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Union und FDP bedienen Lobbyisten zulasten kommender Generationen

Im Wortlaut von Jutta Krellmann,

Erst Steuergeschenk, dann Schuldenbremse: Jutta Krellmann von der Links-Partei wirft der Bundesregierung vor, Lobbyisten zu bedienen und folgenden Generationen vorzuschreiben, wie mit Staatsgeldern umzugehen sei. Ihr Lösungsvorschlag ist nicht neu.

Stefan Heinlein: Mehr Netto vom Brutto, so die vollmundige Versprechung im Wahlkampf. Die ersten Steuergeschenke kommen nun zum Jahreswechsel. Doch das böse Erwachen folgt wohl in der zweiten Jahreshälfte. Es muss gespart werden. Wo und wie will die Bundesregierung allerdings erst später verraten. Noch wird die mögliche Liste der Grausamkeiten hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Meldungen dieser Woche über eine geplante Erhöhung der Sozialabgaben werden heftig dementiert, und darüber hat mein Kollege Christian Bremkamp mit der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Linken, Jutta Krellmann von der Linkspartei, gesprochen und sie zunächst gefragt, ob langfristig die Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung unvermeidlich ist.

Jutta Krellmann: Als damals die Beiträge gesenkt wurden, hat die Linke das für einen Fehler gehalten. Das ist im Grunde ein Fehler der vergangenen Regierung. Aus unserer Sicht haben diese Beitragssenkungen bei den Arbeitnehmern nicht wirklich viel gebracht, aber waren im Grunde ein Milliarden-Geschenk an Arbeitgeber, die eben diesen Teil für sich selbst behalten können. Das wurde noch vor der Wahl gemacht und nach der Wahl hat man dann eine andere Lobby bedient, indem man die Mehrwertsteuer gesenkt hat für Hoteliers und Hotelübernachtungen. Im Grunde macht diese Regierung einfach nur Politik im Interesse ihrer Lobby-Organisationen, die sie entsprechend auch unterstützt haben.

Christian Bremkamp: Bleibt die Frage: Wo soll das Geld herkommen, was jetzt benötigt wird?

Krellmann: Ich sage mal so: Ich bin nicht die Regierung und man fragt mich an vielen Stellen nicht. Wenn mich im Betrieb jemand fragt, wenn Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, bin ich der Meinung, schlechte Nachrichten müssen die Arbeitgeber selber den Arbeitnehmern sagen und genau das Gleiche gilt für diese Bundesregierung. Aus unserer Sicht haben die einen Fehler gemacht, das überhaupt zu senken. Deswegen müssen die jetzt, wenn es notwendig sein sollte, auch den Arbeitnehmern klar machen, warum das jetzt nun wieder anders herumlaufen soll.

Bremkamp: Aber sind Sie gegen eine Beitragserhöhung generell, oder wie stellen Sie sich das vor? Was soll in der Zukunft passieren?

Krellmann: Generell nicht, weil wenn das Geld genutzt werden sollte für Arbeitslose und für Menschen und für den Erhalt von Arbeitsplätzen in den Betrieben - mir und uns ist völlig klar, dass Kurzarbeit natürlich Geld kostet. Wir haben einen Antrag gestellt als Linke, dass wir gerne möchten im Interesse von Menschen, die arbeitslos werden, dass Arbeitslosengeld-1-Bezug verlängert wird auf zwei Jahre, und uns ist schon klar, dass das auch entsprechend bezahlt werden muss.

Bremkamp: Sollte Ihrer Meinung nach mehr Geld dauerhaft aus dem Bundeshaushalt in die Kassen der Arbeitsagentur fließen, oder sollten die Beiträge erhöht werden und wenn, wie hoch?

