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Kneipen und Gaststätten helfen, keine Mövenpick-Deals!

Positionspapier,

Positionspapier der AG Finanzen, verantwortlich: Fabio De Masi

Der Hotel- und Gaststättenverband lobbyiert derzeit für seine Senkung der Umsatzsteuer auf den Verzehr von Speisen in der Gastronomie. Die Bundesregierung plant nun vorübergehend eine solche Maßnahme.

Eine generelle Umsatzsteuersenkung für den Verzehr in Restaurants ist aus unserer Sicht nicht zielführend!

Laut Medienberichten soll die Umsatzsteuersenkung den Gastronomiebereich angeblich um 4 bis 5 Mrd. Euro entlasten; gemäß Finanztableau des Gesetzentwurfs geht die Bundesregierung hingegen von Steuerausfällen in Höhe von 2,7 Mrd. Euro aus. Es gibt in Deutschland gut 71.300 umsatzsteuerpflichtige Restaurants. Würde man anstelle einer Umsatzsteuersenkung die 2,73 Mrd. Euro über direkte Zuschüsse gleichmäßig allen Restaurants zukommen lassen, erhielte jedes Restaurant also über 38.000 Euro. Es ist davon auszugehen, dass sich die meisten Gastronomiebetriebe für direkte Hilfen entscheiden würden.
 
Was die Linksfraktion fordert:

DIE LINKE will Kneipen, Restaurants, Gaststätten etc. in der Corona-Krise retten!

Das Hotel- und Gaststättenwesen hat derzeit Anspruch auf allgemeine Hilfen bzw. Hilfspakete. Drei Monate können mithilfe des Staates bei kleinen Gastronomiebetrieben mit einem Zuschuss zu den Betriebskosten von 15.000 Euro überbrückt werden. Größere Betriebe können z.B. Schnellkredite beantragen, um liquide zu bleiben. Doch diese Hilfsmittel reichen zum einen in Umfang und Höhe nicht aus, zum anderen profitieren noch längst nicht alle Betriebe davon. Es drohen massenweise Insolvenzen, insbesondere bei den kleinen Gaststätten und Kneipen.

Von den Soforthilfen des Bundes für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen wurden bis Ende April rund ein Fünftel der Gesamtsumme des auf 50 Mrd. Euro veranschlagten Pakets ausgezahlt. Daher hat sich unsere Fraktion zusätzlich für einen einmaligen, direkten Zuschuss in Höhe von 9.000 Euro für Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen ausgesprochen.

Wir haben uns wiederholt öffentlich für ein zweites Rettungspaket für Selbstständige, kleine Unternehmen etc. positioniert, inklusive Leistungen über dem Grundsicherungsniveau und jenseits der Hilfen für lediglich drei Monate (https://de.investing.com/news/world-news/linke-fordert-ausweitung-der-soforthilfen-2002001).

Denkbar sind des Weiteren die Stundung von Pachtzahlungen an die Immobilieneigentümer*innen, eine Koppelung der Rückzahlbarkeit von KfW-Krediten an die Unternehmensgewinne sowie die Umwandlung von KfW-Krediten in Zuschüsse, falls Umsatz und Gewinne noch länger zu niedrig sind.
Insgesamt bevorzugen wir direkte Zuschüsse bzw. Finanzhilfen gegenüber steuerlichen Maßnahmen, da diese zielgenauer sind.

Was die Bundesregierung vorhat:

Die unterschiedliche Besteuerung von Lebensmitteln und von Gastronomieleistungen erfolgt aufgrund der Differenzierung zwischen Warenlieferungen und Dienstleistungen im europäischen Mehrwertsteuerrecht. Bisher gilt für Speisen, die in einem Restaurant, einem Café oder einer Bar verzehrt werden, d.h., sobald Stühle, Tische und insbesondere Bedienung dazukommen (Restaurationsleistungen), eine Belastung mit 19 Prozent Umsatzsteuer. Für Gerichte, die der Gast mitnimmt oder nach Hause bestellt (Außerhausverkauf), fallen in der Regel nur 7 Prozent an, also der ermäßigte Umsatzsteuersatz.

Nun soll der Satz von 7 Prozent auch auf vor Ort aufgetischte Speisen zur Anwendung kommen. Laut Entwurf des „Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz)“ vom 30.04.2020 soll dieser ab dem 01.07.2020 befristet für ein Jahr gelten. Gemäß der dortigen Begründung werden durch die Absenkung des Umsatzsteuersatzes „eine Stimulierung der Nachfrage und eine Belebung der Konjunktur“ erwartet.

Im Folgenden möchten wir Euch aus steuerlicher Sicht weitere Argumente an die Hand geben, warum wir eine (temporär) ermäßigte Umsatzbesteuerung für Restaurationsleistungen als nicht zielführend ablehnen.

  1. Einem Großteil der Gastronomiebranche würde eine Umsatzsteuersenkung kaum helfen. Gerade den Gastronomiebetrieben, die es am Nötigsten haben, weil sie kurz vor der Insolvenz stehen, wird eine solche Absenkung niemals reichen, um wieder auf die Beine zu kommen. Denn diese brauchen jetzt finanzielle Unterstützung, um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden.
  2. Auch wenn offiziell eine Preissenkung für Kund*innen durch die Umsatzsteuersenkung in Aussicht gestellt wird, um die Nachfrage zu stimulieren, ist es sehr fraglich, inwieweit diese Steuersenkung tatsächlich an Kund*innen weitergegeben wird (vgl. jüngst die sog. Tampon-Steuer). Eine deutliche Umsatzsteigerung ist selbst bei einer Preissenkung eher unwahrscheinlich, denn Restaurants, aber auch Kneipen etc. werden nach Wiederöffnung allein schon aufgrund von Abstandsregelungen weniger umsetzen. Zugleich dürfte die Nachfrage nach Restaurationsleistungen aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen etwas niedriger ausfallen, da aufgrund der andauernden Bedrohung durch COVID-19 viele Menschen den Aufenthalt in Gaststätten etc. wahrscheinlich weiterhin meiden.
    Letztlich würden daher vor allem große Gastronomiebetriebe und Sterne-Restaurants, mit einem großen Außenbereich bzw. mit viel Platz zwischen den Tischen, überproportional von einer Umsatzsteuersenkung profitieren, da sie viel mehr Umsatz als andere Betriebe machen können. Auf der anderen Seite leidet z.B. die enge, kleine Pizzeria bei gradueller Öffnung mehr und länger als andere Betriebe.
  3. Derzeit verkaufen ohnehin schon viele Restaurants ihre Speisen außer Haus; hierfür wird nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz fällig. Kneipen, Bars und Clubs, die ausschließlich Getränke – in der Regel mit 19% Umsatzsteuer – anbieten, werden jedoch gar nicht von einer Steuerentlastung für Speisen profitieren. Hier sind Soforthilfen für getränkebasierte Geschäftsmodelle notwendig.
  4. Eine Wiederanhebung der Umsatzsteuer nach Ablauf eines Jahres ist politisch sehr schwer vermittelbar, erst recht, wenn der Termin für die Wiederanhebung in Wahlkampfzeiten fällt. DEHOGA und Co. werden dann argumentieren, dass man die großen Verluste aufgrund der Corona-Krise innerhalb eines Jahres nicht aufholen konnte und eine Verlängerungsregelung nötig sei.