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Streitkräfte halbieren, defensiv ausrichten, Auslandseinsätze beenden

Positionspapier,

Die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Strukturreform der Streitkräfte wird von der LINKEN abgelehnt. Im Unterschied zu den anderen Parteien hält die LINKE eine Welt für möglich, in der Konflikte friedlich und mit zivilen Mitteln ausgetragen werden. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Ursachen gewaltträchtiger Konflikte endlich energisch angegangen werden: Frieden verlangt nach einer Welt, in der es gerecht zugeht, Allen der Zugang zu Nahrung, Wasser, Arbeit, Bildung und Gesundheit ermöglicht wird und Alle über grundlegende Menschenrechte verfügen. 

Beschluss der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag vom 24. Mai 2011.

Nein zur „Einsatzarmee“ – Nein zu NATO- und EU-Militärinterventionen

Die von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Strukturreform der Streitkräfte wird von der LINKEN abgelehnt. Diese „Reform an Haupt und Gliedern“ ist zwar durch die Krise der Staatsfinanzen ausgelöst worden, und wird als Beitrag der Bundeswehr zur Haushaltskonsolidierung dargestellt. Sie hat aber mit wirklicher Abrüstung und einer Verringerung der Rüstungslasten wenig zu tun. Noch ist nicht einmal ausgemacht, in welchem Umfang – wenn überhaupt – tatsächlich Einsparungen und Reduzierungen vorgenommen werden.

Das Verteidigungsministerium will die Bundeswehr zwar schlanker, aber zugleich schlagkräftiger machen. Der Abbau des bürokratischen Wasserkopfs, die Rationalisierung des Beschaffungswesens, die Reduzierung des Personals - nicht zuletzt durch die Aussetzung der Wehrpflicht - sollen dazu genutzt werden, den weiteren Umbau der Bundeswehr zu einer noch effektiveren globalen Einsatzarmee voranzutreiben. Diese Einsatzarmee soll entsprechend der neuen NATO-Strategie auch offen für Wirtschaftskriege eingesetzt werden. Militäreinsätze zur Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen und der Sicherung von Rohstoffquellen sind grundgesetzwidrig. Ihnen muss eine klare Absage erteilt werden.

Die unter der SPD/Grünen-Regierung begonnene „Transformation“ der Streitkräfte hat sich inzwischen als fatale Weichenstellung entpuppt. Die Beteiligung der Bundeswehr am völkerrechtswidrigen Angriff der NATO auf Jugoslawien 1999, am US-geführten „Krieg gegen den Terrorismus“ sowie die diskrete Unterstützung für den Angriff und die spätere Besetzung des Irak und vor allem die Beteiligung an der Intervention in Afghanistan haben dazu beigetragen, die UNO zu schwächen und das Völkerrecht auszuhöhlen. Insbesondere der Afghanistan-Krieg hat weder zum Aufbau einer demokratischen, stabilen Ordnung noch zur Gewalteindämmung in Afghanistan geführt. Es ist höchste Zeit, dass sich die Bundesrepublik Deutschland solchen Kriegs- und Militäreinsätzen verweigert. Die erste Konsequenz daraus ist, die deutschen Truppen aus Afghanistan unverzüglich abzuziehen.

Krieg ist durch die auch für Deutschland geltende UN-Charta als Mittel der Politik verboten worden. Daran hat sich jede Bundesregierung zu halten. Die Bundeswehr wird daher weder für NATO- noch für EU- Militärinterventionen zur Verfügung stehen.

Die Alternative: Aktive Friedens- Abrüstungs- und Entwicklungspolitik

Im Unterschied zu den anderen Parteien hält die LINKE eine Welt für möglich, in der Konflikte friedlich und mit zivilen Mitteln ausgetragen werden. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Ursachen gewaltträchtiger Konflikte endlich energisch angegangen werden: Frieden verlangt nach einer Welt, in der es gerecht zugeht, Allen der Zugang zu Nahrung, Wasser, Arbeit, Bildung und Gesundheit ermöglicht wird und Alle über grundlegende Menschenrechte verfügen. In einer solchen Welt bedarf es keiner Armeen und keiner Waffen mehr. Eine Welt und eine Bundesrepublik Deutschland ohne Armee ist daher unser langfristiges Ziel. Mit konkreten Abrüstungsschritten kann und muss hier und heute begonnen werden.

