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»Wir müssen näher an die Menschen ran«

Interview der Woche von Ulrich Maurer,

Die Sommerpause ist vorbei. Eine neue Runde parlamentarischer Arbeit wird eingeläutet. Zahlreich sind die Vorhaben der Politik, dem Leben der Menschen in Deutschland eine neue Richtung zu geben. Sogenannte Sparpakete hat die schwarz-gelbe Regierung geschnürt. Die Grünen wollen die „Rente erst ab 67“, die SPD kann sich nicht ganz entscheiden. Bildungsreformen wären auf den Weg zu bringen, Verteilungsgerechtigkeit herzustellen, die Energiewende einzuleiten. Wie geht die Fraktion DIE LINKE all diese Herausforderungen in den nächsten Monaten an? Antworten darauf gibt Ulrich Maurer, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag.

Die Fraktion startet die politische Arbeit nach der Sommerpause mit einer Klausur. Veränderungen sind zunächst auf personeller Ebene festzustellen. Was bedeutet das für die Mannschaftsaufstellung?

Ulrich Maurer: Die nach Oskars Rücktritt vom Fraktions- und Parteivorsitz notwendige Neuaufstellung der Fraktion ist in trockenen Tüchern. Der Fraktionsvorstand und seine Geschäftsführung sind jetzt kompakter und damit schneller entscheidungsfähig. Die Arbeit der Fraktion wird nun auf längere Sicht geplant, die strategischen Aspekte sollen stärkere Bedeutung bekommen. Ziel ist, dass die Ergebnisse unserer Arbeit schneller und verständlicher die Menschen erreichen.

Wird die Fraktion auch in der inhaltlichen Arbeit neue Akzente setzen?

Es steht außer Frage, dass wir uns in den bevorstehenden Monaten auf die Auseinandersetzung um die Rente mit 67, um die Laufzeit von AKWs und um die Gesundheitspolitik konzentrieren. Absolut im Zentrum steht allerdings der Kampf gegen das Sparpaket der Bundesregierung. Wir werden im Bundestag durch Anträge, Anfragen an die Ressorts und Positionspapiere mit aller Hartnäckigkeit den Finger in die Wunden der herrschenden Politik legen.

DIE LINKE hat bei den letzten Wahlen Erfolgsgeschichte geschrieben. Sie hat neue Themen ins Zentrum der politischen Agenda setzen können. Dadurch hat sie die SPD gezwungen, Korrekturen an einigen ihrer Schröder-Positionen vorzunehmen. Die SPD gewinnt zur Zeit in Umfragen hinzu, neue Mehrheitsverhältnisse erscheinen im Bundestag denkbar. Stellt sich die Fraktion auf diese Option ein?

Die SPD befindet sich in der Tat in einem Prozess inhaltlicher Kurskorrekturen. Aber die Neuorientierung der Sozialdemokratie, sobald sie als Oppositionspartei in Wahlen geht, haben wir ja oft genug erlebt. Der Wahlbetrug der Agenda 2010, die die Arbeitslosigkeit um 2 Millionen senken sollte, ist von den Menschen nicht vergessen. Ich sehe eine wesentliche Aufgabe von uns darin, nicht nur immer darauf hinzuweisen, wie oft die SPD ihre Wahlversprechen schon gebrochen hat. Das muss sein, immerhin geht es um die Glaubwürdigkeit der Demokratie. Aber es muss auch sein, jetzt die neuen Konzepte auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen - zu prüfen, ob die SPD es ernst meint mit ihrer Kursänderung. Ein Beispiel unter vielen: Dass die SPD heute starke Zweifel über die Sinnhaftigkeit der Rente mit 67 quälen, dürfen wir nicht gleich abhaken als Signal für den nächsten Wahlbetrug. Wir müssen deutlich machen, dass die bloße Verschiebung der Einführung der Rente mit 67 völlig unzureichend ist. Die SPD hat mit der Privatisierung der Alterssicherung und dem so genannten Dämpfungs- und Nachhaltigkeitsfaktor die Gesetzliche Rentenversicherung zerstört. Wir müssen den Menschen verständlich machen, dass ohne die grundlegende Abkehr von dieser Politik Millionen Menschen weiterhin von Altersarmut bedroht sind. Ähnliches gilt beispielsweise für den Hartz IV-Regelsatz, an dem die SPD skandalöserweise nicht rühren will. Und so weiter, und so weiter.

Sparpaket, Rente ab 67, AKW-Laufzeitverlängerung: Gegen all dies wird es unter dem Stichwort „heißer Herbst“ in den kommenden Monaten Proteste geben, unter anderem von Gewerkschaften. Wie wird sich die Fraktion in diesem „heißen Herbst“ aufstellen, nicht zuletzt mit Blick auf die Aktionen der Gewerkschaften?

Die Gewerkschaften agieren nach der Erfahrung der Jahrhundertkrise unter dem massiven Schock der Angst vor Arbeitsplatzverlust, und die Anzeichen einer zweiten Welle der Krise werden immer deutlicher. Entsprechend flexibel werden die gewerkschaftlichen Kampfformen ausgerichtet. Wir als Bundestagsfraktion werden auf jeden Fall alles in unseren Kräften Stehende tun, um diese von den Gewerkschaften und parteiunabhängigen Bewegungen initiierten Kämpfe unterstützend zu begleiten, sowohl im Bundestag als auch durch unsere Öffentlichkeitsarbeit. Darüber hinaus werden wir als Partei Akzente mit eigenen Aktionen setzen.

Die Fraktion DIE LINKE leistet harte und erfolgreiche Arbeit. Das hat die vergangene Wahlperiode gezeigt. Wie aber erfahren die Menschen davon? Sind auch neue Signale in der Öffentlichkeitsarbeit zu erwarten?

Leider werden viele unsere Initiativen über die Medien nur sehr begrenzt transportiert. Nicht umsonst ist eine Mehrheit der Bevölkerung davon überzeugt, das DIE LINKE in den Medien benachteiligt ist. Umso größere Bedeutung haben unsere eigenen Publikationsformen. Deswegen müssen wir zum Beispiel unsere Präsenz im Internet massiv ausbauen. Wir werden uns insgesamt stärker darauf konzentrieren, den Menschen unsere Arbeit durch offensive Öffentlichkeitsarbeit erkennbarer zu machen. Unsere Anträge und Positionspapiere müssen kürzer, knackiger und anschaulicher werden. Wir müssen näher an die Menschen ran, sowohl bei den Inhalten als auch in Sprache und Bildern, also das, was Gregor Gysi die Arbeit der Übersetzung nennt.

Eine letzte Frage: Was sagen sie zum Vorschlag von Klaus Ernst, auf seine Fraktionszulage zu verzichten?

Mal sehen, ob jetzt Ruhe einkehrt.

www.linksfraktion.de, 7. September 2010