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Keine Erdgasförderung auf Kosten des Trinkwassers: „Fracking“ verbieten!

Positionspapier von Johanna Regina Voß,

In Deutschland hat ein Wettlauf um neue Erdgasquellen begonnen. Große Energiekonzerne wie Exxon, Wintershall und BNK Petroleum haben seit dem Sommer 2010 große Landstriche unter sich aufgeteilt, um dort die Förderung von sogenanntem „unkonventionellem“ Erdgas zu beantragen. An vielen Orten laufen die Betroffenen Sturm gegen „Fracking“. In den USA, in Kanada, in Südafrika und in der Schweiz liegen nach großen Protesten „Fracking-Vorhaben“ auf Eis. Die Risiken von „Fracking“ sind zu hoch – deswegen fordern wir ein Verbot aller geplanten „Fracking-Vorhaben“ und solidarisieren uns mit den Protesten gegen „Fracking“!

 

Arbeitskreis II
Wirtschaft, Finanzen, Steuern, Umwelt und Energie
verantwortlich: Johanna Voß

Ein neuer Wettlauf um Erdgas

In Deutschland hat ein Wettlauf um neue Erdgasquellen begonnen. Große Energiekonzerne wie Exxon, Wintershall und BNK Petroleum haben seit dem Sommer 2010 große Landstriche unter sich aufgeteilt, um dort die Förderung von sogenanntem „unkonventionellem“ Erdgas zu beantragen. Kohleflözgas, Schiefergas und Tight Gas sind im Gegensatz zu konventionellem Erdgas im Gestein eingeschlossen und können daher nur mit Hilfe des aufwändigen Verfahrens des „Hydraulic Fracturings“, kurz „Fracking“ oder „Frack-Verfahren“, gefördert werden. Beim „Fracking“ wird eine mit Chemikalien versetzte Flüssigkeit („Frac-Flüssigkeit“, „Frac-Wasser“) mit hohem Druck in die Tiefe gepumpt, um das gastragende Gestein aufzubrechen. Diese Flüssigkeit verbleibt zu einem Teil in der Tiefe, ein anderer Teil wird wieder nach oben befördert, muss gelagert und – so weit überhaupt möglich – entsorgt werden.

Die Risiken sind zu hoch

Die Förderung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten mit Hilfe von „Fracking“ ist mit hohen Risiken für die Bevölkerung und die Umwelt, insbesondere das Trinkwasser, verbunden. Gefahren gehen vor allem von der „Frac-Flüssigkeit“ aus, die in sehr großen Mengen anfällt. Dem „Frac-Wasser“ werden Chemikalien beigemischt, die das Oberflächen- und Grundwasser irreversibel verschmutzen können.  In den USA, wo unkonventionelles Erdgas bereits großflächig gefördert wird, kam es durch „Fracking“ zu Unfällen wie Vergiftung des Trinkwassers, Explosionen und Erdstößen. Ein hoher Flächenverbrauch, Lärm und ein großes Aufkommen von Schwerlastverkehr sind notwendige Begleiterscheinungen von „Fracking“. Doch nicht nur „Fracking“ ist mit hohen Risiken für die Bevölkerung und die Umwelt verbunden. Auch bei der Förderung von Erdgas aus konventionellen Lagerstätten können gefährliche Substanzen in das Trinkwasser gelangen. Radioaktive Substanzen und giftige Stoffe wie Benzol oder Quecksilber dringen möglicherweise über das Lagerstättenwasser (in Gesteinsporen neben dem Erdgas befindliches Wasser) in das Oberflächen- und Grundwasser ein.

Stoppt „Fracking“!

