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Wir müssen nach vorne und nicht zurück

Kolumne von Cornelia Möhring,

Teilnehmerinnen an der Weltfrauenkonferenz vom 4. bis 15. September 1995 in Beijing, Foto: UN Photo/Milton Grant


 

 

Von Cornelia Möhring, stellvertretende Vorsitzende und frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Zeitgleich zum internationalen Frauentag reisen Vertreterinnen und Vertreter von Staaten, Parteien und Nichtregierungsorganisationen aus der ganzen Welt zur Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen nach New York. 20 Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking ziehen sie Bilanz. Damals waren eine Erklärung und eine Aktionsplattform verabschiedet worden, die noch heute als Meilensteine der internationalen und nationalen Gleichstellungspolitik gelten. Heute müssen wir uns nicht nur Sorgen machen, dass die vereinbarten Maßnahmen nicht ausreichend umgesetzt werden, sondern dass selbst die einst möglichen Zielsetzungen neuen Verhandlungen nicht standhalten würden. Diesem Roll Back in Frauenrechten stellt sich DIE LINKE entgegen –  sowohl national wie international, am internationalen Frauentag wie auch den Rest des Jahres.

Die Aktionsplattform von 1995 sieht Maßnahmen vor, die "den gleichberechtigten Zugang der Frauen zu Machtstrukturen und Entscheidungsprozessen und ihre volle Teilhabe daran gewährleisten". In Deutschland wurde dies insbesondere durch das 2001 verabschiedete Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) vorangetrieben, das für die gesamte Bundesverwaltung gilt. Ziel war es, bestehende Benachteiligungen für Frauen abzubauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer zu verbessern.

Doch während Ministerin Schwesig Unterstützungsreden zu Peking+20 schwingt, soll hierzulande eine Gesetzesänderung verabschiedet werden, die faktisch die Aufkündigung der strukturellen Frauenförderung bedeutet. Denn anstatt Frauen aufgrund ihrer Diskriminierung zu stärken, sollen nun auch Männer in Bereichen gefördert werden, in denen sie unterrepräsentiert sind. Missachtet wird dabei, dass Männer in unserer Gesellschaft nicht strukturell benachteiligt sind und ihre Unterrepräsentanz in einigen Bereichen vielmehr an der mangelnden Attraktivität des Arbeitsplatzes liegt.

Und es gibt weitere Punkte der Pekinger Vereinbarungen, die durch die Bundesregierung nicht ausreichend beachtet oder sogar missachtet werden. Die Aktionsplattform forderte Rechtsvorschriften, die eine gleiche Bezahlung für gleiche oder gleichwertige Arbeit gewährleisten. So tut es der Amsterdamer Vertrag der EU und nicht zuletzt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Deutschlands. Trotz alledem verbleibt die Entgeltlücke zwischen den Geschlechtern konstant bei über 20 Prozent. Diese lässt sich größtenteils durch die vermehrte Teilzeit- und teilweise prekäre Beschäftigung von Frauen in schlechter bezahlten typisch weiblichen Branchen und auf niedrigeren Entgeltstufen in oft nicht tarifgebundenen Betrieben erklären, aber nicht rechtfertigen. Anstatt Zugänge zur Erwerbsarbeit für Frauen gerechter zu gestalten, die Tätigkeiten im Pflege- und Sorgebereich aufzuwerten, den Kitaplatzausbau zur qualitativ hochwertigen Bildungsinstitution voranzutreiben, setzt die Bundesregierung weiter auf falsche Instrumente wie das kontraproduktive Betreuungsgeld.

Auch die 1995 entschiedenen Maßnahmen zur Verhütung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen werden nicht ausreichend umgesetzt. In Deutschland hat jede dritte Frau körperliche, sexuelle oder physische Gewalt erfahren. DIE LINKE fordert schon seit Jahren ein Hilfesystem, dass einzelfallunabhängig, bedarfsgerecht und bundesweit einheitlich finanziert wird. Ausreichend Vorschläge, wie es umgesetzt werden kann, liegen vor.

Diese bestürzende Liste von Bereichen, in denen Frauen noch immer benachteiligt sind, ließe sich weiterführen. Es gibt noch viel zu tun. Ministerin Schwesig höchstpersönlich fordert: "Gleichstellungspolitik muss besser werden". Doch dieses Lippenbekenntnis nützt letztlich keiner – sie selbst muss und kann es auch endlich umsetzen. Dafür ist es notwendig, dass wir weiter Druck aufbauen und Frauen sich weltweit vernetzen, nicht zuletzt während der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen in diesen Tagen.