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Verbraucherbetrug mit System

Im Wortlaut von Karin Binder,

Von Karin Binder, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

 

 

Nach Gammelfleisch, Dioxin und Krankheitskeimen im Essen wird uns jetzt also der Etikettenschwindel mit Pferdefleisch aufgetischt. Natürlich spricht die Lebensmittel-Industrie wieder von "bedauerlichen Einzelfällen". Die Bundesregierung fordert "rückhaltlose Aufklärung" und holt wieder einen Aktionsplan aus der Schublade. Statt die offensichtlichen Gesetzesmängel aber endlich zu beseitigen, erteilt Bundesministerin Aigner Prüfaufträge und schaltet Verbraucher-Hotlines. Verbraucherschutz sieht anders aus.

Der aktuelle Pferdefleisch-Skandal zeigt: Die angeblich lückenlose Kontrolle in der Lieferkette ist ein Märchen der Lebensmittelindustrie. Tatsächlich haben die großen Handelsketten keine Ahnung, was in den Produkten ihrer Eigenmarken steckt. Sie vertrauen darauf, nicht erwischt zu werden. Die Verbrauchertäuschung steckt im undurchsichtigen System der Selbstkontrolle durch die Hersteller. Behörden überprüfen nur, ob die Unternehmen ihre Waren auch auf Rückstände oder richtige Kennzeichnung prüfen. Oft muss ein amtlicher Kontrolleur über 1 000 Betriebe überwachen. Da bleibt viel Raum für Tricksen und Täuschen.

Da keine Besserung eintritt, wird die Schuld gern auf die Verbraucher abgewälzt. Wer billig einkauft, dürfe sich nicht wundern. Doch zwischen Beruf, Familie und Alltagsstress bleibt meist wenig Zeit, sich am Supermarktregal mit jedem einzelnen Produkt auseinander zu setzen. Die Leute müssen sich darauf verlassen können, dass mit dem Essen alles in Ordnung ist. Und: Immer mehr Menschen müssen aufs Geld achten. Aber auch ein hoher Preis ist kein Beleg für eine gute Produktqualität. Eine unbequeme Wahrheit ist auch, dass Niedrigstpreise durch miese Beschäftigungsbedingungen, Tierquälerei und Umweltschäden gesellschaftlich teuer erkauft werden.

Wir müssen festhalten, dass der Lebensmittelhandel keine Sozialpolitik betreibt. Für ihn geht es bei der Preisfestlegung um einen gnadenlosen Verdrängungswettbewerb. Den verliert dann der kleine Lebensmittelhandwerker. Die Frage, ob sich alle Menschen Lebensmittel leisten können oder ob Beschäftigte gerecht entlohnt werden, spielt für Unternehmen wie Lidl, Aldi und Edeka kaum eine Rolle. Es ist Aufgabe des Staates, die soziale Teilhabe und somit auch den ausreichenden und würdigen Zugang zu Lebensmitteln verlässlich sicherzustellen. Denn selbst Sonderangebote können für einen armen Menschen noch zu teuer sein. Menschen, die nur ein kleines Einkommen zur Verfügung haben oder staatliche Hilfeleistungen beziehen müssen, dürfen nicht gezwungen sein, minderwertige Lebensmittel zu essen oder Niedrigstlöhne und Umweltschäden in Kauf zu nehmen. Dafür machen wir uns stark.

Übrigens: Wer weniger Fleisch isst, entlastet Umwelt und Klima. Die enormen Anbauflächen für industrielles Tierfutter führen zur Urwaldvernichtung und zu Landraub in ärmeren Ländern. Es lohnt sich also, die Frage zu stellen, ob es jeden Tag Fleisch sein muss. Allerdings sind Essgewohnheiten kulturell vielfältig und tief verwurzelt. Wir sollten uns also davor hüten, Essverbote auszusprechen. Nachhaltig essen geht nur über Genuss, über das gemeinsame Kochen und Kreativität.

linksfraktion.de, 20. Februar 2013