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Viel Bewegung, wenig sozialer Fortschritt

Im Wortlaut von Sabine Zimmermann,

 

 

Die ersten neun Monate der 18. Wahlperiode gehen zu Ende, und der Bundestag geht in die parlamentarische Sommerpause. Unsere Arbeitskreise blicken zurück auf die großen und kleinen Herausforderungen der vergangenen Monate: Was hatten wir vor, was haben wir erreicht und was bleibt auf unserer Agenda? Für den Arbeitskreis Soziales, Gesundheit, Rente zieht dessen Leiterin Sabine Zimmermann Bilanz.

 

Bei den Themen Soziales, Gesundheit und Rente legt  die neue Bundesregierung ein schnelles Tempo vor. Manche Schritte gehen in die richtige Richtung - wie die Rente ab 63 und die bessere Anerkennung von Kindererziehung bei der Rente. Aber die grundlegenden Probleme werden nicht angegangen: Was tut sie gegen das sinkende Rentenniveau? Wann werden die Ostrenten endlich an das Westniveau angeglichen? Wann wird die Grundsicherung (Hartz IV) endlich armutsfest gemacht – ohne dass die Menschen drangsaliert werden?

Bei der großen Pflegereform legen Union und SPD die Hände in den Schoß oder marschieren wie bei der Finanzierungsreform der Krankenversicherung in die komplett falsche Richtung. Auch hat diese Regierung keinerlei Ambitionen, die Umverteilung von unten nach oben umzudrehen. Davon zeugt der kürzlich verabschiedete Haushalt 2014. Die schwarze Null steht nur, weil die Regierung in die Sozialkassen greift: Die Mütterrente wird systemwidrig über Beiträge statt über Steuern finanziert, der Zuschuss an den Gesundheitsfonds um 6 Milliarden Euro reduziert. Ein echter Kurswechsel nach jahrelangen Kürzungen im Sozialbereich bleibt aus.

Der Arbeitskreis I hat im vergangenen halben Jahr sowohl die Regierungsaktivitäten kritisch begleitet als auch eigene Themen gesetzt. Bei der Rente ab 63 kritisieren wir, dass diese nur für wenige Jahrgänge gilt, schon bald wieder eine Rente ab 65 wird und Langzeiterwerbslose ausschließt. Deshalb fordern wir einen früheren Rentenzugang für alle langjährig Beschäftigten. Bei der „Mütterrente“ wollen wir Erziehungszeiten für die Rente überall gleich anerkennen, egal ob die Kinder vor oder nach 1992, egal ob sie in Ost oder in West geboren sind. Vor allem aber kämpfen wir dafür, dass das Rentenniveau wieder auf den Stand vor den von SPD und Grünen 2001 begonnenen Kürzungen angehoben, die Rente erst ab 67 für alle abgeschafft wird und die Ostrenten endlich an das Westniveau angeglichen werden. Unseren Anfang Juli gestellten Antrag lehnten Union und SPD jedoch ab. 

Die große Koalition krempelte in ihrem ersten halben Jahr auch die Finanzierung der Krankenver­sicherung um und zementierte damit das Ende der paritätischen Finanzierung. Der Arbeitgeberanteil wurde dauerhaft auf 7,3 Prozent eingefroren. Künftige Ausgabensteigerungen müssen die Versicherten allein über einkommensabhängige Zusatzbeiträge ihrer Kasse finanzieren. Diese sind nach oben offen. Eine Deckelung ist nicht mehr vorgesehen. Das ist Umverteilung von unten nach oben. Eine langfristig solide und gerechte Finanzierung über eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege steht nicht auf der Tagesordnung der GroKo. Dass diese dringend notwendig ist, zeigten zwei vom Arbeitskreis I durchgeführte Ratschläge mit Praktiker/innen und Gewerkschafter/innen, die eindrücklich von den schwierigen Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Pflegebereich berichteten. Diese Themen werden uns auch weiterhin intensiv beschäftigen.

In den Haushaltsberatungen machten wir deutlich: Wir sind die Partei der sozialen Umverteilung und des Ausbaus des Sozialstaates. Wir beantragten unter anderem mehr Geld für höhere Regelsätze und für eine Arbeitsmarktpolitik, die Erwerbslose umfassend mit guten Angeboten fördert statt sie mit Sanktionen und schlechten Maßnahmen zu drangsalieren. Erneut brachten wir auch die Forderung nach Abschaffung der Hartz IV-Sanktionen in den Bundestag ein. Denn mit der Kürzung des Existenzminimums muss endlich Schluss sein. Es ist ein Menschenrecht und als solches nicht sanktionierbar. Die auf Bund-Länder-Ebene stattfindenden Gespräche zu einer „Rechtsvereinfachung im SGB II“ begleiteten wir durch ein Expertenfachgespräch und mehrere kleine Anfragen. Der Druck, den wir durch unsere Aktivitäten in diesem Bereich aufbauen konnten, scheint zu fruchten: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat kürzlich von einer Verschärfung der Sanktionen Abstand genommen. Auch die Kürzung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende und andere Sauereien scheinen vom Tisch zu sein. Wir glauben das aber erst, wenn uns die Regierung das schwarz auf weiß gibt und bleiben aufmerksam und aktiv.

Monatlich berechnen wir weiterhin Zahlen zur tatsächlichen Arbeitslosigkeit und weisen darauf hin, dass viel mehr Menschen erwerbslos oder unterbeschäftigt sind, als in den offiziellen Zahlen ausgewiesen.

Was ist unser Plan für die zweite Jahreshälfte? Wir wollen uns vor allem mit dem Recht auf gute Pflege, Fragen der Krankenhausfinanzierung, der Bekämpfung der Langzeiterwerbslosigkeit sowie flexiblen Übergänge in die Rente beschäftigten und Motor für sozialen Fortschritt sein. Auch den Wert und Nutzen sozialer Dienstleistungen wollen wir zu einem Schwerpunkt der Fraktionsarbeit machen. Denn ein guter und gerechter Sozialstaat braucht beides: gute Sozialleistungen und eine gute Versorgung mit öffentlich organisierten sozialen Diensten.

linksfraktion.de, 13. Juli 2014