Die größten Herausforderungen für den Frieden und die weltweite Sicherheit sind gegenwärtig und zukünftig nicht-militärischer Natur, wie fehlende Verteilungsgerechtigkeit, Hunger und Armut, die Folgen des Klimawandels und die wachsende internationale Konkurrenz, unter anderem um die zuneige gehenden knappen Ressourcen. Auch den immer wieder beschworenen sicherheitspolitischen Risiken und Bedrohungen, den Terror-Netzwerken, der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und den regionalen Auswirkungen sogenannter „gescheiterter Staaten“, kann mit militärischen Mitteln nicht nachhaltig begegnet werden. Diesen Problemen ist mit zivilen Instrumenten - Diplomatie, Stärkung des Völkerrechts, globale Zusammenarbeit und Initiativen zur Umsetzung einer gerechten Weltwirtschaftsordnung, allgemeine Abrüstung und Stopp von Rüstungsexporten – zu begegnen. Die Bundesrepublik Deutschland sollte sich darauf konzentrieren, Beiträge zur Bewältigung dieser globalen Probleme im Rahmen der Vereinten Nationen zu leisten.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich folgende Eckpunkte für eine zukünftige Bundeswehr:

1.Grundgesetzauftrag: Landesverteidigung

Das Grundgesetz benennt in Artikel 87 a) den Hauptzweck der Aufstellung deutscher Streitkräfte: Die Landesverteidigung. Dies ist auch im Einklang mit der UN-Charta, die in Artikel 51 jedem Staat das Recht auf Selbstverteidigung zugesteht. Deutschland hat sich zudem vertraglich verpflichtet, diesen Auftrag als Bündnisverteidigung wahrzunehmen. Artikel V der Atlantik-Charta ist dabei eindeutig defensiv im Sinne einer territorial gebundenen Verteidigung im Rahmen der Nordatlantischen Allianz (NATO) definiert. Derselbe Artikel überlässt es zudem jedem Mitgliedsstaat, in welcher Form er einem anderen Mitgliedsstaat beisteht. Die militärische Beistandspflicht der Westeuropäischen Union (WEU) ist mit ihrer Auflösung erloschen. Daher existieren keine völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands, Streitkräfte für andere Zwecke außer der territorialen Verteidigung zu unterhalten und einzusetzen.

Deutschland muss zurückkehren zu einer Kultur der Zurückhaltung, die das Grundgesetz prägt und die die alte Bundesrepublik in militärischen Dingen einhielt. Sie war ein Ergebnis der Niederlage des Hitlerfaschismus und der daraus resultierenden deutschen Teilung und wurde nach 1990 Stück für Stück aufgegeben. Das Primat ziviler Instrumente der Außen- und Sicherheitspolitik muss wiederhergestellt werden.

Unser Ausgangspunkt für den politischen Auftrag der Bundeswehr ist das Recht auf Landesverteidigung, das den Einsatz der Bundeswehr als Instrument „außenpolitischer Gestaltung“, sprich: machtpolitischer Einflussnahme ausschließt. Wir berücksichtigen dabei, dass eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger die Souveränität unseres Landes und die Bewahrung der Demokratie noch immer mit der Existenz von Streitkräften verbindet. Gerade deshalb halten wir eine kontinuierliche, öffentliche Debatte über Friedenspolitik für notwendig. Wir sehen die Perspektive einer vollständigen Abrüstung der Bundeswehr im Zusammenhang mit universal oder regional ausgehandelten Abrüstungsprozessen. Für unsere praktische Politik bedeutet dies, dass es um die enge Verknüpfung einseitiger Schritte der Rüstungsreduzierung mit aktiver Abrüstungsdiplomatie gehen wird.

