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Betriebliche Berufsausbildung in der Corona-Pandemie schützen

Positionspapier,

Die Corona-Pandemie bedroht auch die Ausbildung. Hunderttausende Betriebe haben Kurzarbeit angemeldet. Es ist zu befürchten, dass viele in die Insolvenz gehen müssen. Politik und Wirtschaft sind aufgefordert, jetzt alles dafür zu tun, eine Ausbildungskatastrophe abzuwenden. Es wäre unverantwortlich, die jungen Menschen in der Krise allein zu lassen und damit ihre Chancen auf gute Arbeit durch gute Ausbildung zu verbauen.

Arbeitskreis I + IV

Arbeit, Soziales und Gesundheit / Bildung Wissen und Kultur
Beschlossen am 12. Mai 2020

 

Betriebliche Berufsausbildung in der Corona-Pandemie schützen

verantwortlich: Jutta Krellmann, AG Arbeit

 

Die Corona-Pandemie bedroht auch die Ausbildung. Hunderttausende Betriebe haben Kurzarbeit angemeldet. Es ist zu befürchten, dass viele in die Insolvenz gehen müssen. Die Leidtragenden sind hierbei vor allem die Auszubildenden. Sie müssen nun fürchten, dass ihre Ausbildung vorzeitig abgebrochen wird und sie ohne Abschluss dastehen. Dies betrifft Auszubildende in der betrieblichen Berufsausbildung ebenso wie dual Studierende. Betriebe aller Größenordnungen sind betroffen, wobei zu befürchten ist, dass vor allem in kleinen und mittleren Handwerksbetrieben die Ausbildung in Gefahr ist. Der Druck auf den ohnehin schon seit Jahren angespannten Ausbildungsmarkt wird weiter steigen. Junge Menschen, die nach der Schule eine Ausbildung beginnen wollen, werden mit Auszubildenden, deren Betrieb die Krise nicht überstanden hat, um die wenigen Ausbildungskapazitäten konkurrieren. Der Anteil der Betriebe, die ausbilden, ist im vergangenen Jahr nochmals gesunken und liegt nun bei 19,7 Prozent. Es bildet also weniger als ein Fünftel der Unternehmen aus. Es wird deutlich, dass die Corona-Krise auf bereits lang bestehende massive Probleme auf dem Ausbildungsmarkt trifft und hier wie ein Brandbeschleuniger zu wirken droht.


Auf einen Blick

  1. Auch in der in der Corona-Pandemie muss die Ausbildung weiter fortgesetzt werden können. Die Betriebe müssen ihre Ausbildungspflicht erfüllen. Sollten sie dabei Schwierigkeiten haben, sind sie von staatlicher Seite aus zu unterstützen. 
  2. Kurzarbeit für Azubis nur in Ausnahmefällen. Der Vergütungsanspruch für 6 Wochen bleibt bestehen.
  3. Prüfungen müssen abgelegt werden können und in den betrieblichen Hygieneplänen berücksichtigt werden.
  4. Mitbestimmung in Bezug auf Azubis anerkennen und stärken.
  5. Ausbildungsboni für Unternehmen gewähren, die Auszubildende aus Insolvenzbetrieben übernehmen.
  6. Ausbildung langfristig sichern. Die Umlage ist dafür das richtige System.

Politik und Wirtschaft sind aufgefordert, jetzt alles dafür zu tun eine Ausbildungskatastrophe abzuwenden. Es wäre unverantwortlich, die jungen Menschen in der Krise allein zu lassen und damit ihre Chancen auf gute Arbeit durch gute Ausbildung zu verbauen. Es muss zudem verhindert werden, dass die Krise dazu genutzt wird, hart erkämpfte Schutzrechte für Auszubildende zugunsten von Arbeitgebern zu minimieren und damit die Ausbildungsbedingungen dauerhaft zu verschlechtern.

Ausbildung sichern, Ausbildungskonzepte anpassen

Ausbildende Betriebe haben nach § 14 Abs. 1 BBiG die Pflicht, den Azubis die Ausbildung in der vorgesehenen Zeit zu ermöglichen. Auch die Corona-Pandemie ändert daran nichts. Wirtschaftliche Überlegungen setzen die Ausbildungspflicht nicht außer Kraft. Die Betriebe haben alle Maßnahmen zu prüfen und umzusetzen, die die unterbrechungsfreie Fortsetzung der Ausbildung gewährleistet. 

Unter Umständen müssen die Ausbildungspläne geändert werden, digitale Lehrformen erprobt und zusätzliche Ausbildungsmittel dafür zur Verfügung gestellt werden. Für viele, vor allem kleinere Betriebe wird dies eine große Herausforderung darstellen. Kammern, Berufsschulen und staatliche Stellen müssen diese Umstellung durch Beratung und Infrastruktur angemessen unterstützen. Die Kammern müssen die Anzahl der Ausbildungsberater*innen kurzfristig erhöhen, um eine flächendeckende Beratung möglich zu machen.  Die Arbeitgeber sind aufgefordert stärker in Verbundstrukturen zu investieren und diese zu nutzen. Die Verbundausbildung ist staatlicherseits zu vereinfachen und zu fördern. Auch sollte das für Schüler*innen aufgelegte „Sofortausstattungsprogramm“ in verbesserter Form auch Auszubildende miteinschließen. 

Kurzarbeit nur im Ausnahmefall

Kurzarbeit bedeutet für Auszubildende nicht nur finanzielle Nachteile, sondern gefährdet auch den erfolgreichen Abschluss der Ausbildung. Kurzarbeit für Auszubildende muss deswegen die letzte Maßnahme sein, wenn alle anderen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft wurden.

