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Verfassungsrechtliche Aspekte eines Verbots von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischwirtschaft

Nachricht von Jutta Krellmann,

In der Debatte um die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie geht es immer wieder auch um das Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen. Jutta Krellmann hat den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages um ein Gutachten gebeten, das die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Verbots untersuchen sollte. Das Gutachten (PDF) liegt nun vor. 

Zusammenfassung:

„Ein branchenbezogenes gesetzliches Verbot der Arbeitnehmerüberlassung kennt unsere Rechts-ordnung bislang ausschließlich für das Baugewerbe nach § 1b Satz 1 AÜG“ (Seite 8). Bereits 1981 war gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe gesetzlich verboten worden. Im Rahmen mehrerer Verfassungsbeschwerden hatte sich das BVerfG mit der Verfassungsmäßigkeit dieses Verbots beschäftigt. Weder Art. 14 GG, der Schutz des Eigentums, noch Art. 3 Abs. 1 GG, der allgemeine Gleichheitsgrundsatz sah das BVerfG als verletzt an. Einzig Art 12. Abs. 1 GG, die Berufsfreiheit könnte berührt sein. Eine Einschränkung der Berufsfreiheit kann aber im Interesse des Gemeinwohls gerechtfertigt sein. Dem Gesetzgeber steht dabei ein Beurteilungs- und Gestaltungspielraum zu. Das Verbot von Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe wurde im Ergebnis als verfassungskonform vom BVerfG bestätigt. 

Nach Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes lässt sich damalige Begründung auf den Sachverhalt des Verbots von Werkverträgen in der Fleischindustrie übertragen (Seite 12). Ob der Eingriff in die Berufsfreiheit verfassungskonform ist, muss auch anhand dessen geprüft werden, ob es in der Vergangenheit bereits gesetzgeberische oder sonstige Versuche gegeben hat, die bestehenden Probleme mit milderen Maßnahmen zu beheben. Dies bestätigt der wissenschaftliche Dienst unter anderem mit Verweis auf das Arbeitnehmerentsendegesetz, die GSA Fleisch und den freiwilligen Verhaltenskodex der Fleischwirtschaft. Die Beurteilung der Maßnahmen unterliegt dem Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers. Dieser hatte im Arbeitsschutzprogramm für die Fleischindustrie weiteren Handlungsbedarf angezeigt. 

Auch die Tatsache, dass Betriebe des Fleischereihandwerks von dem Verbot ausgeschlossen werden sollen verstößt nach Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art 3 Abs. 1 GG. Die Betriebe des Fleischereihandwerks mit meist weniger als zehn Beschäftigten unterscheiden sich sachlich von den Betrieben der Fleischerindustrie, so dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt wäre (Seite19). 

Zu bedenken gibt der wissenschaftliche Dienst, ob ein Verbot von Werkverträgen wirklich geeignet sei, um das Ziel der Eindämmung des Pandemiegeschehens zu erreichen. Außerdem müsse für eine abschließende Beurteilung der konkrete Gesetzesentwurf und die Begründung abgewartet werden (Seite 20). 

Jutta Krellmann, MdB, Sprecherin für Mitbestimmung und Arbeit für DIE LINKE im Bundestag, kommentiert: 

„Die Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes bestätigt unseren Standpunkt. Um die Rechte der Beschäftigten zu schützen kann der Gesetzgeber auch klare Verbote aussprechen. Wenn alle anderen Maßnahmen nicht gewirkt haben ist es folgerichtig und konsequent das gesamte Geschäftsmodell des Werkvertrages zu verbieten.

Die massiven COVID-19 Ausbrüche bei Tönnies in Gütersloh belegen erneut, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. Es ist richtig, dass das Verbot von Werkverträgen allein nicht ausreichen wird, um die Gesundheit der Beschäftigten zu sichern. Es ist aber auch richtig, dass die Maßnahmen gegen diese äußerst beschissenen Arbeitsbedingungen vor Jahren hätten ergriffen werden müssen. Wir müssen jetzt handeln. Wir brauchen konsequente Kontrollen, starke Betriebsräte und ein Verbandsklagerecht der Gewerkschaften.“