2.Bundeswehr defensiv ausrichten

Die Beteiligung an der NATO Response Force (NRF) und den European Battle Groups (EUBG) wird beendet. Die Bundeswehr wird keine Einheiten für die European Rapid Reaction Forces (ERRF) melden.

Durch den Verzicht auf eine Beteiligung an solchen „Out-of-area“-Einsätzen können eine Vielzahl von Beschaffungsprogrammen beendet bzw. die Stückzahlen der Waffensysteme begrenzt werden. Dies gilt in erster Linie für die dritte Tranche des Eurofighters und dessen Umbau für Bodenzielbekämpfung, die Fregatten 125, das Langstreckentransportflugzeug A 400M, den Schützenpanzer Puma und das für Auslandseinsätze konzipierte MEADS-Flugabwehrraketensystem.

Der Verzicht auf die Beteiligung an Auslandskriegseinsätzen ermöglicht den Wegfall der entsprechenden Führungsfähigkeiten, wie dem Einsatzführungskommando. Kapazitäten für mobile, verlegbare Hauptquartiere im Rahmen der NATO und EU werden nicht mehr benötigt. Ein herausgehobener militärischer Großverband, wie das Kommando Spezialkräfte (KSK), wäre obsolet, da es keine Notwendigkeit für verdeckte Operationen im Ausland gibt. Das Kommando zur Führung von Spezialoperationen (KdoFOSK) könnte aufgelöst werden. Die Unterteilung in Eingreifkräfte und Stabilisierungskräfte wäre gleichermaßen aufzuheben.

3.Streitkräfte um die Hälfte reduzieren

Die Bundesregierung und die Führung der Bundeswehr gehen inzwischen davon aus, dass Deutschland durch andere Streitkräfte nicht mehr real bedroht ist.

In den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 2011 heißt es unmissverständlich: „Eine unmittelbare territoriale Bedrohung Deutschlands mit konventionellen militärischen Mitteln ist unverändert unwahrscheinlich“

Da diese Einschätzung zutrifft, existiert ein großer Handlungsspielraum, die deutschen Streitkräfte drastisch zu reduzieren und auch künftig bei den Militärausgaben zu sparen. Konkret ist zunächst eine Halbierung der Bundeswehr auf 125.000 Soldatinnen und Soldaten innerhalb der nächsten zehn Jahre vorzunehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind Berufssoldaten und ggf. länger dienenden Zeitsoldaten Anreize für ein vorzeitiges Ausscheiden zu setzen. Eine Beeinträchtigung der Sicherheit Deutschlands wäre damit nicht verbunden.

4.Wehrpflicht beenden

Die Bundeswehr als Wehrpflicht-Armee gehörte längst der Vergangenheit an. Nur noch ein geringer Bruchteil der männlichen Jugendlichen wurde zum Wehrdienst eingezogen. Schon aus Gerechtigkeitsgründen ist die Aufhebung überfällig. Vor allem aber stellt die Wehrpflicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte junger Menschen dar. Sie ist sicherheitspolitisch nicht zu begründen; dies gilt erst recht, wenn das Land nicht militärisch bedroht ist. Der Zwangsdienst muss sofort beendet, das Wehrpflichtgesetz aufgehoben werden. Damit wird auch ein Beitrag zur weiteren Personalreduzierung bei der Bundeswehr geleistet. Neben den etwa 30.000 Dienstposten für Wehrpflichtige fallen auch die Posten für die Ausbildung und andere Aufgabenbereiche weg.

Es gibt die Sorge, dass bei einer Einstellung der Wehrpflicht die Bundeswehr als reine Berufsarmee noch weniger gesellschaftlichen Einflüssen unterliegen und damit noch unkontrollierter wird. Aus unserer Sicht sollte sich die künftige Bundeswehr deshalb vorwiegend aus „Soldatinnen und Soldaten auf Zeit“ zusammensetzen. Diese zwischen zwei und zwölf Jahren dienende Bundeswehr-Angehörigen, die nach ihrer Dienstzeit in das zivile Arbeitsleben zurückgehen, müssen schon während dieser Zeit durch entsprechende Ausbildungsangebote auf diesen Übergang vorbereitet werden.

