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»Unbequeme Fragen mögen sie nicht«

Im Wortlaut von Steffen Bockhahn,

Steffen Bockhahn, für die Fraktion DIE LINKE Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium, äußert sich im Interview zu Innenminister Friedrichs gestrigem Bericht vor dem geheim tagenden Gremium, mangelhafte parlamentarische Kontrollmöglichkeiten und der fortlaufenden Beschneidung von Bürgerrechten seit 2001.

 

Steffen Bockhahn, Sie haben gestern im Parlamentarischen Kontrollgremium Innenminister Friedrich in Sachen NSA, Prism und seiner Reise in die USA befragen können. War das aufschlussreich?

Es hat leider meinen Erwartungen entsprochen und die waren nicht sehr groß. Minister Friedrich scheint vor allem neidisch zu sein auf das, was die USA und Großbritannien da alles machen. So richtig zu stören scheint ihn das nicht.

Wie sinnvoll ist es, dass gerade in diesem Fall auch wieder alle Informationen, die Sie bekommen, geheim bleiben müssen?

Wenn wir wirklich heiße Informationen bekommen hätten, wäre das in Teilen unter Umständen zu akzeptieren. In der Regel ist das, was wir im Parlamentarischen Kontrollgremium erfahren, aber nicht mehr als das, was zwei Tage vorher in der Zeitung stand. Die Regierung möchte nicht, dass die Abgeordneten zu viel erfahren. Die Geheimdienste berichten nur, was sie unbedingt müssen, und unbequeme Fragen mögen sie nicht. Das hält mich allerdings selten davon ab, sie trotzdem zu stellen. Die Antworten wären gelegentlich tatsächlich auch von öffentlichem Interesse.

Vor dem Hintergrund all dessen, was Sie bislang wissen: Ändern Sie jetzt Ihr Verhalten in Bezug auf persönliche Daten?

Ich bin auch bisher mit meinen Daten sorgsam umgegangen und empfehle allen, das auch so zu tun. Wenn aber Herr Friedrich nun im Zusammenhang mit diesem Abhörskandal dazu aufruft, die eigenen Daten zu schützen, ist das zynisch. Die NSA hat 38.000 Mitarbeiter und mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Wenn die wollen, knacken die auch kryptografierte Mails. Der einzige Unterschied ist, dass sie sich etwas mehr anstrengen müssen.

Bundesregierung und BND bleiben auch weiterhin bei der Aussage, dass sie vom Ausmaß der Überwachung durch die NSA nichts gewusst haben. Wie glaubwürdig ist das?


Wer keine Fragen stellt, bekommt nur selten Antworten. Man wusste und weiss über die Größe der Dienste, die uns da ausspionieren. Man kann sich auch vorstellen, was die alles können. Aber ob sie solche Programme wie PRISM und Tempora machen, das fragt man gar nicht erst. Wahrscheinlich findet man es eigentlich gar nicht schlimm, vor allem aber will man weiter von den Erkenntnissen profitieren. Und einem geschenkten Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul.


Wie glaubwürdig ist es, wenn Peer Steinbrück Angela Merkel vorwirft, ihren Amtseid verletzt zu haben? War Gerhard Schröder besser?


Die SPD hat mit den Grünen und der Union nach 2001 die Grundrechte beschnitten wie keine Regierung zuvor seit den 1970er Jahren. Sie ist mehrheitlich deutlich für die Vorratsdatenspeicherung, die wir vehement ablehnen. Wenn die SPD jetzt für Aufklärung ist, finde ich das gut. Aber als Verteidigerin der Bürgerrechte sehe ich sie noch lange nicht.


Wenn der BND nicht genug über die NSA-Datenkrake gewusst hat - wird er dann seiner Aufgabe überhaupt gerecht?

Der BND hat gemeinsam mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz die Aufgabe, uns vor Spionage zu schützen. Dabei waren sie offenbar nur begrenzt erfolgreich, weil sie immer nur in eine Richtung schauen. Auf jeden Fall sollten beide Dienste endlich begreifen, dass Spitzel keine vertrauenswürdigen Partner sind, egal für wen sie arbeiten. Aber Geheimdienste, die Offenkundiges nicht sehen, scheinen in Deutschland ja leider eher die Regel als die Ausnahme zu sein.


Noch einmal zurück zum Parlamentarischen Kontrollgremium: Wie kann das Parlament die Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht nur kontrollieren, sondern auch effektiv schützen?

Zum einen müssten dazu alle Abgeordneten verstehen, dass zur Kontrolle der Geheimdienste auch kritische Distanz gehört. Viele scheinen aber zufrieden zu sein, wenn sie mehr wissen als andere. Das ist aber noch keine Kontrolle. Außerdem müssen die Mitglieder des PKGr deutlich mehr Unterstützung für ihre Arbeit bekommen. Elf Abgeordnete im Gremium mit ihren persönlichen Mitarbeitern haben doch keine Chance gegen insgesamt mehr als 7.000 Geheimdienstmitarbeiter. Aber alle diese Vorgänge machen wieder deutlich, wie richtig unsere Forderung nach der Abschaffung der Geheimdienste ist. Die Begehrlichkeiten dieser Organisationen haben noch immer zur Einschränkung der Bürgerrechte geführt. Die Abschaffung von Geheimdiensten ist also konsequenter Verfassungsschutz.


 

linksfraktion.de, 17. Juli 2013