Klar muss auch sein, dass der Vergütungsanspruch aus § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG nicht angetastet wird. Die volle Ausbildungsvergütung ist für 6 Wochen weiterzuzahlen. Sollte Kurzarbeit veranlasst werden, so ist das Kurarbeitergeld für die besondere Beschäftigtengruppe der Auszubildenden – in Anlehnung an die Forderung der Fraktion DIE LINKE – auf 100 Prozent anzuheben.

Ausbildungsbonus zahlen

Auszubildende, die ihre Ausbildung nicht beenden können, weil ihr Unternehmen Insolvenz anmelden musste, sollen die Möglichkeit haben ihre Ausbildung woanders abschließen zu können. Die Kammern haben hier die Aufgabe der Vermittlung neuer Ausbildungsplätze. Unter Umständen kann Unternehmen, die Auszubildende aus Insolvenzbetrieben übernehmen, ein finanzieller Anreiz gewährt werden. Den übernehmenden Betrieben könnte dann ein Ausbildungsbonus – ähnlich wie der Regelung in der Finanzkrise (2008 – 2012) – gezahlt werden. Der Ausbildungsbonus ist bis zum Ende der Ausbildungszeit des übernommenen Azubis zeitlich zu befristen.

Prüfungen sicherstellen

Die Abschlussprüfungen müssen – unter Beachtung des Infektionsschutzes – fristgerecht und ordnungsgemäß abgelegt werden können. Sofern Ausbildungsverhältnisse vorher enden, müssen diese, auf Antrag des Auszubildenden von den Kammern unbürokratisch verlängert werden (vgl. § 8, Abs. 2 BBiG). Ausgefallene Zwischenprüfungen dürfen ebenfalls nicht zu Nachteilen führen und keine Auswirkung auf die Ablegung der Abschlussprüfung haben (vgl. § 48 BBiG). 

Pandemiepläne erstellen

Alle Betriebe sind verpflichtet Pandemiepläne zu erstellen. Entsprechend § 5 ArbSchG sind Gefährdungsbeurteilungen vorzunehmen und Maßnahmen zur Infektionsprophylaxe im Betrieb umzusetzen. Die besondere Situation der Auszubildenden muss dabei berücksichtigt werden. Infektionsschutz, Anspruch auf Ausbildung und Pflichten der Auszubildenden sind jeweils abzuwägen, wobei dem Infektionsschutz immer Vorrang zu geben ist. Auch die Lage von Auszubildenden, die zu Risikogruppen gehören, ist zu berücksichtigen. Die Auszubildenden und die betrieblichen Interessenvertretungen sind zu beteiligen. 

Mitbestimmung stärken

Betriebsräte, Personalräte und Jugend- und Auszubildendenvertretungen haben bei den erforderlichen Maßnahmen in vielerlei Hinsicht mitzubestimmen. So zum Beispiel bei der Einrichtung von Kurzarbeit, dem betrieblichen Gesundheitsschutz, personellen Einzelmaßnahmen und der Durchführung beruflicher Bildungsmaßnahmen (vgl. §§ 87, 98 und 99 BetrVG sowie § 70 BetrVG). Die betrieblichen Interessenvertretungen sind besonders geeignet, um für die derzeitigen Herausforderungen angemessene und passende Konzepte für die Situation in den Betrieben vor Ort zu finden. Ihre Rolle muss von allen Akteurinnen und Akteuren anerkannt und gestärkt werden.

Wir begrüßen es, dass der neue § 129 BetrVG auch die Sitzungen der Jugend- und Auszubildendenvertretung und die Jugend- und Auszubildendenversammlung miteinschließt. Wobei zu beachten ist, dass in kleinen und Kleinstbetrieben meist keine Interessenvertretungen existieren.

Ausbildung langfristig sichern und fördern

Auch vor der Corona-Krise war die betriebliche Ausbildung in einer schwierigen Lage und der Anteil der ausbildenden Betriebe weiter fallend.Vor allem Klein- und Kleinstbetriebe ziehen sich aus der Ausbildung zurück. Es droht weiterhin ein Fachkräftemangel und in einigen Regionen und Branchen bestehen bereits jetzt deutliche Engpässe. Deswegen ist es wichtig, dass die Betriebe ihre bereits gemachten Übernahmeangebote einhalten und weiterhin Ausbildungsplätze anbieten. 

Wie vom DGB gefordert kann eine befristete Förderung außerbetrieblicher Ausbildung dabei helfen, in besonders betroffenen Regionen die Ausbildung zu stützen. Ein ebenfalls vom DGB geforderter Zukunftsfond zur Fachkräftesicherung ist zu begrüßen. Jedoch ist die Arbeitgeberseite an der Finanzierung aller Maßnahmen entsprechend zu beteiligen. Ausbildung geschieht nicht nur im Interesse der Auszubildenden, sondern auch im Interesse der Wirtschaft.

Von staatlicher Seite aus müssen jedoch strukturelle Voraussetzungen für krisenfeste Ausbildung geschaffen werden. Die umlagefinanzierte Ausbildung ist hier das richtige System. Das heißt, alle Betriebe, auch die, die nicht ausbilden, sind in angemessener Weise an den Kosten der Ausbildung zu beteiligen. So kann eine faire Verteilung der Kosten gewährleistet und verhindert werden, dass ausbildenden Betrieben ein Wettbewerbsnachteil entstehet. Durch ausreichende Finanzierung kann die Ausbildung in Engpass-Branchen und -Regionen attraktiver gestaltet werden. Auch Verbundausbildungssysteme können darüber finanziert werden. Ohne die Abhängigkeit von einzelnen Betrieben kann die Umlagefinanzierung auch krisenbedingte Dellen im Ausbildungsmarkt verhindern und den Verlauf von Ausbildungsverhältnissen sichern.