Zum Hauptinhalt springen

Vorsicht, wenn die SPD links blinkt

Periodika,

DIE LINKE fordert als einzige Partei: »Raus aus Afghanistan«.Ihr seid dafür bekannt, in der Politik und persönlich besonders engagiert gegen den Krieg einzutreten. Welche Gründe habt ihr dafür?

Luc:Ganz einfach: Weil ich so alt bin, wie ich bin. Ich war drei, als der Zweite Weltkrieg begann, und sechs, als meine Familie in Düsseldorf ausgebombt wurde und alles verlor. Viele meiner Mitschüler starben in einem Bombenangriff. Ich werde nie vergessen, wie all diese toten Kinder im Klassenzimmer aufgebahrt wurden.

Hast du den Krieg auch am eigenen Leib erlebt?

Luc: Ja. Ich bin durch Phosphorbomben verbrannt worden und erlitt einen Oberschenkeldurchschuss durch Splitter. Meine ganze Kindheit war geprägt von diesem Krieg.

Niema, du bist 25 Jahre alt und hast persönlich nie Krieg erlebt. Woher kommt deine Antikriegs-Haltung?

Niema: Durch den Kosovokrieg 1999. Als Deutschland in den ersten Krieg seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges zog, war ich fünfzehn. Da fing ich an, über Krieg und Frieden nachzudenken, und trat in die damalige PDS ein. Die Frage von Krieg und Frieden ist einer meiner gewichtigsten politischen Beweggründe.
Luc: Wie bei mir. Wenn es ein Hauptmotiv gibt, warum ich mit 73 überhaupt noch eine zweite Legislaturperiode mitmache, dann ist es dieser starke innere Wunsch mitzuwirken, dass der Krieg in Afghanistan aufhört. Wir müssen uns endlich zurück-ziehen und als große Opposition mit anderen zusammen unsere guten Argumente durchsetzen, um die militaristische Politik der Bundesregierung endlich zu stoppen.

Was kann konkret getan werden?

Luc: Wir müssen die Demonstrationskultur wieder aufleben lassen, wie zur Zeit des Irakkrieges. Damals gingen Millionen auf die Straße. Solche Formen des Protestes sind wichtig, denn Umfragen allein, in denen die Mehrheit den Krieg ja immer wieder ablehnt, beeindrucken die Politiker nicht. Es wäre großartig, wenn wir wie beim Irakkrieg zeit-gleich mit Millionen Menschen in anderen großen europäischen Metropolen auf die Straße gingen.

Was kann die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag gegen den Krieg unternehmen?

Niema: Wir werden das Thema immer wieder auf die Tagesordnung setzen, so wie schon in den letzten Jahren. Wann immer es geht, werden wir Friedensvorschläge vorlegen, der Entsendung weiterer Soldaten nach Afghanistan widersprechen und den sofortigen Abzug der Bundeswehr fordern.
Luc: Man sollte nicht unterschätzen, was sich in der Bundeswehr selbst tut. Neulich sprach ich mit zwei Grundauszubildenden, die gerade auf dem Weg in die Kaserne waren. Sie erzählten, dass ihnen der Kommandeur gesagt habe: »Wenn sich einer von euch für Afghanistan meldet, dann mach ich ihn so fertig, dass ihn die Mutter nicht mehr erkennt.« Aus Fürsorge. Nach dem Motto, seid doch nicht so blöd und geht in diesen sinnlosen Krieg!

Niema, wie fühlten sich die ersten Tage als Abgeordneter an?

Niema: Eine unglaubliche Umstellung. Allein, was da an Post kommt, jeden Tag ein riesiger Stapel. Zum Glück bekomme ich den relativ schnell reduziert, weil bis zu 80 Prozent Lobbyistenbriefe dabei sind, Banken oder Versicherungen, die zu Gesprächen einladen wollen. Dazu ein Termin nach dem anderen, der Wahnsinn.
Luc: Ich habe das auch erlebt. Zwar hatte ich durch meine Arbeit als Chefredakteurin langjährige Erfahrung - aber dennoch, das hier ist etwas ganz anderes. Zum Beispiel das Rednerpult. Ich habe ja in meiner Zeit als Fernsehjournalistin weiß Gott viele Reden gehalten. Aber dieses Rednerpult im Bundestag, das ist schon ein ganz besonderer Ort, an dem man seine Gedanken und Argumente vorbringt.

