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Bushaltestelle an einer Landstraße © iStockphoto.com/lowkick

Entwicklung des Ländlichen Raumes

Positionspapier,

Die Entwicklungschancen und Perspektiven der Gemeinden, Städte und Kreise des Ländlichen Raumes sind so vielseitig wie die ländlichen Orte und Regionen selbst. Sie unterscheiden sich in topographischer Lage, Siedlungsstruktur, demographischer Entwicklung, Wirtschaftskraft, sozialem Gefüge, historischem Baubestand, verkehrlicher und digitaler Anbindung und kultureller Einbettung. Die Vielzahl von Standortbedingungen definiert sehr unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungs­chancen für ländliche Gemeinden, die durch eine vielseitige und adäquate Förderpolitik geschöpft werden müssen. Vor allem durch die digitale Vernetzung ergeben sich ganz neue Wertschöpfungs­potentiale im Ländlichen Raum, die es durch einen schnellen Ausbau der Breitbandinfrastruktur als Grundlage einer modernen ländlichen Entwicklung schnellstmöglich bereitzustellen gilt.

Arbeitskreis II Struktur- und Regionalpolitik
verantwortlich: Heidrun Bluhm, Sprecherin für den Ländlichen Raum

 

 

1. Einleitung

Die Entwicklungschancen und Perspektiven der Gemeinden, Städte und Kreise des Ländlichen Raumes sind so vielseitig wie die ländlichen Orte und Regionen selbst. Sie unterscheiden sich in topographischer Lage, Siedlungsstruktur, demographischer Entwicklung, Wirtschaftskraft, sozialem Gefüge, historischem Baubestand, verkehrlicher und digitaler Anbindung und kultureller Einbettung. Die Vielzahl von Standortbedingungen definiert sehr unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungs­chancen für ländliche Gemeinden, die durch eine vielseitige und adäquate Förderpolitik geschöpft werden müssen. Vor allem durch die digitale Vernetzung ergeben sich ganz neue Wertschöpfungs­potentiale im Ländlichen Raum, die es durch einen schnellen Ausbau der Breitbandinfrastruktur als Grundlage einer modernen ländlichen Entwicklung schnellstmöglich bereitzustellen gilt.

Die ländlichen Räume gelangen zunehmend in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Das liegt nicht nur an einer gesteigerten Sensibilität der urbanen Gesellschaft für die Qualitäten des ländlichen Lebens. Vor allem rücken die Bedeutung des Ländlichen Raumes und die Relevanz der Bedürfnisse seiner Bewohnerinnen und Bewohner für die Stabilität von Gesellschaft und Demokratie in den Vorder­grund der politischen Auseinandersetzung. „Keine Region darf abgehängt werden“ – diese konse­quente Forderung der LINKEN scheint aktueller und nötiger denn je.

Themen der Stadtentwicklung, die seit langem die öffentliche Diskussion prägen, sind auch für die ländliche Entwicklung von immer größerer Bedeutung. Der Frage, „Wem gehört die Stadt?“, muss die Frage folgen: „Wem gehört das Land?“

Explodierende Bodenpreise, das Sterben von ortsverbundenen Bauernhöfen und Familienbetrieben, Spekulation mit landwirtschaftlichen Flächen und Betrieben, die wachsende Präsenz internationaler Investoren – die zunehmende Rendite- und Exportorientierung der wirtschaftlichen Akteure im Länd­lichen Raum und der Rückzug staatlicher Strukturen haben tiefgreifende Folgen für Mensch und Natur, für den sozialen Zusammenhalt und die Kulturlandschaft. DIE LINKE setzt dieser Entwicklung die Idee von gemeinwohlorientierten und genossenschaftlichen Wirtschaftskonzepten entgegen. Gegen die Dominanz marktwirtschaftlicher Verwertungs- und Effizienzlogik setzt sie sich für eine gute Versorgung, eine bedarfsgerechte öffentliche Daseinsvorsorge und den Stopp der Privatisierung öffentlichen Eigentums ein.

Kommunale Haushalte entwickeln sich zunehmend von Investitions- zu Sozialhaushalten. Vor allem in Kommunen, in denen aufgrund des strukturellen Wandels Anpassungsmaßnahmen notwendig sind, werden wichtige Zukunftsinvestitionen unmöglich, weil besonders hier die Sozialausgaben explodie­ren. Statt zu gestalten, sind Gemeindevertretungen oft nur noch in der Lage, den Mangel zu verwalten. In diesen Kommunen setzt sich eine Abwärtsspirale in Gang: Junge und gut Gebildete verlassen die Region, die Gesellschaft altert, Leerstand entsteht, die Pro-Kopf-Infrastrukturkosten steigen und Preise bebauter Grundstücke fallen. Private Vermögen werden entwertet. Lebensleistung und Identität stehen in Frage. Diese Situation der Hilf- und Machtlosigkeit schafft Demokratieverdruss. Die Bundes­tagsfraktion DIE LINKE fordert eine auskömmliche kommunale Finanzausstattung, auch und vor allem in Kommunen, die dem Ländlichen Raum zugeordnet sind, um basisdemokratische Entscheidungen und eigenverantwortliches Handeln zu ermöglichen und Perspektiven zu eröffnen.

