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„Wollen in Sachsen-Anhalt gewinnen“

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Leipzig. Oskar Lafontaine, der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, machte gestern Abend Wahlkampfstation in Leipzig - als prominente Unterstützung für den OBM-Kandidaten Dietmar Pellmann. Im Redaktionsgespräch machte der ehemalige SPD-Vorsitzende zuvor klar, dass er die Fusion zwischen WASG und Linkspartei auf einem guten Weg sieht und warum Münteferings Heuschrecken-Kampagne für die Linkspartei noch lange nicht zu Ende ist.

Die Zahl der Arbeitslosen ist wieder auf knapp über fünf Millionen geklettert. Was läuft falsch in der großen Koalition?

Oskar Lafontaine: Die Wirtschafts- und Finanzpolitik ist seit vielen Jahren falsch. Die Löhne stagnieren seit zehn Jahren. Eine Volkswirtschaft kann nicht wachsen, wenn das Volk am wachsenden Wohlstand nicht beteiligt wird. Die große Koalition setzt die verfehlte Politik fort. Beweis: Während die älteren Arbeitnehmer jetzt vermehrt arbeitslos werden, streitet sich die Regierung über ein späteres Renteneintrittsalter. Und jetzt wird zudem das Geld für ältere Arbeitslose zusammengestrichen. Man sieht: Es wird falsch gemacht, was falsch zu machen ist.

Der Weg der Fusion von Linkspartei und der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit WASG scheint nach der Anfangseuphorie voller Bremsklötze. Es hat in der letzten Zeit mehrere Rückschläge in Landesverbänden gegeben. Hat man vergessen, die Basis mitzunehmen?

Nein, es gibt kleine WASG-Gruppen, etwa in Sachsen-Anhalt, die andere Auffassungen haben. Aber 30 Mitglieder werden nicht darüber entscheiden, was 70 000 tun. Zudem haben 8,7 Prozent der Wähler bei der Bundestagswahl darüber bestimmt, dass die beiden Parteien fusionieren.

Kommt die vereinigte Linke in diesem Jahr überhaupt noch aus den Geburtswehen?

Der Rahmen ist 2007. Aber Ende diesen Jahres muss das klar sein. Im Übrigen ist das kein Problem. Es wird immer Leute geben, die diesen Weg nicht mitgehen wollen.

Wie zuversichtlich sind Sie, was die drei Landtagswahlen in diesem Jahr betrifft?

Wir haben im Westen natürlich keine starke Organisation. Deshalb ist es ein Problem, eine vergleichbare Organisation aufzubauen, wie sie im Osten bereits vorhanden ist. Das ist ein langer Weg. Und daher wissen wir, dass wir kämpfen müssen, um im Westen die Fünf-Prozent- Hürde zu überschreiten. In Rheinland-Pfalz war das bei der Bundestagswahl gelungen, natürlich wollen wir das wiederholen. In Baden-Württemberg kämpfen wir darum, besser zu werden als bei der Bundestagswahl. In Sachsen-Anhalt versuchen wir, stärkste Partei zu werden.

Eine der größten sozialen Baustellen in diesem Jahr ist das Gesundheitswesen. Wo würden Sie ansetzen?

Wir bringen jetzt einen Gesetzentwurf ein, der auch bei den Landtagswahlen zur Diskussion steht. Er sieht die Streichung der Praxisgebühr vor. Die Praxisgebühr hat sich nicht bewährt, weil chronisch Kranke und sozial Schwache weniger zum Arzt gehen. Wir wollen damit die schärfsten Grausamkeiten korrigieren.

Wo sehen Sie die Knackpunkte in der großen Koalition und Angriffspunkte der Linkspartei in den nächsten Wochen und Monaten?

Wir sind die Alternative zu den neoliberalen Parteien. Wir sind für einen Mindestlohn ohne Wenn und Aber. Das wäre insbesondere im Osten sehr wichtig. Wir nehmen die Heuschreckenkampagne, die die SPD vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen losgetreten hat, immer noch ernst und haben einen Antrag eingebracht, um die Zulassung von Hedge-Fonds in Deutschland wieder zurückzunehmen. Wir werden demnächst im Bundestag einen Antrag vorlegen, dass Hartz IV korrigiert wird. Der für mich nach wie vor größte Skandal ist die Enteignung der älteren Arbeitnehmer durch Hartz IV.

Die Linkspartei hat ja zwei Fraktionschefs. Funktioniert die Zusammenarbeit mit Gregor Gysi?

Die Zusammenarbeit ist gut. Ich wundere mich immer, dass es so schwer zu verstehen ist, dass zwei Leute gut zusammenarbeiten können.

Notiert von Heidi Enss

Leipziger Volkszeitung, 1. Februar 2006