Transparenz und Wechselbeziehungen zwischen Gesellschaft und Streitkräften sind unverzichtbar. Es kann also gerade nicht darum gehen, die Bundeswehr vor der Öffentlichkeit abzuschirmen und in ihren Kasernen einzuschließen. Andererseits gibt es keinerlei Grund, den Streitkräften bzw. ihren Angehörigen einen Sonderstatus in der Öffentlichkeit einzuräumen, z.B. bei der Nutzung öffentlichen Raums für militärische Rituale oder dem Zugang zu Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Die exklusiven Kooperationsvereinbarungen zwischen Landesregierungen und den Streitkräften sollten daher aufgekündigt werden.

5.Die parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte festigen 

Die Bundeswehr wird als Parlamentsarmee bezeichnet. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass laut Parlamentsbeteiligungsgesetz über den Einsatz bewaffneter Streitkräfte der Bundestag zu entscheiden hat. Auch ist der Bundestag dafür verantwortlich, den Schutz der Grundrechte innerhalb der Streitkräfte zu kontrollieren. Dies wird nicht zuletzt durch die Wahl eines Wehrbeauftragten, der  als Hilfsorgan des Parlaments dienen soll, unterstrichen. In der Vergangenheit haben wir jedoch allzu oft erlebt, wie versucht wurde, diese Beteiligungs- und Entscheidungsrechte des Parlaments zu umgehen, zu unterlaufen, zu entwerten.  Daher sind wir für die Stärkung der parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte.

Überdies zeigt die historische Erfahrung, dass Armeen im Einsatz die Tendenz haben, sich der demokratischen Kontrolle zu entziehen. Korpsgeist, eigene Militärjustiz und eine rigide militärische Hierarchie begünstigen den Einsatz von Streitkräften für kriegerische Zwecke. Deswegen brauchen wir eine umfassende parlamentarische Kontrolle und gesellschaftliche Kontrolle der Streitkräfte. Statt rigider Geheimhaltung ist unserer Auffassung nach die öffentliche Transparenz geboten.

Für SoldatInnen muss dieselbe Gerichtsbarkeit und dasselbe Recht gelten wie für alle anderen. Eine eigene Sondergerichtsbarkeit für die Bundeswehr wird abgelehnt. Das militärische Disziplinarrecht und die entsprechenden Verfahren müssen in Friedenszeiten zivilen Standards entsprechen. Ein militärisches Dienstrecht, das zum Beispiel sogar in Friedenszeiten bis zu drei Tagen Haft auf Anweisung eines Disziplinarvorgesetzten vorsieht, ist nicht akzeptabel.

6.Zivilität und Demokratie dürfen nicht am Kasernentor Halt machen

Das Leitbild des mündigen „Staatsbürgers in Uniform“, dessen Menschenwürde unbedingt zu achten ist, der nicht blindlings Befehlen folgt, sondern sich an Recht und Gesetz hält, ist für uns ein wichtiger Ansatz, der auszuweiten ist, auch um Schlussfolgerungen aus der verbrecherischen Geschichte der deutschen Wehrmacht zu ziehen. Immer wieder haben militärische „Traditionalisten“ versucht, dieses Leitbild in Zweifel zu ziehen und zu untergraben. Heute droht mit der Ausrichtung der Bundeswehr auf eine „kämpfende Truppe“ dieses Leitbild erneut ausgehöhlt zu werden. Die Aussetzung der Wehrpflicht bringt diesbezüglich weitere Gefahren.

Daher streitet die LINKE energisch für die Beachtung der Bürgerinnen- und Bürgerrechte innerhalb der Bundeswehr und dafür, dass das Prinzip des Staatsbürgers in Uniform verteidigt wird. Im Alltag der Bundeswehr gilt es, die Soldatenrechte zu stärken und den Soldatinnen und Soldaten mehr Beteiligungsmöglichkeiten einzuräumen. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung für alle Soldatinnen und Soldaten darf nicht angetastet werden.

