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Warum das neue Suchverfahren für Atommüll-Standorte Müll ist

Im Wortlaut von Dorothée Menzner,

Von Dorothée Menzner, energiepolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

 


Ein „neues, offenes und transparentes“ Suchverfahren für Atommüll-Endlager, wie seine Verfasser es nennen, wird zur Zeit im Eiltempo durch das Parlament gejagt. Ein Suchverfahren für Atommüll-„End“-lager ist nicht nur ein wissenschaftlich-technologisches Problem, sondern ein ethisches und philosophisches Dilemma. Wie schafft man es, Atommüll über eine Million Jahre tatsächlich von Mensch und Biosphäre fernzuhalten? Sollte man ihn für immer begraben oder rückholbar für neue technische Lösungen der nächsten Generationen zugänglich lassen?

Solche grundlegenden Fragen wurden niemals diskutiert. Die Endlagerbemühungen in Deutschland erschöpften sich vielmehr in einer Reihe von Pannen, Manipulationen, Schönfärbereien und Katastrophen, das zeigen die absaufende Asse und Morsleben und das beweist eindrucksvoll der Jahrzehnte andauernde gesellschaftliche Großkonflikt um Gorleben.

Nun sollte man annehmen, dass ein Neuanfang in der Endlagersuche diesen bisherigen Problemen Rechnung trägt und man versucht, sie künftig zu vermeiden. Doch nichts davon! Es gibt keine Aufarbeitung der bisherigen Fehler. Es gibt keinen echten und legitimen Dialog mit Umweltverbänden und Bürgerinnen und Bürgern. Es gibt keine Offenheit des Verfahrens, da das politisch verbrauchte und ungeeignete Gorleben weiter zur Debatte steht und gesetzliche Regelungen bereits wieder zu Vorfestlegungen führen, die nicht oder nur schwer umkehrbar sind. Es gibt keine lang angelegte und gründliche gesellschaftliche Debatte, die das Verfahren selbst im Hinblick auf das „Wie“ der Verwahrung und des Suchverfahrens erst einmal wissenschaftlich und ethisch erörtert.

Es wird also gar nicht bei Null begonnen, wie die Konsensträger von CDU/FDP, SPD und Grünen so gern behaupten. Stattdessen geschieht Folgendes: Der Gesetzentwurf regelt das Verfahren, über das erst einmal diskutiert werden müsste, bereits im Vorhinein. Er schafft dazu ein neues Bundesamt, über dessen Zweck eine gleichzeitig einzusetzende Kommission, die das Gesetz evaluieren soll, erst einmal beraten müsste. Mit Macht drängen Umweltministerium und die schwarz-gelbe Koalition auf die Einrichtung dieses Bundesamts, und zwar am quasi letzten Sitzungstag der Legislaturperiode. Es stellt sich die Frage: Warum diese Eile? Ein Bundesamt, das in Zukunft über die Hoheit der Endlagerfrage verfügt, kann vor der Bundestagswahl noch personell nach Gutdünken der amtierenden Regierung besetzt werden, danach nicht mehr. Und die Begeisterung einiger Atomlobbyisten über dieses Bundesamt erschien in der öffentlichen Anhörung zum Gesetzentwurf im Umweltausschuss so bemerkenswert, dass man zu dem Schluss kommen muss, die Schlüsselstellen seien bereits besetzt. Man muss sich ernsthaft fragen, welche Rolle die Konsens-Parteien SPD und Grüne, die sich selbst je nach politischer Großwetterlage mehr oder weniger als Anti-Atom-Parteien hervortun, hier spielen.

Die Boykott-Haltung der Umwelt- und Anti-Atomverbände gegenüber dem neuen Machwerk „Standortauswahlgesetz“ macht eindrucksvoll klar, dass dieser Atommüll-Konsens, den DIE LINKE übrigens nicht mitträgt, niemals ein gesellschaftlicher Konsens werden kann. Der LINKEN geht es aber keinesfalls um eine Blockadehaltung gegenüber einem echten Neustart in der Frage der Atommüllverwahrung. In den nächsten 30 Jahren werden wir kein Endlager brauchen, da die Castoren ohnehin noch so lange abkühlen müssen. Nach gegenwärtiger „Atomausstiegs“-Lage werden die letzten Brennelemente frühestens im Jahr 2070 in ein Endlager verbracht werden können. Also nehmen wir uns doch die Zeit und planen mit den Menschen gemeinsam einen echten Neuanfang mit der gebotenen Sorgfalt, Diskussion und Aufarbeitung der Fehler. So – und nur so – kann ein gesellschaftlicher Konsens hergestellt werden. Andernfalls ist kein Atommüll-Standort-Gesetz das Papier wert, auf dem es steht und gehört selbst in den Müll.

linksfraktion.de, 13. Juni 2013