An vielen Orten laufen die Betroffenen Sturm gegen „Fracking“. In den USA, in Kanada, in Südafrika und in der Schweiz liegen nach großen Protesten „Fracking-Vorhaben“ auf Eis. In Frankreich soll „Fracking“ vollständig verboten werden. In Deutschland haben sich zahlreiche Bürgerinitiativen gegründet, die gemeinsam mit Betreibern von Wasserwerken und Umweltverbänden gegen „Fracking“ protestieren. Der bestehende Rechtsrahmen ist völlig unzureichend, um umfassende Beteiligungsrechte sicherzustellen und die Belange der Betroffenen und der Umwelt angemessen zu berücksichtigen. Die Behörden arbeiten intransparent und kungeln mit den Gaskonzernen. Die Risiken von „Fracking“ sind zu hoch – deswegen fordern wir ein Verbot aller geplanten „Fracking-Vorhaben“ und solidarisieren uns mit den Protesten gegen „Fracking“!

1. Keine Erdgasförderung auf Kosten des Trinkwassers, der Umwelt und der AnwohnerInnen!

Die Gefahren von „Fracking“ sind unverantwortbar. Auch die konventionelle Erdgasförderung birgt Gefahren. Deshalb fordern wir:

  • ein Verbot von „Fracking-Maßnahmen“ zur Erkundung und Förderung von Erdgas.
  • Erhöhung der Umweltstandards und der Beteiligungsrechte bei der Erkundung und Förderung von Erdgas.

2. Einleitung einer Energiewende: Erdgas wird nur noch vorübergehend gebraucht

Die Förderung von unkonventionellem Erdgas ist mit einem hohen technischen und energetischen Aufwand und mit großen Umweltbelastungen verbunden. Die Klimabilanz von unkonventionellem Erdgas ist daher nachweislich negativ (vgl. Tyndall Centre for Climate Change Research 2010, Howarth et al 2011). Darüber hinaus ist Erdgas ein fossiler Energieträger, der auf dem Weg ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien nur als Übergangsrohstoff benötigt wird.

Deshalb fordern wir eine Energiepolitik, die eine umweltschädigende Förderung von Erdgas überflüssig macht durch:

  • die verstärkte Förderung der Erneuerbaren Energien.
  • verstärkte Maßnahmen zur Einsparung und Effizienzsteigerung bei der Nutzung von Erdgas, insbesondere durch energetische Gebäudesanierung.

3. Wirksamer Wasser- und Umweltschutz im Bergbau

Im Rahmen der Erdgasförderung kann das Trinkwasser durch verschiedene Prozesse gefährdet werden (vgl. auch BDEW NRW): eine nicht ausreichende Abdichtung des Bohrlochs, Verunreinigungen mit Chemikalien und Gasaustritte durch die künstliche Rissbildung beim „Frac-Verfahren“, Leitungslecks für „Frac“- und „Lagerstättenwasser“ sowie unsachgemäße Entsorgung von „Frac“- und „Lagerstättenwasser“. Eine Verschmutzung des Grund- und Oberflächenwassers muss ausgeschlossen werden – dies gilt für konventionelles Erdgas ebenso wie für unkonventionelles Erdgas, falls eine Erkundung und Förderung ohne „Hydraulic Fracturing“ zukünftig möglich wird.

Deshalb fordern wir einen uneingeschränkten Vorrang des Trinkwasserschutzes bei der Erkundung und Förderung von Erdgas durch:

  • eine Beteiligung der Wasser- und Naturschutzbehörden in allen Phasen des Genehmigungsverfahrens einschließlich der Vergabe von Bergbauberechtigungen. Eine Genehmigung darf nur dann erfolgen, wenn sie der Stellungnahme der Wasser- und Naturschutzbehörden nicht widerspricht.
  • ein Verbot der Einleitung giftiger Stoffe, einschließlich CO2, im Rahmen von Bergbauvorhaben.
  • eine Ausweisung bestimmter Gebiete (Wasserschutzgebiete, Wassereinzugsgebiete), in denen keine Förderung von Erdgas stattfinden darf.
  • ein Verbot der Erdgasförderung, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass bei der Förderung radioaktive Stoffe oder andere Gifte wie Benzol und Quecksilber an die Oberfläche gelangen oder sich im Boden ablagern können.
  • eine umweltgerechte Entsorgung der zurückgewonnenen Lagerstättenflüssigkeit und – bei bereits durchgeführten „Frackings“ – die umweltgerechte Entsorgung des „Frac-Wassers“.