Die ethische und politische Diskussion über das eigene Handeln darf nicht unter dem Alltagsdruck unter die Räder kommen. Schließlich ist die Einbeziehung ziviler Expertinnen und Experten im Ausbildungsbetrieb der Streitkräfte noch besser zu verankern. Der/die vom Bundestag gewählte Wehrbeauftragte spielt bei der Durchsetzung des „Staatsbürgers in Uniform“ eine zentrale Rolle. Wir wollen seine Kontrollmöglichkeiten stärken.

Artikel 87 b des Grundgesetzes schreibt den zivilen Charakter der Bundeswehrverwaltung fest. Diese „zivile Säule“, war ebenfalls ein Ergebnis der kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte der Wehrmacht. Jetzt  soll an diesem Prinzip gerüttelt werden, soll sich die Wehrverwaltung den vermeintlichen Erfordernissen der Auslandseinsätze unterordnen. Dies lehnen wir entschieden ab. Die relative Eigenständigkeit der Verwaltung muss gewahrt bleiben.

Wir setzen uns dafür ein, dass die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre soziale Sicherheit tarifvertraglich abgesichert und strikt beachtet werden. Der Abbau der Zivilbeschäftigen bei der Bundeswehr muss sozialverträglich gestaltet werden.

Wir lehnen das „Outsourcing“ und die Privatisierung von Teilen der Bundeswehr und ihrer Verwaltung ab – wie wir das in der gesamten öffentlichen Daseinsvorsorge tun. Das Bundeswehrpersonal muss wieder in die Lage versetzt werden, die wesentlichen Aspekte des Unterhalts von Streitkräften  selber zu gewährleisten.

7.Zivile und militärische Hilfe trennen - Kein bewaffneter Einsatz im Inneren

Die Ermächtigung für den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren, der durch die Notstandsgesetzgebung 1968 in Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 sowie in Art. 87a Abs. 4 ins Grundgesetz eingefügt wurde, muss wieder aufgehoben werden. Artikel 35 GG regelt, dass Angehörige und Einheiten der Streitkräfte im Zuge öffentlicher Amtshilfe eingesetzt werden können. Diese Praxis ist in den letzten Jahren immer weiter ausgedehnt worden. Die Behörden der Länder nutzten die Bundeswehr, um Engpässe in den Bereichen der Polizei bzw. des Katastrophenschutzes zu kompensieren; die Bundeswehr versucht diese Einsätze dafür zu nutzen, um die gesellschaftliche Akzeptanz für die Truppe zu erhöhen. Damit soll auch der mehrheitlichen Ablehnung der Auslandseinsätze entgegengewirkt werden.

Der weiteren Vermischung von Zivilem und Militärischem durch die Ausweitung der Amtshilfe ist ein Riegel vorzuschieben. Es darf keinen Weg zum Einsatz bewaffneter Bundeswehrkräfte im Inneren geben. Dem zivilen Sektor müssen an dieser Stelle die nötigen Kapazitäten und Ressourcen für die Umsetzung der Entscheidungen zur Verfügung gestellt werden. Die Hilfsorganisationen, die in der Regel vor Ort besser informiert sind und Zugang zu den benötigten Fachkräften haben, sind besser in die politischen Entscheidungsprozesse einzubinden und mit finanziellen Möglichkeiten auszustatten. Insbesondere im Bereich der Katastrophenhilfe ist das Primat ziviler Entscheidungskompetenz unantastbar.

Auch für den internationalen Bereich gilt, dass Katastrophenschutz, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit zivil geleistet werden müssen. Zivile Kapazitäten – auch im Bereich der Transportlogistik und Kommunikationsinfrastruktur – sind so auszubauen, dass zukünftig kein Bedarf mehr für eine Unterstützung der Bundeswehr besteht. Das bedeutet auch, dass für mögliche Unterstützungsleistungen der Bundeswehr bei nationalen und internationalen Katastrophen sowie für humanitäre Hilfe keine gesonderten Kapazitäten unterhalten werden müssen.

