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Visa-Warndatei trifft auf einhellige Experten-Kritik

Nachricht von Ulla Jelpke,

Bei einer Anhörung des Bundestags-Innenausschusses am Montag abend trafen die Pläne der schwarz-gelben Regierung zur Errichtung einer "Visa-Warndatei" bei den geladenen unabhängigen Sachverständigen auf einhellige Kritik. Nur die dem Bundesinnenministerium unterstellten Vertreter des Bundeskriminalamtes (BKA) und der Bundespolizei verteidigten den vorliegenden Gesetzentwurf. Dieser sieht neben der Visa-Warndatei noch einen automatisierten Abgleich aller am Visumverfahren beteiligten Personen mit der so genannten Anti-Terror-Datei vor. Dieses Verfahren wurde nur vom BKA verteidigt, die unabhängigen Experten sahen hingegen einen verfassungswidrigen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Die Sachverständigen äußerten auch Zweifel, ob das Vorhaben der Regierung mit Europarecht vereinbar sei. Sie wiesen schließlich darauf hin, dass im Bereich des Ausländerrechts bereits zahlreiche Datensysteme bestehen, die ganz ähnliche Ziele verfolgen wie die nun geplante neue Zentraldatei.

Auch der von der FDP geladene Vertreter des Bundesverbands der Deutschen Industrie teilte die Kritik und die Sorgen der anderen Sachverständigen: Bereits unbeabsichtigte Fehlangaben im Visumverfahren zu nebensächlichen Punkten könnten dazu führen, dass Antragstellern - z.B. Geschäftspartnern - ein Visum künftig versagt wird. Denn eine Prüfung, ob falsche Angaben vorsätzlich oder versehentlich erfolgten und von welcher Bedeutung diese Unrichtigkeiten überhaupt sind, sieht das Gesetz nicht vor. Eine Folge des Gesetzes kann deshalb sein, dass einladende Personen und Organisationen bzw. solche, die für etwaige Kosten bürgen, infolge von Irrtümern und Flüchtigkeitsfehlern in der Warn-Datei landen und deshalb künftig enorme Schwierigkeiten haben werden, überhaupt noch Personen aus dem Ausland einladen zu können. Viele Personen, Firmen, Vereine und Verbände werden also als „verdächtig“ gespeichert werden, obwohl ihnen keinerlei Visummissbrauch vorzuwerfen ist.

Der von der Fraktion DIE LINKE benannte Berliner Rechtsanwalt Sönke Hilbrans schilderte eindrucksvoll, wie eine Speicherung in der Visawarndatei in der Praxis zu einem faktischen Einreiseverbot führen wird: Angesichts eines Massenverfahrens, in dem Bundesbedienstete für jeden Visumantrag nur ca. 1-2 Minuten Zeit haben, angesichts fehlender Transparenz und Mitwirkungsrechte der Betroffenen und angesichts des Drucks auf die Mitarbeiter, im Zweifelsfall kein Risiko einzugehen, sei es eine Illusion zu glauben, ein Visum könnte nach einem entsprechenden Warnhinweis dennoch erteilt werden. Jede kleine Unstimmigkeit, jede vermeintliche Fälschung würde als Versuch einer Visumerschleichung gedeutet, wie bereits die jetzige strenge Visumpraxis zeige. Ohne sachlich nachvollziehbare Begründung werde so eine "Datensammlung mit hohem Stigmatisierungspotential" geschaffen. Statt bestehende Verfahren zu optimieren, würden aufwändige Infrastrukturinvestitionen betrieben. Die im Gesetz vorgesehene Evaluierung nach drei Jahren solle besser jetzt erfolgen, bevor nämlich Steuermittel in zweistelliger Millionenhöhe verausgabt und 23 neue Planstellen geschaffen würden.

Die Fraktion DIE LINKE sieht sich angesichts der massiven Experten-Kritik in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Vorhaben bestärkt. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Ulla Jelpke, hatte bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs erklärt: "Die Bundesregierung ist bislang jeden Beweis schuldig geblieben, dass die Einrichtung einer solchen Visa-Warndatei wirklich notwendig ist". Die "geplante Rasterung aller Personen" mit der Antiterrordatei sei "überflüssig", "vollkommen unverhältnismäßig und ein Datenmissbrauch auf breiter Front". Nach der Sachverständigen-Anhörung gilt deshalb umso mehr, was Ulla Jelpke bereits vor einem Monat im Bundestag erklärte: "Ich kann die Koalition an dieser Stelle nur auffordern: Stoppen Sie diesen Unsinn!"