bezahlt und die EU könnte sich auf wichtige Aufgaben, etwa in der Forschung, konzentrieren. Ich möchte damit nur deutlich machen, dass ein kleiner Schritt im EU-Etat, ein großer Schritt für die Menschen sein kann. Natürlich kommt es darauf an, dass Geld auch vernünftig einzusetzen. Die fehlende demokratische Kontrolle der EU ist der Grund, dass sich in Europa immer wieder die Interessen der Konzerne und der Rüstungsindustrie durchsetzen.
An eine sinnvolle wirtschaftspolitische Steuerung des europäischen Währungsraums ist mit der gegenwärtigen Finanzausstattung der EU gar nicht zu denken. Dies wird sich spätestens mit der drohenden Weltwirtschaftskrise rächen. Die Eigenmittelobergrenze von 1,24 Prozent der EU-weiten Wirtschaftsleistung sowie von 1,31 Prozent für Verpflichtungsermächtigungen wurde seit Mitte der 1990er Jahre weder angepasst noch ausgeschöpft. Die tatsächlichen Zahlungen betrugen seit 2000 weniger als 1 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Selbstverständlich gibt es auch Einsparpotentiale, etwa bei der teuren Unterhaltung zweier Parlamentssitze in Brüssel und Strassburg oder den Ausgaben für militärische Operationen der EU. Dies ändert jedoch nichts daran, dass Europa mittelfristig über mindestens drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts verfügen muss, um den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenhalt Europas zu sichern.
Der Klimawandel erfordert ein ökologisches Wirtschaftswunder in Europa. Nachhaltiges Wachstum ist eine Priorität der Kommission. Dennoch steigen die Mittel für die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit um 52 Prozent, während die Ausgaben für Kohärenz nur um 6 Prozent zunehmen. Die Mittel für die nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen fallen gar um 7 Prozent und werden zu einem erheblichen Teil in den Ausbau der Atomenergie fließen.
Wir brauchen eine Verstetigung des Ausgabenpfads damit sich die Wirtschaftsleistung antizyklisch den Staatsausgaben anpasst und nicht umgekehrt. Grundsätzlich sollte es den Mitgliedsländern überlassen sein, aus welchen Steuerarten sie den EU-Haushalt finanzieren. Der Beitrag von Gewinn- und Vermögenseinkommen zum Steueraufkommen hat in Deutschland dramatisch abgenommen. Er lag 1970 bei 27 Prozent, der Anteil der Lohnsteuern lag damals bei nur 23,7 Prozent. Der Beitrag der Gewinn- und Vermögenssteuern sank bis 2005 auf 17,7 Prozent und der Beitrag der Lohnsteuern stieg spiegelbildlich auf 32,2 Prozent. Den Löwenanteil finanzieren also mittlerweile Arbeitnehmer und Verbraucher.
Deutschland hat das Steuerdumping bei den Unternehmenssteuern in der EU selbst entfacht. Bei den effektiven Unternehmenssteuern liegen wir im unteren europäischen Mittelfeld, gemessen an der Größe unserer Volkswirtschaft liegen wir international sogar ganz weit unten. Das jüngste Beispiel ist Nicholas Sarkozy, der die französischen Proteste gegen seine Unternehmenssteuerreform mit dem Verweis auf die deutsche Steuererleichterung rechtfertigte. Der Lohnsteuerstaat behindert die wirtschaftliche Entwicklung und ist sozial ungerecht.
Die drei von der Kommission empfohlenen Säulen der EU-Eigenmittel sehen wir kritisch:
Eine mehrwertssteuergestützte Säule würde aufgrund des unterschiedlichen Gewichts der Verbrauchssteuern nur neue Diskussionen um Rabatte entfachen.
Ähnliches gilt für die Körperschaftssteuern. Hier gibt es sehr unterschiedliche Proportionen zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften, die eine gleichmäßige Belastung zwischen den Mitgliedsländern erschweren.
Energiesteuern haben hingegen einen Lenkungs- und einen Aufkommenszweck. Immer wenn der Lenkungseffekt, also die Verminderung des Energieverbrauchs, greift, müsste sie also erhöht werden.
Wir plädieren daher für eine progressive EU-Steuer, die sich am Bruttosozialprodukt orientiert:
Ein Mitgliedsland, dessen Prokopfeinkommen um 20 Prozent über dem EU-Durchschnitt liegt, zahlt also einen um 20 Prozent höheren Steuersatz; bei einem EU-Durchschnittssatz von 2 Prozent wären das dann 2,4 Prozent. Diese Variante - die in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre von der spanischen Präsidentschaft vorgeschlagen wurde - hat den Vorteil, deutlich zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der EU beizutragen. Sie würde auch den Vorteilen entsprechen die ein Land wie Deutschland durch seine Exportüberschüsse in die EU genießt.
Da die einkommensärmeren Länder von dieser Variante profitieren, wird es ihnen erleichtert auf Steuerdumping zu verzichten. Hierzu sollte die EU Mindeststeuersätze auf einer harmonisierten Bemessungsgrundlage verabreden.
Die Linke. steht für Verbesserungen im Sinne der EU-Bürger. Ein Europa der Banken, Konzerne und der Rüstungsindustrie ist mit uns nicht zu machen.
Vielen Dank!