8.Mit der Abrüstung beginnen, den Abrüstungsprozess verstetigen

Derzeit bedeutet der Verteidigungshaushalt eine enorme Belastung des Staatshaushaltes. Mehr als 10% der Staatsgelder wird für militärische Belange ausgegeben. D.h. pro Kopf der Bevölkerung werden etwa 400 Euro pro Jahr für Rüstung und Militär ausgegeben. Dieses Geld fehlt für andere Maßnahmen zur Verbesserung der zivilen Sicherheitsvorsorge und der präventiven Sicherheitspolitik in Bezug auf die internationalen Krisen und Entwicklungen.

Auch eine Bundeswehr für Aufgaben der Landesverteidigung kostet Geld. Trotzdem erlaubt eine solche Ausrichtung erhebliche Einsparungen. Allein der Wegfall der Wehrpflicht (Kostenpunkt etwa 1 Mrd. € / Jahr), die Beteiligung an Auslandseinsätzen (etwa 1 Mrd. €/Jahr) und der Verzicht auf Beschaffungsprogramme für Auslandseinsätze, wie z.B. A 400M, Eurofighter oder Fregatte 125 (insgesamt weit über 15 Mrd. €) erweitert den Handlungsspielraum für die Finanzierung neuer Ansätze einer friedensorientierten Außen- und Sicherheitspolitik. Unter dem Strich würde damit auch die Sicherheit in Deutschland erhöht werden. Anzustreben ist eine Reduzierung der Militär- und Rüstungsausgaben um 50% in 10 Jahren.

Durch eine deutliche und stetige Reduzierung der Militärausgaben, durch eine konsequente politische Entscheidung für Rüstungskontrolle und die Stärkung der entsprechenden inter-nationalen Vereinbarungen kann Deutschland in mehrfacher Hinsicht einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Abrüstung und zur Unterbindung der Rüstungsexporte leisten:

  • Die Bundesrepublik trägt damit zum nötigen Umdenken insbesondere innerhalb der NATO-Staaten bei, die immer noch für ca. 70% der Weltmilitärausgaben verantwortlich sind.
  • Mit der Auflösung des Tornado-Geschwaders in Büchel wird die technische nukleare Teilhabe Deutschlands beendet und ein klares Signal gegen die Atomwaffenpolitik der NATO gesetzt.
  • Das von der Bundeswehr nicht mehr benötigte Wehrmaterial wird zerstört und demilitarisiert und nicht an andere Staaten abgegeben.

Abrüstung muss heute mehr denn je am Ausgangspunkt der Rüstungsanstrengungen beginnen: Bei der wehrtechnischen Forschung & Entwicklung. Die entsprechenden Mittel sind weiter zu kürzen; an den Universitäten sollte Rüstungsforschung keinen Platz haben. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass aus EU-Mitteln keine Rüstungsforschung finanziert wird.

9.Umbau und Konversion sozial verträglich gestalten

Die drastische Minderung der Ausgaben für das Militär setzt umfangreiche Mittel frei, die für sozialstaatliche und entwicklungspolitische Belange dringend benötigt werden. Allerdings sollte auch klar sein, dass Abrüstung nicht zum Nulltarif zu haben ist. Es geht schließlich darum, dass der notwendige Personalabbau sozial verträglich und die zivile Umnutzung bisheriger Militärkapazitäten ökologisch sinnvoll gestaltet werden. Personalkürzungen, Standortschließungen und die Beendigung von Rüstungsprogrammen müssen gut vorbereitet werden, um den Schaden für die Betroffenen nicht nur zu minimieren, sondern im Gegenteil sogar eine bessere Perspektive im zivilen Leben zu ermöglichen.