4. Reform des Bergrechts: Vorrang für Mensch, Umwelt und demokratische Mitsprache

Das Bundesberggesetz ist grundsätzlich ungeeignet, den Schutz des Allgemeinwohls sowie die Grundrechte der Betroffenen zu garantieren. Es verhindert transparente Genehmigungsverfahren, die Beteiligung der Kommunen, der Betroffenen und die vorrangige Berücksichtigung der Belange der AnwohnerInnen und der Umwelt. Dies gilt ebenso für konventionelles wie für unkonventionelles Erdgas, falls künftig eine Erkundung und Förderung ohne „Hydraulic Fracturing“ möglich wird.

Deshalb fordern wir eine grundlegende Reform des Bundesberggesetzes, die insbesondere folgende Punkte berücksichtigt:

  • Bergbauvorhaben dürfen nur dann durchgeführt werden, wenn der Nachweis erbracht ist, dass schädliche Auswirkungen auf Umwelt und Menschen ausgeschlossen werden können. Dazu fordern wir klarere und verschärfte Zulassungsvoraussetzungen für eine Genehmigung zur Erkundung und Förderung von Erdgas, die den Bereichen Umweltschutz, Natur- und Landschaftsschutz sowie der Gesundheit Vorrang einräumen.
  • Mehr demokratische Mitbestimmung bei Bergbauprojekten einschließlich der Vergabe von Bergbauberechtigungen („Claims“), der Erkundung und der Förderung durch Beteiligungsrechte der betroffenen Privatpersonen, Träger öffentlicher Belange und der zuständigen Behörden. Runde Tische, Dialogprozesse oder Arbeitskreise sind unzureichend und höhlen demokratische Verfahren aus. Die bisherige Verordnung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für den Bergbau ist völlig unzureichend, da die Schwellenwerte zu hoch angesetzt sind. Das Mindestfördervolumen für die UVP-Pflicht muss gestrichen werden, damit eine UVP-Pflicht für alle Vorhaben besteht.
  • umfassende Klagemöglichkeiten für betroffene Privatpersonen.

5. Wissenschaftliche Begleitung der Erdgasförderung unter Berücksichtigung von Umweltauswirkungen

Die Bundesregierung begünstigt finanziell Forschung, die vorrangig dazu dient, die Förderung von unkonventionellem Erdgas in Deutschland voranzutreiben. Die Erforschung der möglichen Umweltauswirkungen der geplanten „Frac-Verfahren“ in Deutschland dagegen wird kaum durch öffentliche Mittel unterstützt.  

Deshalb fordern wir eine umfassende Erforschung der möglichen Umweltauswirkungen bei der Förderung von konventionellem und unkonventionellem Erdgas durch:

  • eine Verpflichtung für Unternehmen, die Erdgas fördern oder fördern wollen, finanzielle Mittel zur diesbezüglichen Forschung für unabhängige Umweltforschungsinstitute bereitzustellen. Die Auftragsvergabe darf dabei nicht in der Hand der beteiligten Unternehmen liegen.
  • eine wissenschaftliche Begleitung der Erdgasförderung durch das Umweltbundesamt.
  • die Streichung von öffentlichen Mitteln zur Finanzierung von Forschung, die allein dem Zweck dient, das „Frac-Verfahren“  in Deutschland zu befördern.

6. Pflicht zur Transparenz bei der Erdgasförderung

Bislang sind die Unternehmen nicht verpflichtet, die Betroffenen über ihre Vorhaben zur Erdgasförderung zu informieren. Viele Anwohnerinnen und Anwohner wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Insbesondere die Zusätze zur „Frac-Flüssigkeit“ haben die Unternehmen nur sehr lückenhaft vorgelegt.

Deshalb fordern wir eine Pflicht zur Information der Öffentlichkeit durch die Unternehmen für alle geplanten Erkundungen und Förderungen.