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»Wichtig ist eine gesamtdeutsche Vision«

Im Wortlaut von Roland Claus,

 

Von Roland Claus, Ost-Koordinator der Fraktion DIE LINKE

 

Der Rechenschaftsbericht über den Zustand der deutschen Einheit ist auch in diesem Jahr wieder voll der Lobhudelei. Doch er zeigt ebenfalls, dass die Bundesregierung bei wichtigen Zielvorgaben wie dem Abbau der unterschiedlich großen Arbeitslosigkeit in Ost und West, dem Lohnunterschied oder dem Angleichen der ostdeutschen Wirtschaftskraft an die des Westens wieder nicht geliefert hat.

Nach eigener Aussage will die Bundesregierung nämlich gleichwertige Lebensverhältnisse herstellen. Aber sind die erreichten maximal 80 Prozent gleichwertig: 80 Prozent der Löhne und Gehälter, der Wirtschaftskraft oder der verfügbaren Einkommen?

In ihrem Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit schummelt die Kanzlerin. Denn um die gewünschte Aussagen zum Stand des Ostens herzuzaubern, wird die Wirtschaftskraft in Ostdeutschland gern mal mit der slowenischen verglichen. Dass die Abwanderung nahezu gestoppt sei, ist angesichts der demographischen Entwicklung einleuchtend, aber kein Erfolg der Regierungspolitik.

Die neue Bundesregierung hat ihre Abteilung für Vereinigungspolitik im Wirtschaftsministerium angesiedelt. Aber neue Ideen sind auch aus diesem Ressort nicht zu vernehmen. Im Gegenteil: Als erstes hat die Koalition die Rentenangleichung auf Sankt Nimmerlein verschoben. Jetzt folgt mit der Mütterrente die nächste Regelung, von der die Ostdeutschen weniger profitieren werden. Dabei muss es in Ostdeutschland endlich eine gerechte Rentenangleichung und eine verlässliche Weiterführung der Finanzzuweisungen wie zum Beispiel einen Solidarpakt III geben.

Ein Zusammenwachsen von Ost und West kann mit einem einfachen „Weiter so“ nicht gelingen. Ich wünsche der neuen Beauftragten für Vereinigungspolitik den Mut, den ostdeutschen Erfahrungsvorsprung selbstbewusst aufzunehmen und in konkrete Politik umzusetzen. Denn die Menschen im Osten verfügen über eine doppelte Erfahrung mit Umbrüchen, schließlich haben sie das Ende der DDR und das Scheitern des Kasino-Kapitalismus erlebt. Im Osten werden längst neue Wege beschritten, von denen die ganze Republik profitieren kann, zum Beispiel im Umgang mit dem demografischen Wandel.

Ost-West-Vereinigungspolitik muss nämlich mehr sein als das Vermeiden ungerechter Regelungen und die Beseitigung von Benachteiligungen. Wichtig ist auch eine gesamtdeutsche Vision, ein sozial-ökologischer Umbau, der den Blick in die Zukunft wirft und eine wirkliche deutsche Einheit ermöglicht. Denn Ost- und Westdeutschland haben mehr verdient als geschönte Berichte.

linksfraktion.de, 21. Februar 2014