Programme zur Konversion und damit zivilen Nachnutzung von Militärstandorten als auch Programme zur Wiedereingliederung von Bundeswehrangestellten ins zivile Berufsleben müssen daher im Mittelpunkt stehen. Um ehemalige Militärstandorte zivil weiter nutzen zu können, muss mit der zügigen Beseitigung militärischer Altlasten begonnen werden. Im Verteidigungshaushalt müssen dafür angemessene Mittel zur Verfügung gestellt werden.

In den Planungsprozess für die zivile Nutzung (durch Handwerk, Industrie, Tourismus, Wohnen, Bildung etc.) müssen die betroffenen Kommunen, Länder und die Bürgerinnen und Bürger der Regionen frühzeitig mit einbezogen werden.  Für die Bundesregierung darf dabei nicht die möglichst gewinnbringende Verwertung der Liegenschaften im Vordergrund stehen, stattdessen muss die zukünftige Nutzung vor allem nach ihrem sozioökonomischen und ökologischen Nutzen für die betroffenen Regionen bewertet werden.

Unter Einbindung der Betriebsräte und Gewerkschaften wird gemeinsam mit der Unternehmensführung der von der Beendigung der Rüstungsprogramme betroffenen Unternehmen ein Konzept für die Unterstützung der tragfähigen Umstellung auf alternative Produktionslinien entwickelt.

Aus Einsparungen im Verteidigungshaushalt wird ein langfristiges Konversionsprogramm aufgelegt aus dem sowohl betroffene Kommunen für die Nachnutzung der Standorte unterstützt als auch (ehemalige) Bundeswehrangehörige beim Wiedereinstieg ins zivile Berufsleben gefördert werden. Bei der Ausgestaltung dieser Wiedereingliederungshilfe werden Personalräte der Bundeswehr, Aus- und Fortbildungseinrichtungen sowie potentielle Arbeitgeber frühzeitig eingebunden.

10.Frieden braucht Bewegung

„Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“ war nach 1945 fester Grundsatz in West und Ost. Er widerspiegelte sich im Grundgesetz, das 1949 noch keine Armee vorsah. Erst 1956 wurde das Grundgesetz so geändert, dass die Bundeswehr aufgestellt und die Wehrpflicht eingeführt wurde. Bis heute unverändert ist der Artikel 26, der die Beteiligung an und die Vorbereitung von Angriffskriegen unter Strafe stellt und Deutschland auferlegt, alle Handlungen zu unterlassen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören.

Es war nur konsequent, dass sich gegen die Remilitarisierung ein breiter außerparlamentarischer Protest erhob, der neben der Friedensbewegung, Gewerkschaften, Frauengruppen damals auch Parteien wie die KPD und SPD umfasste. Dieser Widerstand war richtig, DIE LINKE. bezieht sich positiv darauf.

Der Widerstand gegen einen neuen Militarismus setzte sich fort in der Bewegung der Kriegsdienstverweigerer, der Kampagne „Kampf dem Atomtod“, in Massenprotesten gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa, in Beschlüssen von Städten und Gemeinden, die sich für „atomwaffenfrei“ erklärten. Im Osten Deutschlands entstand die Losung „Schwerter zu Pflugscharen“, Generale, Offiziere und Soldaten der Bundeswehr engagierten sich, wie zum Beispiel im „Darmstädter Signal“, für Abrüstung, für demokratische Rechte von Angehörigen der Bundeswehr. Auch nach 1989 blieb die Friedensbewegung mit den Protesten gegen den Jugoslawienkrieg, gegen den US-Überfall auf den Irak, gegen den Afghanistankrieg, gegen die NATO-Politik und gegen die Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland ein wichtiger politischer Faktor.

DIE LINKE sieht sich in den vielfältigen Traditionen der Friedensbewegung und ist Teil dieser Bewegung geworden. Das bestimmt unsere Identität. Zugleich sieht sich DIE LINKE verpflichtet, sich um die sozialen, gesundheitlichen und demokratischen Belange der Soldatinnen und Soldaten zu kümmern und sich auch der Auseinandersetzung um eine künftige Friedens- und Sicherheitspolitik mit den Angehörigen der Streitkräfte zu stellen.