Krellmann: Da fehlen mir die entsprechenden Grunddaten. Das kann ich Ihnen überhaupt nicht sagen, wie hoch. Im Grunde war es früher ja so, dass es eine Defizithaftung gegeben hat. Wenn in der Bundesagentur für Arbeit Geld fehlte, dann war klar, dass das übernommen werden musste, wenn es sein muss aus Steuermitteln, und dieses Konstrukt, das zu machen, das war aus unserer Sicht richtig und man könnte das auch in der Zukunft wieder so machen. Das würde bedeuten, wenn Defizite entstehen - und die sind massiv ja jetzt schon entstanden, auch durch die Absenkung der Beiträge, die einfach nicht nötig gewesen ist -, dass diese Defizite gedeckt werden könnten aus der Defizithaftung des Bundes.

Bremkamp: Aber nicht grenzenlos?

Krellmann: Das ging jedes Jahr so und wir gehen davon aus, dass die Krise ja auch nicht grenzenlos dauert. Wenn man jetzt einfach sagen würde, wir erhöhen die Beiträge, dann wäre das im Grunde, um die Krise zu überwinden, absolut kontraproduktiv, weil das würde bedeuten, die Kaufkraft für Leute wird wieder geringer, und das würde bedeuten, man nimmt es genau da, wo es eigentlich nötig wäre, nämlich dass es wieder in einen Wirtschaftskreislauf fließt. Insofern würde es Sinn machen, einfach jetzt lieber den Menschen Arbeit zu erhalten, den Menschen Einkommen zu erhalten, und wie das denn anschließend finanziert wird, das müssen wir uns angucken, wenn es gelungen ist, die Wirtschaft wieder nach vorne zu entwickeln.

Bremkamp: Im nächsten Jahr bekommt die Bundesagentur für Arbeit 16 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt, aber in ein paar Jahren greift die Schuldenbremse. Bis 2016 soll die Neuverschuldung des Bundes um 16 Milliarden Euro reduziert werden. Wie soll das gehen Ihrer Meinung nach, wenn weiterhin dauerhaft Geld aus dem Bundeshaushalt an die Arbeitsagentur fließen soll?

Krellmann: Wissen Sie, wenn Sie mich fragen, war eine der schlechtesten Maßnahmen, die die damalige Regierung noch vor den Wahlen gemacht hat, eine Schuldenbremse einzuführen. Was ist das denn für eine Botschaft an zukünftige Generationen? Die haben praktisch jetzt schon klar gemacht, dass man in Zukunft kein Geld mehr ausgeben kann. Das kann doch wohl nicht wahr sein. Welches Geld man einnimmt, welches Geld man ausgibt, das muss doch die jeweilige Generation entscheiden.

Bremkamp: Also soll Ihrer Meinung nach eigentlich alles so bleiben, wie es ist?

Krellmann: Nein. Das will ich damit nicht sagen. Ich finde, es müsste ganz viel gemacht werden. Das ist gar keine Frage.

Bremkamp: Zwei Punkte! Sagen Sie uns zwei Punkte!

Krellmann: Ein wichtiger Punkt würde viele Sachen lösen. Man müsste einfach mal schauen, wie denn Gelder jetzt schon verteilt sind und wie man sie anders verteilen kann. Das Stichwort Verteilung, das ist eine Schlüsselfunktion, wenn ich auch mal ansetzen würde, dass ich von Arbeitgebern was nehmen kann, oder von Besserverdienenden, oder das Stichwort Börsenumsatzsteuer und so weiter, Transaktionssteuer. Das wird doch alles nicht gemacht. Da muss man doch nur mal fragen, wieso denn eigentlich nicht. Das geht in die Richtung, dass eine Lobby-Politik betrieben wird, die einfach nicht sein kann. Der Schlüssel wäre, das Wort Verteilung in die Hand zu nehmen und zu gucken, wie was verteilt ist und wie man Menschen was geben kann, und nicht immer nur denen, die wenig haben, noch mehr zu nehmen.

Heinlein: Jutta Krellmann von der Linkspartei im Gespräch mit meinem Kollegen Christian Bremkamp.

Deutschlandfunk, 23. Dezember 2009