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Foto: Rico Prauss

Wir wollen beim Wort genommen werden

Kolumne von Dietmar Bartsch,

Von Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
 

 

 

In Deutschland ist zwei plus null gleich drei. So hat es der Bundestag mit den Stimmen von Union und SPD am 19. Mai 2006 festgelegt. An diesem Tag wurde die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Punkte von 16 auf 19 Prozent beschlossen. Zuvor, im Bundestagswahlkampf 2005, hatte Angela Merkel im Falle eines Wahlerfolges eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozent angekündigt, der damalige Kanzler Schröder schloss eine Mehrwertsteuererhöhung aus. Dann gingen Konservative und Sozialdemokraten eine Koalition ein und erfanden die Addition neu. Als einige einfältige Bürgerinnen und Bürger sich ob solcher Ungereimtheiten echauffierten, platze dem SPD-Vizekanzler Müntefering der Kragen: "Wir werden als Koalition an dem gemessen, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist. Das ist unfair!"

Die Jagdsaison ist wieder eröffnet – die Jagd um Stimmen zur Bundestagswahl am 22. September. Und schon wird das Volk aus dem Füllhorn reich mit Wohltaten bedient. Die Kanzlerin macht milliardenschwere Wahlversprechen. Dazu zählen eine stärkere steuerliche Förderung von Kindern, eine Anhebung des Kindergeldes, höhere Renten für Mütter und eine Mietpreisbremse. Oder auch nicht, einiges hat Merkel inzwischen relativiert. Peer Steinbrück will soziale Ungerechtigkeiten abschaffen, die es ohne die einst (mit-)regierende Sozialdemokratie gar nicht gäbe. Offenherzige Einschränkungen werden gleich mitgeliefert. Natürlich müsse geprüft werden, ob die angekündigten Segnungen auch bezahlbar sind, heißt es, und der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, sagt frank und frei: "Solche sozialen Wohltaten sind typische Wahlgeschenke, von denen jeder weiß, dass sie vor der Wahl ins Schaufenster gelegt werden, um nach der Wahl wieder hinter der Theke zu verschwinden."

Am vergangenen Wochenende hat DIE LINKE ihre Wahlversprechen auf den Tisch gelegt. In Dresden wurde das Bundestagswahlprogramm der Partei beschlossen. Selbstverständlich müssen auch wir uns den kritischen und skeptischen Blicken der Menschen stellen.

Was also spricht für die Glaubwürdigkeit des Wahlprogramms der LINKEN? Zunächst und vor allem die Tatsache, dass wir nicht allen alles versprechen! Der Leitgedanke unserer Programmatik lautet: Umverteilung für mehr soziale Gerechtigkeit. DIE LINKE redet nicht drum herum: Wenn es der Masse der Menschen hierzulande besser gehen soll, muss eine Minderheit zur Kasse gebeten werden und einen entschieden größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Zwischen 1999 und 2009 wuchs das verfügbare Jahreseinkommen des reichsten Zehntels der Bevölkerung um 16,9 Prozent, das des ärmsten Zehntels sank um 9,6 Prozent. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über 53 Prozent des privaten Vermögens. So kann es nicht bleiben, wobei die von uns gewollte Umverteilung viele reicher und niemanden wirklich weniger wohlhabend machen würde.

Glaubwürdig ist DIE LINKE, weil sie Themen und Ziele über Jahre verfolgt hat und daran weiter dran bleibt. Bei den Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn oder dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan haben wir gesellschaftliche Stimmungen verändert und politische Mehrheiten beeinflusst. Die von uns geforderte Abschaffung der Studiengebühren ist so gut wie erreicht, die Praxisgebühr existiert bereits nicht mehr. Unsere Bundestagsfraktion festigt ihren Ruf als Stimme der sozialen Gerechtigkeit, weil sie wieder und wieder Aufgaben ins Parlament bringt, die dort sonst keine Rolle spielen würden, zum Beispiel die Beseitigung des fortexistierenden Rentenunrechts oder die ausstehende Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West.

Unsere Fraktion hat jetzt ein besonders dickes Heft des Fraktionsmagazins Clara vorgelegt. Auf 80 Seiten wird Bilanz gezogen über die Arbeit der jüngsten vier Jahre. Wenn Clara Bilanz zieht, wird eines deutlich: Die Bundestagsabgeordneten der LINKEN haben beharrlich verfolgt, wofür zu kämpfen und sich einzusetzen sie 2009, am Beginn der Wahlperiode, versprochen haben. Da haben wir Wort gehalten, da wollen wir auch künftig beim Wort genommen werden. DIE LINKE wird ihren Wählerinnen und Wählern keine Wunder versprechen, ihr tatsächlicher Einfluss hängt natürlich wesentlich vom Wahlergebnis im September ab. Für soziale Gerechtigkeit aber setzen wir uns jeden Tag ein. Versprochen!

linksfraktion.de, 17. Juni 2013