Die steuerliche Heranziehung großer Vermögen zur Beseitigung des Investitionsstaus bei öffentlichen Infrastrukturen wie Schulen und Straßen, die Gewährleistung einer gleichberechtigten Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen Leben und Chancengerechtigkeit, unabhängig vom Lebensort, müssen zentrale Grundsätze einer sozialstaatlichen Politik sein. DIE LINKE steht für lebendige ländliche Räume und die staatliche Garantie gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands, die im Grundgesetz verankert ist.

Der Mensch muss im Mittelpunkt der Politik für den Ländlichen Raum stehen. Wenn ländliche Gemein­den als lebenswert empfunden werden und gesellschaftliche Teilhabe in allen Regionen sichergestellt wird, können die demographischen Veränderungen aufgehalten und der partiellen Entleerung länd­licher Räume entgegengewirkt werden.

Die Dichte sozialer Netzwerke ist in dörflichen Gemeinden höher, familiäre und nachbarschaftliche Beziehungen ausgeprägter. Dieser Umstand hilft, die vielen Versorgungsdefizite, etwa im Bereich der Pflege oder der Mobilität, in Teilen auszugleichen. Die Freiwillige Feuerwehr, Sport- und Kulturvereine, kirchliche Träger, Landfrauenverbände, Ortsbeiräte – unzählige Engagierte prägen das soziale und kulturelle Leben in ländlichen Gemeinden. Besonders sie gilt es, unbürokratisch zu fördern und bei ihrer Arbeit durch die Bereitstellung von Räumen und technischen Einrichtungen sowie den Abbau überflüssiger Regularien und Förderrichtlinien zu unterstützen. Neben Investitionen in Infrastruktur­maßnahmen muss auch der soziale Zusammenhalt in ländlichen Gemeinschaften ein Teil der Förder­politik für den Ländlichen Raum bilden. Bürgerschaftliches Engagement und zivilgesellschaftliche Instrumente der demokratischen Teilhabe, wie die Dorfbewegung, gilt es zu unterstützen.

90 Prozent der Flächen Deutschlands sind ländlich geprägt. 58 Prozent der Bevölkerung leben in ländlichen Landkreisen. 52 Prozent der Arbeitsplätze sind hier verortet (vgl. Agrarpolitischer Bericht 2015). Sämtliche natürliche Ressourcen befinden sich im Ländlichen Raum. Seine Felder, Wiesen, Wälder und Dörfer prägen Deutschland und bilden einen großen Teil unserer Identität. Dies zeigt: Es gibt ein gesamtgesellschaftliches Interesse, in vitale und lebenswerte ländliche Räume zu investieren. Deutschlands Stärke ist seine polyzentrische Struktur. Wohnungsknappheit in Groß- und Hochschul­städten, Feinstaubbelastung und lange Pendlerwege demonstrieren schon heute, dass die Ver­sorgungspotentiale in den urbanen Zentren Deutschlands begrenzt sind und diese vom Ländlichen Raum, als Lebens- und Arbeitsort, als Standort für Nahrungs- und Energieproduktion, abhängen.

Die natürlichen Ressourcen und die biologische Vielfalt des Ländlichen Raumes zeigen, welche bedeutende Rolle dieser für den nationalen Umwelt- und Naturschutz einnimmt. Wirtschafts- und Entwicklungspolitik für den Ländlichen Raum müssen dieser großen ökologischen Verantwortung gerecht werden. Vor allem die Agrarindustrie muss, etwa im Bereich des Dünge- und Pflanzenschutz­rechts, Fortschritte im Sinne von Biodiversität, Bodenschutz und Wasserschutz erzielen. Auch Themen wie der Flächenverbrauch oder die Nutzung erneuerbarer Energien sind untrennbar mit dem Ländlichen Raum verbunden und finden in ihm statt. Die ökologischen Potentiale regionaler Wert­schöpfungskreisläufe durch die Minimierung von Verkehrsbelastung und Transportwegen müssen genutzt werden.

Der Ländliche Raum darf nicht als Problemraum wahrgenommen werden. Er muss in seiner Vielfalt betrachtet und seine Entwicklungspotentiale differenziert analysiert und gefördert werden. Neben Gemeinden, in denen es den Strukturwandel zu gestalten gilt, gibt es eine Vielzahl wirtschaftlich wie demographisch wachsender Orte und Landstädte. Besonders in der Nähe von Metropolen befinden sich prosperierende ländliche Räume, die ganz eigenen Herausforderungen unterliegen. Vor allem Probleme wie der Verbrauch land- und forstwirtschaftlicher Nutzflächen und die Zerstörung von Kulturlandschaft durch Infrastrukturprojekte machen deutlich, dass ein reines Wachstumsdogma keine nachhaltigen Lösungen bietet.

[Das vollständige Positionspapier können Sie in der PDF lesen.]