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Wir nehmen bewusst in Kauf, alleine zu stehen

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Oskar Lafontaine, Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, über den Kongo-Einsatz der Bundeswehr, linke Steuerpolitik, hohe Benzinpreise, die Schwäche der Partei im Westen und seine persönlichen Ambitionen auf den Vorsitz.

General-Anzeiger: Das rot-grüne Bündnis haben Sie als neo-liberal gebrandmarkt. Wie beschreiben Sie die Politik der großen Koalition: neo-liberalissimo?

Oskar Lafontaine: Schwarz-Rot setzt nahtlos die Politik von Rot-Grün fort. Die große Koalition kürzt die Renten und nennt das beschönigend Verlängerung des Renteneintrittsalters. Sie kürzt das Arbeitslosengeld II für junge Arbeitnehmer, plant eine höhere Mehrwertsteuer und unterstützt längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich, was im Ergebnis Lohnkürzung bedeutet. Wo bitte ist da der Unterschied zwischen Schwarz-Rot und Rot-Grün?

Wenn alle neoliberal sind, die FDP ohnehin, wer sind dann Ihre parlamentarischen Mitstreiter für neue Mehrheiten?

Wir haben doch schon seit Jahren eine Allparteien-Koalition im Bundestag. Ob Hartz IV, Agenda 2010 oder die Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegen - außer der Linkspartei haben das alle Fraktionen im Bundestag mitgetragen. Da haben wir doch ein echtes Alleinstellungsmerkmal.

Dafür können Sie sich nichts kaufen, erst recht keine Mehrheiten.

Die Leute haben es satt, durchregiert zu werden. Uns geht es um Inhalte. Und wir nehmen für unsere Ziele ganz bewusst in Kauf, zunächst alleine zu stehen. Nehmen Sie nur die Außenpolitik der anderen Parteien. Sie sagen, sie kämpften gegen den internationalen Terrorismus, definieren aber nicht, was das ist. Tatsächlich geht es doch um die Eroberung von Rohstoffquellen und Absatzmärkten und nicht darum, dem Orient Freiheit und Demokratie zu bringen.

Wie werden Sie sich bei der Frage des Kongo-Einsatzes der EU verhalten, wo es doch darum geht, Wahlen abzusichern?

Deutschland hat sich längst zu stark militärisch engagiert in der Weltpolitik. Und deswegen sind wir jetzt nicht auch noch in der Lage, nach Afrika zu gehen. Die Kongo-Mission ist außerdem bislang sehr schlecht begründet worden. Wir lehnen ab.

Wenn Union und SPD nun das Land in die falsche Richtung führen und die Zahl der Verlierer zunimmt, warum fällt der Zuspruch für die Linkspartei nicht deutlicher aus?

Der Zuspruch für die Linkspartei ist sehr ordentlich. Im Westen wollen wir im kommenden Jahr bei den Wahlen zur Bremer Bürgerschaft erstmals in einen westdeutschen Landtag einziehen. Bei der Bundestagswahl 2009 wollen wir im Westen nach den 4,9 Prozent im vergangenen Jahr die Fünf-Prozent-Marke überschreiten.

Können Sie uns noch einmal erklären, wie genau das Geld von oben nach unten verteilt werden soll?

Ich höre zu meiner großen Freude den designierten SPD-Vorsitzenden Kurt Beck nach höheren Steuern rufen. Das ist ein Erfolg der Linken.

Lafontaine spricht, Beck spurt?

Sie können es ruhig ironisch kommentieren. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass die Steuer- und Abgabenquote Deutschlands sechs Prozentpunkte unter europäischem Durchschnitt liegt. Außerdem wird doch langsam einer größeren Mehrheit klar, dass wir so die Aufgaben eines modernen Industriestaates nicht mehr erfüllen können. Bei einem Land mit schwacher Binnennachfrage wäre es angemessen, die Vermögensteuer wieder einzuführen, anstatt die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Das wäre weitgehend konjunkturunschädlich, weil die Reichen ihr Geld bekanntlich nicht in den Konsum stecken.

Robin Hood lässt grüßen. Wie entlasten Sie den einfachen Mann bei den hohen Benzinpreisen?

Erstens war Robin Hood doch auch für Gerechtigkeit. Und zweitens müssen wir konsequent Energie einsparen, um die Kosten auch für Benzin zu senken. Die Autokonzerne lassen da viele Reserven ungenutzt zum Schaden der Verbraucher. Und natürlich müssen wir Schritte weg vom Öl gehen. Biokraftstoff muss deshalb preiswert bleiben.

Ende Juni 2007 soll der Vereinigungsprozess von Linkspartei und WASG zur vereinigten Linken abgeschlossen sein. Was ist Ihre Botschaft an die Unzufriedenen?

Alle, die eine vereinigte Linke wollen, müssen wissen, dass es um gemeinsame politische Inhalte geht, die wir mittel- und langfristig durchsetzen wollen. Organisatorische Fragen, wer auf welcher Liste in welchem Bundesland kandidiert, müssen dahinter zurückstehen. Es geht doch darum, ob jemand lieber einer Splittergruppe angehört, deren Ziele er zwar voll teilt, aber die nichts durchsetzen kann, oder ob ich eine vereinigte Linke unterstütze, deren Inhalte man nur zum Teil teilt, die aber eine relevante politische Kraft werden kann.

Die vereinigte Linke wird auch einen Vorsitzenden brauchen. Stehen Sie bereit?

Am Anfang sollen zwei Vorsitzende amtieren, einer aus der Linkspartei, einer aus der WASG. Es gibt die Frage an mich, ob ich bereit bin. Und die werde ich zum gegebenen Zeitpunkt beantworten.

Ein Nein hört sich anders an.

Es ist schlecht, die Ämter zu verteilen, bevor die neue Partei steht.

Sie haben stets zurückgewiesen, es in Ihren Ämtern nicht allzu lange ausgehalten zu haben. Also: Wie lange haben Sie Lust auf Opposition, wenn es für eine Regierungsbeteiligung nicht reicht?

Opposition ist in einer parlamentarischen Demokratie wichtig. Diese Aufgabe erfülle ich gern.

Macht ist aber in der Regierung.

Gegenwärtig denken wir auf Bundesebene nicht über eine Regierungsbeteiligung nach, weil die anderen Parteien soziale Ungerechtigkeit forcieren und das Land in völkerrechtswidrige Militärabenteuer stürzen.

Da passt auch kein Blatt zwischen die Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, Gregor Gysi und Oskar Lafontaine?

Alle Hoffnungen, dass die beiden "eitlen Figuren" Gysi und Lafontaine nicht miteinander zurechtkommen, wurden enttäuscht.

Gerhard Schröder, der Hauptgrund, für Ihren Austritt aus der SPD, ist parteipolitisch nicht mehr aktiv. Sie könnten noch einmal wechseln?

Der Hauptgrund war die Politik der SPD, nicht Schröder. Die falsche Politik des Sozialabbaus und der völkerrechtswidrigen Beteiligung an Kriegen läuft weiter. Diese Politik konnte ich nicht mittragen.

General-Anzeiger, 22. April 2006