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Mitglieder der Linksfraktion am 6. April 2019 in Berlin auf der Demonstration gegen Mietenwahnsinn © Olaf KrostizFoto: Olaf Krostiz

Wohnen muss bezahlbar sein

Kolumne von Dietmar Bartsch,
06.04.2019 Demo #Mietenwahnsinn

von Dietmar Bartsch

Wenn radikale linke Forderungen erfolgreich im Mainstream auftauchen, dann kann das nur zwei Dinge bedeuten: die Zeiten sind ernst und der Widerstand lässt nicht lange auf sich warten. Das Bündnis „Deutsche Wohnen und co. Enteignen“ bestätigt das eindrucksvoll. Die Lage ist ernst. Der Wohnungsmarkt in vielen urbanen Teilen der Republik – sei es Rostock, Bremen, Jena, Berlin oder Leipzig – ist mit jedem Jahr ein größeres Problem geworden. Die Preise steigen unaufhörlich, der Mittelstand wird durch immer höhere Mieten gnadenlos gepresst. 40 % des Nettogehalts für Miete auszugeben, ist mittlerweile Standard. Mietsteigerungen um bis zu 90 % in den letzten Jahren treffen vor allem Menschen mit wenig Einkommen.

Am vergangenen Dienstag waren Aktivistinnen des Bündnisses „Deutsche Wohnen und co. Enteignen“ übrigens zusammen mit dem zuständigen Berliner Staatssekretär in der Linksfraktion und haben beeindruckend dargelegt, dass der Mietenwahnsinn häufig diejenigen am härtesten trifft, die dieses Land am Laufen halten: Die Pflege- und Putzkräfte, die Bäcker und Friseure, die Kindergärtner und Handwerkerinnen, kurz: diejenigen, die zu niedrigen Löhnen arbeiten müssen.

Die Anspannung am Mietenmarkt führt deshalb zu Verdrängung von (ärmeren) Menschen. Aber auch zu Immobilität – das Beenden einer unglücklichen Beziehung wird zum Risiko, keine Wohnung mehr dort zu finden, wo der Lebensmittelpunkt ist, junge Menschen sind gezwungen, länger bei den Eltern zu leben, und ältere Mieter/innen können zuweilen nicht in eine kleinere Wohnung ziehen, da diese im Zweifel teurer ist als die Wohnung mit dem alten Mietvertrag. Gründe für den Anstieg der Mieten sind nicht nur der gestiegene Zuzug in die urbanen Zentren, sondern auch, dass Immobilien in den letzten Jahren immer mehr zum Spekulationsobjekt geworden sind, unter anderem wegen der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken. Profit lässt sich mittlerweile mit Wohnungen besser machen als mit dubiosen Finanzprodukten.

Die Probleme sind so drängend geworden, dass Menschen sich zunehmend zur Wehr setzen und immer mehr mit Enteignungsforderungen sympathisieren. „Deutsche Wohnen und co. Enteignen“ hat in den letzten Monaten entsprechend für Furor gesorgt. Enteignung ist bei vielen ein negativ besetzter Begriff – manche befürchten, dass ihnen ihr hart erarbeiteter Wohlstand genommen werden soll. Das Bündnis hat jedoch von Anfang an den Fokus auf die Konzerne gelegt und so keinen Zweifel gelassen, wer für die Wohnungsmisere zur Verantwortung gezogen werden soll: diejenigen, die mit Wohnraum satte Profite machen. Das hat bereits zu heftigen Reaktionen der Immobilienwirtschaft geführt – ein Zeichen, dass die Forderung die Richtigen treffen würde und diese nervös macht.

Natürlich ist auch Politik gefragt. In Berlin unterstützt die Linke als Regierungspartei das Bündnis. Am morgigen Sonnabend gehen in vielen Städten Menschen gegen den Mietenwahnsinn auf die Straße und viele Linke werden dabei sein. Aber auch wenn wir in den Ländern, in denen wir regieren, alles tun, um die Mieter zu schützen, Verdrängung einzudämmen und Wohnungen zu rekommunalisieren, sind es Bundesgesetze, die geändert werden müssen, um die Mietenexplosion effektiv zu verhindern. Verantwortlich dafür im Bundeskabinett: Horst Seehofer. Erstmal eine schlechte Nachricht. Dass Wohnen Menschenrecht ist, ist für die LINKE dagegen klar. Gerade deswegen ist der Druck von Bündnissen und Bewegungen so wichtig. Aber auch ein Wechsel an der Spitze der Republik muss ein Ziel bleiben: Die Mehrheit der Menschen hat nämlich Eigenbedarf.