Positionspapier des Arbeitskreises Soziales, Gesundheit und Rente
An elektronischen Zigaretten (E-Zigaretten)1 scheiden sich die Geister: Für die einen schadstoffarme, lebensrettende Alternative zum Tabak, für die anderen ein weiteres Suchtmittel, das nicht verharmlost werden darf. DIE LINKE. im Bundestag hält beide Sichtweisen für richtig und fordert eine Regulierung, die beiden Aspekten gerecht wird.
Dank der überwiegend ausländischen Forschung ist der Kenntnisstand zu den gesundheitlichen Auswirkungen des E-Zigaretten-Konsums in den letzten Jahren sehr gewachsen. Er reicht zwar nicht aus, um insbesondere die Langzeitfolgen gut beurteilen zu können, aber er legt doch nahe: Der Konsum ist erheblich weniger schädlich als der Konsum von Tabakzigaretten, vor allem da typische Verbrennungsprodukte und Inhaltsstoffe des Tabaks wie Kohlenmonoxyd, Blausäure und Teer im Dampf der E-Zigarette nicht enthalten sind. Die meisten Erkrankungen infolge des Tabakrauchens werden nicht durch das Nikotin hervorgerufen, sondern durch diese anderen Substanzen. Zudem zeigten mehrere Untersuchungen, dass die Tabak-Abhängigkeit nicht nur von Nikotin, sondern maßgeblich auch von weiteren Substanzen ausgelöst wird (siehe Auswertung des wissenschaftlichen Ausschusses „Neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken“ [SCENIHR] bei der EU-Kommission). Verschiedene Staaten haben bereits Raucherinnen und Raucher dazu aufgerufen, auf E-Zigaretten umzusteigen. Nikotin ist suchterregend, von einer Nikotinabhängigkeit loszukommen ist besonders schwer. E-Zigaretten dürfen daher nicht als normale Genussmittel angesehen werden, sondern bedürfen einer angemessenen Regulierung.
Die Bundesregierung und verschiedene Landesregierungen sind mit ihrer Auffassung, E-Zigaretten arzneimittelrechtlich de facto zu verbieten, an der Mehrheit der EU-Staaten, an deutschen Gerichten und an gesellschaftlichem Widerstand gescheitert. Die Linksfraktion bedauert die jahrelange und vermeidbare Verunsicherung, die durch sachlich irreführende, teils rechtswidrige Behauptungen und überflüssige Beschlagnahmungen von staatlicher Seite entstanden ist. Während dieser Zeit sind immer wieder Fälle von explodierenden E-Zigaretten bekannt geworden, bei denen die Konsumierenden teils schwer verletzt wurden. Solche Verletzungen, aber auch eine beträchtliche Zahl von tabakbedingten Folgeschädigungen wären vermeidbar gewesen, wenn schnell und ohne ideologische Vorbehalte eine sachgerechte Regulierung getroffen worden wäre. Angesichts der ausgesprochen laxen Tabakregulierung in Deutschland überzeugen unangemessen abwertende Aussagen der Bundesregierung zur E-Zigarette nicht und erwecken den Anschein, den Tabakkonzernen in die Hände zu spielen.
DIE LINKE. fordert, E-Zigaretten anhand der festgestellten Schädlichkeit, teils auch unter Gewährleistung eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes zu regulieren. Das beinhaltet insbesondere
- die Klarstellung, dass E-Zigaretten grundsätzlich in das Tabakrecht gehören. Sie sind keine therapeutischen Mittel und daher für das Arzneimittelrecht ungeeignet,
- verbraucherfreundliche Deklarationspflichten, welche Inhaltsstoffe enthalten sind und insbesondere für das Nikotin auch in welcher Menge/Konzentration sowie klare Warnhinweise zu suchterregenden Eigenschaften,
- Qualitätszertifizierungen, mit welchen die Funktionsfähigkeit und Sicherheit der Verdampfer sowie die Qualität der Liquids, insbesondere zu Verunreinigungen und Zusammensetzung, gesichert werden,
- die Unbedenklichkeit aller enthaltenen Zusatzstoffe zu gewährleisten. Toxikologische Erkenntnisse aus dem Lebensmittelrecht müssen darauf hin überprüft werden, ob sie auch auf die inhalative Anwendung übertragbar sind. An den erforderlichen klinischen Untersuchungen sind die Hersteller angemessen finanziell zu beteiligen,
- die Anwendung der im Vorläufigen Tabakgesetz festgeschriebenen Regelungen zum Jugendschutz, Verkaufsbeschränkungen und zu Werbe- und Sponsoringverboten,
- die Anwendung aller Nichtraucherschutz-Regelungen, solange eine Gefährdung durch Passivkonsum nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann,
- die Förderung der Forschung zu gesundheitlichen Folgen und weiteren Aspekten des E-Zigarettenkonsums. Dazu gehört auch die wissenschaftliche Überprüfung, inwieweit die Vielzahl der Geschmacksrichtungen den Konsum durch Jugendliche begünstigt und welche gesetzgeberischen Konsequenzen erforderlich und geeignet sind,
- die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu beauftragen, neutrale und allgemeinverständliche Informationen zu den Wirkungen der E-Zigarette, auch im Vergleich zu Tabakprodukten, zu erarbeiten und barrierefrei bereitzustellen.
Die Linksfraktion begrüßt grundsätzlich die mit der Novellierung der EU-Tabakproduktrichtlinie (TPD 2) verabschiedeten Regelungen zur E-Zigarette. Sie kommen unseren Vorstellungen weit entgegen und haben den Irrweg der Bundesregierung und einiger Landesregierungen glücklicherweise weitgehend beendet. Es kommt nun darauf an, die Vorgaben in guter Weise umzusetzen und die nationalstaatlichen Freiheiten zu nutzen, sowohl tabak- als auch E-Zigaretten-bedingte Schädigungen zu reduzieren und die Freiheiten der Menschen nicht mehr als notwendig einzuschränken.
1 E-Zigaretten und E-Shishas erhitzen eine Flüssigkeit (Liquid), deren Dampf inhaliert wird. Es findet keine Verbrennung wie beim Tabakrauchen statt. Die Liquids sind meist nikotinhaltig, können aber auch nikotinfrei sein. In der Regel enthalten sie als Lösungsmittel Propylenglykol, (das auch etwa bei Bühnen-Rauchanlagen Anwendung findet) sowie teils Glycerol und/oder Wasser. Fast immer sind aromatisierende Zusätze enthalten. Wenn nichts anderes angegeben wird, ist hier mit „E-Zigarette“ die gebrauchsfertige Einheit mit nikotinhaltigem Liquid gemeint und andere Formen wie E-Shishas einbezogen.