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Wenn das Jahr mit dem Equal Pay Day beginnen würde…

Im Wortlaut von Cornelia Möhring,

Mitglieder und Mitarbeiter/innen der Fraktion DIE LINKE. bei der zentralen Veranstaltung zum Equal Pay Day am 21. März 2014 am Brandenburger Tor in Berlin, weiter unten: Gregor Gysi spricht auf der Hauptkundgebung

 

Von Cornelia Möhring, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und frauenpolitische Sprecherin
 
…dann hätten wir Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern.
Dann würden Frauen für gleiche und gleichwertige Arbeit denselben Lohn wir ihre männlichen Kollegen bekommen. Noch ist es so, dass Frauen noch 84 Tage im Jahr umsonst arbeiten, denn so viel Lohn wird ihnen jährlich für die gleiche oder für gleichwerte Tätigkeiten vorenthalten. Würden sie alle Tage im Jahr wie ihre männlichen Kollegen bezahlt werden, würden sie nicht, nur weil sie Frauen sind im Laufe eines Erwerbslebens enorme Lohneinbußen einstecken müssen. Bei Ärztinnen summiert sich der Lohnraub in 35 Jahren auf 441.000 Euro, bei einer Großhandelskauffrau macht er in 40 Jahren 271.000 Euro aus und bei Köchinnen beträgt der Verlust nach 40 Jahren Berufsleben noch immer 100.000 Euro.

Bei der Rente wird dann aus dem 22 Prozent Gender Pay Gap ein Gender Pension Gap von 40,8 Prozent. Das ist eine derart tiefgreifende strukturelle Diskriminierung von Frauen, die deren alltägliche Anwesenheit mitten im 21. Jahrhundert, deutlich zeigt, dass herrschende Politik hier Jahrzehnte versagt hat. Hier ist noch nicht einmal aufgeführt, dass die Löhne in den sogenannten Careberufen, Pflege und Erziehung, in denen traditionell viele Frauen arbeiten, grundlos niedrig sind, so dass eine Erzieherin nie ein Einkommen erzielt, das ein Maschinenschlosser erwirbt. Würden wir diverse Maßstäbe anlegen an die Arbeitsinhalte – ökonomische, soziale und ökologische - , so arbeitet die Erzieherin für das Wohl unser aller Nachwuchs, der Maschinenschlosser arbeitet an und mit teurer Maschinen zumeist für den Export. Die einen verbrauchen bei ihren Dienstleistungen wenig Energie, andere sind Energiegroßverbraucher, um ein neues Produkt herzustellen und deren Unternehmen bekommen dafür auch noch ungerechtfertigte Rabatte. Eine Neubewertung von Erwerbsarbeiten – nicht aus der Perspektive der Extraprofite, sondern aus einer gesamtgesellschaftlichen Sicht -  ist überfällig. Auch darüber hinaus gehen viele unbezahlte Tätigkeiten, die gleichermaßen noch immer ungerecht zwischen den Geschlechtern verteilt, in die Organisation unseres Zusammenlebens und auch unseres Erwerbslebens ein. Deren Unsichtbarkeit ist ein politisches Problem, das wir endlich ernst nehmen müssen. Dahin ist es offenbar noch ein weiter Weg.

Seit sechs Jahren wird der Equal Pay Day genutzt, um auf den Lohnraub, den Frauen jährlich und in ihrem gesamten Berufsleben – hierzulande und weltweit – erleben, aufmerksam zu machen. In Deutschland ist der Gender Pay Gap unverändert hoch. Die 22 Prozent Lohnunterschied, die alljährlich folgenlos auch von der herrschenden Politik beklagt werden, werden in Europa nur noch von Österreich und Estland überboten. Die regionalen Unterschiede sind hierzulande erheblich. Während in den östlichen Bundesländern die Lohnlücke 8 Prozent beträgt, leider steigend, liegt sie in Baden-Württemberg mit 27 Prozent am höchsten, gefolgt von Bayern, dem Saarland und Hamburg mit 25 Prozent. Sind das nicht mehrheitlich Bundesländer, die sich immer ihrer besonderen wirtschaftlichen Potenz rühmen? Menschenrechtlich und frauenpolitisch haben auf jeden Fall Nachholbedarf und genau genommen haben sie doch die Mittel dafür, diese ungerechtfertigten Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern besonders schnell abzubauen. Der Gender Pay Gap steigt mit der Karriereleiter, mit dem Alter und mit dem Bildungsabschluss. Auch das sollte uns bei den politischen Maßnahmen, ihn zu beseitigen, beschäftigen.

Die Große Koalition hat kleine Schrittchen vorgelegt: Berichtspflicht zur Gleichstellung für Unternehmen, individuelles Auskunftsrecht - alles in Betrieben über 500 Beschäftigte - , auch sollen die Tarifparteien eine Neubewertung von Tätigkeiten in Angriff nehmen. Das ist alles richtig, wenn es denn konsequent gemacht wird. Doch Lohnraub an Frauen ist kein Einzelschicksal. Warum wird kein Verbandsklagerecht verankert, was den traurigen Ergebnissen einer individuellen Auskunft dann auch erfolgreich zu Leibe rücken kann? Warum wird Frauen dann der individuelle Klageweg zugemutet, den sie sich vielleicht finanziell nicht leisten können? Besser wäre es doch, wenn Gewerkschaften, Verbände oder die Antidiskriminierungsstelle diese massenhaft verletzten Rechte einklagen könnten, denn Lohnraub ist kein Kavaliersdelikt.

 

linksfraktion.de, 21. März 2014