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»Wir lassen uns nicht einschüchtern«

Im Wortlaut von Ulrich Maurer,

Fraktionsvize Ulrich Maurer über Stammtischparolen dreschende CSU-Generalsekretäre, Ablenkungsmanöver des Innenministers, Chancengleichheit der Parteien und Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung

Im Netz macht sich eine Karikatur über CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt lustig. In der Sprechblase neben Dobrindts Kopf heißt es: „Die LINKE gehört verboten! Warum? Sie nehmen keine Konzernspenden an, bekämpfen Lobbyismus und Korruption. Sie gefährden den Amigostaat.“ Wie ernst nehmen Sie Alexander Dobrindt?

Ulrich Maurer: Ich zeige ihm gegenüber den nötigen Ernst, den er verdient. Durch den Widerspruch, den er in seinen eigenen Reihen erfahren durfte, zu seiner Forderung, DIE LINKE verbieten zu wollen, dürfte es auch vielen CSU-Mitgliedern schwer fallen, ihn ernst zu nehmen. Dennoch verkörpert er eine Unkultur der politischen Auseinandersetzung, in der er einen Platz in der Ahnengalerie der Stammtischparolen dreschenden Generalsekretäre der CSU einnimmt.

Welche politische Absicht verfolgen Dobrindt und auch Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit ihren Attacken auf DIE LINKE?

Der Nationalsozialistische Untergrund verübte über ein Jahrzehnt Morde in Deutschland. DIE LINKE forderte dazu als erste Fraktion einen Untersuchungsausschuss. Die anderen Parteien schlossen sich unserer Forderung nun aufgrund der öffentlichen Debatte an. Der Inlandsgeheimdienst hatte Kenntnisse, war gar Zeuge von einzelnen Morden. Dobrindt und Friedrich wollen mit ihren Parolen nur davon ablenken, dass der Inlandsgeheimdienst nicht mehr seinen Aufgaben nachkommt, sondern im Gegenteil demokratiefeindliche Mördergruppen unterstützt.

In der Debatte um die Beobachtung der LINKEN durch den Verfassungsschutz wurde teilweise mit der Rhetorik aus Zeiten des Kalten Krieges gearbeitet. Verstehen Sie die Ängste, die das bei manchen Menschen auslöst?

Diese Rhetorik wird gewählt, weil zu allererst die Abgeordneten von CDU, CSU und FDP Angst haben, selber nicht mehr mit so vielen Mitgliedern in den Bundestag einzuziehen. Wenn die Abgeordneten glauben, mit ihren abgedroschenen Phrasen jemand Angst machen zu können, zeigt dies einmal mehr, dass sie im Gegensatz zu der Bevölkerung noch nicht in der Bundesrepublik angekommen sind.

In anderen Länder Europas, zum Beispiel in Frankreich oder in Italien, sind die Berührungsängste mit linken Parteien nicht so groß. Warum tun sich die Deutschen schwer?

Tun sie nicht. DIE LINKE hat bei letzten Bundestagswahl knapp 12 Prozent erreicht. Und als sich die SPD noch für soziale Politik einsetzte, wurde sie auch gewählt - im Übrigen mit besseren Ergebnissen als heute. Dass sie seit Schröder nicht mehr links, sondern in das Parteiengewirr in der Mitte abgetaucht ist, hat viele ihrer Wähler frustriert und andere hoffen immer noch auf eine Rückbesinnung auf alte Ideale. Das politisch linke Potential ist da. Bis zur Bundestagswahl ist es unsere Aufgabe, den Wählerinnen und Wählern zu zeigen, dass es in Deutschland eine Linke gibt, die auch nach den Wahlen zu dem steht, wofür sie sich auch vor den Wahlen eingesetzt hat.

Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung kommt gerade wieder ein bisschen in Mode. Zu denen zählen zum Beispiel die Menschenrechte, Gewaltenteilung und Volkssouveränität. Gibt es überhaupt einen einzigen konkreten Vorwurf, in dem klar benannt wird, inwieweit DIE LINKE gegen die obersten Verfassungsprinzipien verstoßen haben soll? 

Die Demokratie wird gerade ausgehöhlt. Politik wird für den gemacht, der am meisten bietet, und nicht mehr für die Allgemeinheit. Das Parlament wacht nicht mehr über den Bundesverfassungsschutz, sondern der Inlandsgeheimdienst überwacht das Parlament. Und überwacht werden ausgerechnet die Abgeordneten der Partei, die sich als einzige noch für den Erhalt der Demokratie einsetzt. Kurz gesagt: Mir ist kein konkreter Vorwurf bekannt. Wie eingangs erwähnt, handelt es lediglich um platte Parolen, die nur die Absicht verfolgen, von eigenen Fehlern abzulenken.

Wie sieht es damit eigentlich bei den anderen Parteien aus?

Also wenn ich gestern auf Twitter von dem Mitglied des Deutschen Bundestages Erika Steinbach lesen musste, dass die NSDAP eine linke Partei war, bestürzt mich das als Demokrat auf das Tiefste. Wenn ich so etwas verurteile und die Konsequenz dafür ist, vom Inlandsgeheimdienst überwacht zu werden, dann weiß man, wo man angekommen ist.

Zur freiheitlich demokratischen Grundordnung gehört auch die Chancengleichheit der Parteien. Sehen Sie diese verletzt?

Die Absicht dahinter liegt doch auf der Hand: Wähler sollen verunsichert werden, damit sie den Abgeordneten der LINKEN nicht mehr ihre Probleme und Befürchtungen mitteilen. Das soll vor allem die Wahlkreise treffen, in denen wir Direktmandate gewinnen konnten. Damit ist selbstredend die Chancengleichheit verletzt, aber wir lassen uns nicht einschüchtern und gehen davon aus, dass Bodo Ramelow mit seiner Klage gegen seine Überwachung in Karlsruhe erfolgreich sein wird, weshalb die Überwachung aller LINKE-Abgeordneten bald eingestellt werden muss.

Wo sehen Sie die ernsten Gefahren für die freiheitlich demokratische Grundordnung?

Kriegseinsätze, Rente mit 67, Studiengebühren, Niedriglohn sind allesamt gegen die Mehrheit der Bevölkerung beschlossen worden. Hedgefonds und der Spekulationshandel auf Nahrungsmittel sind immer noch erlaubt, obwohl weltweit jährlich mehrere Millionen Kinder daran sterben. Außer der LINKEN setzt sich keiner dafür ein, begangene Fehler rückgängig zu machen und weitere zu verhindern. Damit riskieren CDU, SPD, FDP und Grüne, die Demokratie an die Wand zu fahren. Sie wären gut beraten, sich mehr an den Sorgen der Bevölkerung als an ihrem eigenen Portemonnaie zu orientieren.

linksfraktion.de, 3. Februar 2012