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Olaf Scholz, Christian Lindner und Robert HabeckFoto: dpa/Kay Nietfeld (bearbeitet von Andreas Homann)

Wer hat, dem wird gegeben

Im Wortlaut,

Wer sind die politisch Verantwortlichen für das Krisenmanagement und wer profitiert davon am meisten? Wir haben ein paar Zahlen und Fakten zusammengestellt.

Der Kanzler, der schweigt

Es ist zweifelsohne eine »Zeitenwende«, die Bundeskanzler Olaf Scholz da eingeläutet hat: Deutschland ist Weltmeister beim Strompreis, die Bundeswehr bekommt 100 Milliarden Sondervermögen und Hartz IV heißt jetzt »Bürgergeld«. Gegen die zunehmende Verarmung der Bevölkerung und Insolvenzwellen im Krisenwinter gibt es keine »Bazooka«, sondern Entlastungspäckchen. Ist das der »Respekt«, den der Scholzomat vor der Wahl versprochen hatte?

Wahrscheinlich kann er sich – wie auch bei anderen Altlasten – einfach nicht mehr daran erinnern. Wie war das noch? Wollte er damals als Merkels Vizekanzler nicht auch gegen Lobbyismus und Korruption vorgehen? Hart durchgreifen gegen Steuerflucht und Geldwäsche? Sogar eine Reichensteuer einführen? Könnte er das jetzt als Kanzler nicht alles tun? »Mit Wumms aus der Krise«? Könnte er – wenn da bloß diese Erinnerungslücken nicht wären. Und Lindner. »You’ll never walk alone« – ob dieses Versprechen der Bevölkerung oder der FDP gilt, weiß wohl auch der Kanzler nicht so recht.

Der Minister der Reichen

Ob bei der Verteidigung des Dienstwagenprivilegs oder der Abwehr eines Tempolimits: Finanzminister Christian Lindner steht immer auf der richtigen Seite – der Seite der Porschefahrer. Der Hüter der Schuldenbremse verachtet die »Gratismentalität« der 9-Euro-Ticket-Fans. Sollen sie doch ihren Dienstwagen nutzen. Vergünstigter Nahverkehr sei schlicht »nicht fair«. Denn wer ohne Zug und Bus auf dem Land lebt, dem – das hat Lindner ganz richtig erkannt – hilft auch kein 9-Euro-Ticket. Fragt sich nur, wer daran etwas ändern könnte. Parteikollege und Verkehrsminister Volker Wissing offensichtlich nicht.

Starke Schultern müssen auch stärker entlastet werden, so die steuerpolitische Devise des Quasi-Kanzlers. Krisenbedingte Übergewinne konnte er bis vor Kurzem überhaupt nicht erkennen. Nun hat er offenbar doch einige »Zufallsgewinner« und »Rendite-Autopiloten« ausgemacht. Ob Lindner dabei auch an sein eigenes Ministerium denkt? Durch die Extra-Steuereinnahmen ist er nämlich Deutschlands Inflationsgewinner Nr. 1.

Der Duschtipp-Minister

Es sind düstere Zeiten. Besonders für Robert Habeck. Erst fliegt ihm sein Herzensprojekt, die Gasumlage, um die Ohren und nun muss ausgerechnet er als Grüner über ein Comeback klimaschädlicher Kohlekraftwerke und Atomkraft-Verlängerungen entscheiden. Ein Stresstest für den Vizekanzler. Jedenfalls würde niemand dem Intellektuellen Habeck seine Insolvenz absprechen – äh, Kompetenz! Besonders beim Energiesparen: Die Duschzeit auf höchstens fünf Minuten reduzieren und die Wassertemperatur senken, empfiehlt sein Ministerium: »Das tut nicht nur der Umwelt, sondern auch unserer Haut gut.« Er selbst habe »noch nie« fünf Minuten lang geduscht, sagte er dem Spiegel. Nun habe er seine Duschzeit sogar »noch mal deutlich verkürzt«. Bravo! Mehr Einsatz kann man von seinem Wirtschaftsminister nicht verlangen. Jetzt können wir nur noch auf gutes Wetter hoffen.


 

283,25 Milliarden Euro – so hoch werden dieses Jahr allein die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer sein. Der deutsche Staat verdient derzeit trotz aller Krisen kräftig am Konsum seiner Bürgerinnen und Bürger mit. Wegen der hohen Inflation spülte die Mehrwertsteuer 18 Prozent mehr in die Kassen als im Vorjahr. Bis Ende 2022 rechnet die Bundesregierung mit einem Plus von knapp 13 Prozent.


 

Seit der Invasion Russlands in der Ukraine sind die Preise für Öl und Gas stark gestiegen. Fast alle großen Mineralölkonzerne erzielten Rekordgewinne, trotz teilweise hoher Abschreibungen im Zusammenhang mit dem Russlandgeschäft. Laut aktuellen Berechnungen belaufen sich die krisenbedingten Übergewinne auf etwa 38 Milliarden Euro beim Öl, 25 Milliarden Euro beim Gas und weitere 50 Milliarden Euro bei Strom aus Atomkraft und erneuerbaren Energien.


 

Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist das Vermögen in Deutschland extrem ungleich verteilt. Und es wird jedes Jahr schlimmer. Das reichste 1 Prozent besitzt mehr als 90 Prozent der deutschen Bevölkerung zusammen.

Gleichzeitig ist Vermögen sehr anhänglich, wie viele Studien zeigen. Nur durch eine ordentliche Besteuerung könnte man dieser Entwicklung entgegenwirken. Seit 1997 wird aber keine Vermögensteuer mehr erhoben und auch die Erbschaftsteuer auf Großerbschaften ist durch weitreichende Umgehungsmöglichkeiten praktisch ausgesetzt.


 

2021 war ein Rekordjahr für Deutschlands Milliardärinnen und Milliardäre. Die Großvermögen sind so stark gestiegen wie noch nie. Die 100 reichsten Familien konnten ihr Vermögen um 116 Milliarden Euro steigern. Trotz Coronakrise, Ukraine-Krieg, weltweiten Logistikproblemen und Turbulenzen an den Aktienbörsen wachsen die Vermögen einiger Superreicher immer weiter. Am unteren Ende sind knapp 14 Millionen Menschen von Armut betroffen – ebenfalls ein trauriger Höchststand.


Quellen:
Mehrwertsteuereinnahmen: Monatsbericht BMF 09/2022;
Übergewinne: Studie RLS/Netzwerk Steuergerechtigkeit;
Vermögensverteilung: DIW Wochenbericht 29/2020
Fünf Reichste: Forbes-Listen 2021/2022