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Was sich ändern muss - die Lehren aus dem NSU-Komplex

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Der Satz von Thomas Haldenwang klang wie ein Versprechen. "So etwas wie NSU könnte sich mit den heutigen Methoden und Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden nicht wiederholen." Gesagt hat ihn Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Mitte Oktober anlässlich des 10. Jahrestages der Selbstenttarnung des NSU. Doch stimmt das oder macht sich Haldenwang möglicherweise etwas vor? Grund zur Entwarnung scheint es angesichts dreier rechtsterroristischer Anschläge seit 2019 – der Mord an Walter Lübcke, der Anschlag auf die Synagoge in Halle mit zwei Toten und neun rassistische Morde in Hanau – nicht zu geben.

Der erste NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages endete 2013 mit 47 Empfehlungen, die sich vor allem an Polizei, Justiz und Verfassungsschutz richteten und ihren Ausgangspunkt im offensichtlichen Versagen der Behörden im NSU-Zusammenhang hatten. Schon 2016 hat DIE LINKE. im Bundestag die Bundesregierung zur Umsetzung dieser Empfehlungen befragt (siehe: Große Anfrage aus der 18. Wahlperiode). Zwar sind laut Antwort der Bundesregierung formal alle Empfehlungen umgesetzt worden, inhaltlich blieben jedoch viele Punkte offen (Eine ausführliche Einschätzung in dem Artikel "Der NSU und das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden"). 

Gehört abgeschaftt, besteht aber weiter: das V-Leute-System

Die sofortige Abschaffung des V-Leute-Systems der Verfassungsschutzämter hätte eine unbedingte Schlussfolgerung aus den Erfahrungen des NSU-Komplexes sein müssen. Tatsächlich wurde die gesetzliche Grundlage neu gefasst, aber das System besteht weiter fort. Die Linksfraktion hat damals und bis heute die sofortige Abschaffung dieses Systems gefordert und tritt dafür ein, den nicht reformierbaren Inlandsgeheimdienst durch eine "Unabhängige Beobachtungsstelle Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus" zu ersetzen.

Struktureller Rassismus war ein zentrales Hindernis bei den polizeilichen Ermittlungen, durch den ein rassistisches und extrem rechtes Tatmotiv nie ernsthaft in den Blick genommen wurde. Deswegen soll bei entsprechenden Taten Rassismus als mögliches Tatmotiv immer verpflichtend berücksichtigt werden. Der Blick auf die Realität zeigt aber, dass Rassismus in den Sicherheitsbehörden selbst ein größeres Problem ist. Die Aufdeckung extrem rechter Chatgruppen, das Nordkreuz-Netzwerk und zahlreiche weitere Vorfälle zeigen, dass eine unabhängige wissenschaftliche Studie zum Thema Rassismus in den Sicherheitsbehörden eine richtige Forderung ist.

Aus Sicht der Linksfraktion bedarf es unabhängiger Polizeibeobachtungsstellen in den Ländern und im Bund, um den Betroffenen falscher und in Teilen strukturell rassistischer Polizeiarbeit Unterstützung zu gewähren. Schließlich muss es darum gehen, die Opfer rechter und rassistischer Gewalt besser zu schützen und den Motiven der Täter eine konträre Logik entgegenzusetzen. Ein Bleiberecht für die Opfer rechter und rassistischer Gewalt wäre eine solche Umkehrung.

Die Fraktion DIE LINKE hat ihre umfassenden Forderungen in zwei Sondervoten zu den NSU-Untersuchungsausschüssen formuliert (Sondervotum der 18. Wahlperiode und der 17. Wahlperiode).

»Tag X«: Rechte Szene entwaffnen

Der NSU hat sich als "Netzwerk von Kameraden" begriffen. Diese Aussage gilt es ernst zu nehmen. Die Netzwerkstruktur der extremen Rechten muss heute sehr viel stärker im Fokus stehen und auch in ihrer virtuellen Dimension begriffen werden. Schließlich muss die Bewaffnung der Naziszene, ihre Vorbereitungen auf einen "Tag X", ernstgenommen und mit hohem Druck verfolgt werden.

Sehr vieles im NSU-Zusammenhang und zur extremen Rechten generell wird nicht von den Sicherheitsbehörden, sondern von einer engagierten antifaschistischen Recherche ans Licht befördert. Diese gilt es zu fördern und nicht länger an den Rand zu drängen und zu kriminalisieren.