Kannst du dich noch an deine erste Rede erinnern?

Luc: Da hatte ich ein ganz sonderbares Lampenfieber, eines, das ich bis dahin nie hatte. Trotz all der Jahrzehnte vor Kameras und Mikrophonen.

Niema, wenn du das hörst, was geht dir dabei durch den Kopf?

Niema: Ich freue mich wahnsinnig darauf, und ich halte auch gerne Reden. Aber dieses Pult ist schon sehr Respekt einflößend.
Luc: Die Jungfernrede wird ja auch immer ganz besonders hervorgehoben. Da gilt auch die Regel, dass es keine Zwischenrufe gibt. Anschließend klatschen sogar alle, selbst, wenn du von der Linksfraktion bist.
Niema:(schmunzelt und sagt) Wunderbar, dann kann man ja etwas richtig Provozierendes sagen! Nein, Spaß beiseite, ich freue mich darauf, endlich inhaltlich arbeiten zu können, sobald die Zeit der Eingewöhnung vorbei ist.
Luc: Niema, studierst du noch Jura? Niema: Nein, ich bin gerade fertig geworden.
Luc: Wunderbar, ich wollte gerade die Großmutter raushängen lassen und sagen: »Junge, mach bloß einen Fehler nicht, und werde als abgebrochener Student Berufspolitiker.«
Niema: Mir war es sehr wichtig, als Jurist mein erstes Examen zu haben. Jetzt bin ich Diplomjurist und nicht abhängig von der politischen Laufbahn. Diese Unabhängigkeit ist mir ganz wichtig.

Luc, welchen Ratschlag würdest du als erfahrene Parlamentarierin deinem jungen Kollegen geben?

Luc: Bloß nicht Bange machen lassen vor den Ritualen im Parlament, sich nicht einschüchtern lassen und nichts persönlich nehmen. Wenn du in einem Ausschuss etwas vorträgst, gute Argumente bringst und Vertreter von anderen Parteien vielleicht sogar Zustimmung signalisieren, stimmen sie dich doch immer wieder eiskalt im Parlament nieder. Nimm das bloß nicht persönlich!

Ein Blick nach vorne. Die SPD hat jetzt neben der Linksfraktion auf der Oppositionsseite im Bundestag Platz genommen. Was heißt das für die parlamentarische Arbeit?

Luc: Einerseits müssen wir unsere bisherige gute Arbeit fortsetzen, unsere Ideen und Positionen immer wieder ins Parlament einbringen. Ganz wichtig dabei sind zwei Mittel: Debatte und namentliche Abstimmung. Wir insistieren besonders auf der namentlichen Abstimmung. Da kann sich kein Abgeordneter verstecken - wie so oft bei den Sozialdemokraten. An der Basis sagen sie, ich war dagegen, und im Parlament stimmen sie dafür - das wird nicht mehr so einfach, wenn wir die namentliche Abstimmung fordern.
Niema: Und wir werden aufpassen, wenn die SPD anfängt, links zu blinken. Wir haben ja gesehen, wie die Sozialdemokraten in den letzten Jahren immer rechts, also neoliberal, gefahren sind. Von einem taktischen Blinken werden wir uns nicht beeindrucken lassen. Wir werden der SPD immer den Spiegel vorhalten und sagen: »Liebe SPD, jetzt bist du für einen Mindestlohn, warum nicht schon vorher? Warum plötzlich Börsenumsatzsteuer? Ihr hättet das alles schon haben können, vorher.«
Luc: Ganz genau, warum hat die SPD das nicht gemacht, als sie an der Macht war?
Niema: Diese Frage werden wir immer wieder stellen. Bisher hat die SPD jedenfalls keinen Schnitt gemacht. Steinmeier ist weiter dabei, sogar als Fraktionsvorsitzender, ich sehe keine wesentliche Veränderung.
Luc: Umso mehr müssen wir anknüpfen an unsere Beharrlichkeit. Auch wenn die anderen Parteien unsere Vorschläge immer ablehnen, unsere Ideen wirken dennoch. DIE LINKE wirkt, das hat die vergangene Legislaturperiode in vielen Bereichen bewiesen.

Das Gespräch führte Benjamin Wuttke