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»Umverteilen geht nur mit der LINKEN«

Im Wortlaut von Michael Schlecht, Axel Troost,

Michael Schlecht, wirtschaftspolitscher Sprecher der Fraktion DIE LINKE, und Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher, über Mittel gegen die ungleiche Verteilung von Reichtum und Wohlstand, Wettbewerbsfähigkeit, drohende Deflation und eine andere Steuerpolitik
 

Die Reichen werden, die Armen ärmer – das beschreibt nicht mehr nur das globale Verteilungsproblem, sondern dieser Trend trifft auch auf hochentwickelte Länder wie Deutschland zu. Was sind die Gründe dafür?

Axel Troost: Das ist tatsächlich kein deutsches, sondern ein weltweites Phänomen. Unternehmen und Vermögenden wurde durch niedrige Steuern und andere attraktive Rahmenbedingungen der Hof gemacht. Zugleich wurden die Arbeitnehmer, die nicht so mobil sind, unter Druck gesetzt – besonders dort, wo sie leicht zu ersetzen sind. Wettbewerb und schlanker Staat lautete die Devise. Soziale Gerechtigkeit behindert dabei nur. Kein Wunder, dass die Schere zwischen Reich und Arm seit Jahren immer weiter aufgeht.

Die Agenda 2010 sei entscheidend für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gewesen – das sagen einige ihrer Vertreter. Was ist daran Mythos, was Realität?

Michael Schlecht: Die Agenda 2010 hat tatsächlich die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands maßgeblich beeinflusst. Durch das massive Lohndumping, welche durch die Agenda 2010 durchgesetzt wurde, hatten die deutschen Exporteure nicht nur qualitativ hochwertig Produkte, sondern diese auch noch zu relativ geringen Arbeitskosten. Die Exporte explodierten seit Anfang der 2000er Jahre und die Gewinne der Unternehmen sprudelten kräftigt. Die Kehrseite: Die Geldbörsen der privaten Haushalte blieben schmal, der private Konsum schwächelt und damit auch die Binnennachfrage. Bekämen die Beschäftigten heute einen genauso großen Anteil am erwirtschafteten Reichtum wie 2000, hätten sie 2013 über 100 Milliarden Euro mehr bekommen müssen.

Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten Welt – kann es die nur geben, wenn sie mit dem Abbau von Sozialleistungen einhergeht?

Michael Schlecht: Leider steckt hinter dem Ruf nach Wettbewerbsfähigkeit meist der Ruf nach Lohn- und Sozialkürzungen. Wettbewerbsfähigkeit, die nicht der breiten Massen der Menschen nützt, ist für mich aber nicht erstrebenswert. Wer tatsächlich etwas für eine gesunde Wettbewerbsfähigkeit hierzulande tun will, muss in Bildung, Infrastruktur und den sozial-ökologischen Umbau investieren. Wir leben in Deutschland seit Jahren von der Substanz. Würde die Koalition ihr selbstgestecktes Ziel ernst nehmen, die Investitionen in Deutschland auf den Durchschnitt der OECD-Statten zu erhöhen, müsste sie massiv investieren. 2013 hätten rund 75 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden müssen.

Stichwort Sparpolitik. Seit der Finanzkrise setzen EU-Kommission und europäische Regierungen auf Lohnsenkungen in Südeuropa und eine Flexibilisierung Arbeitsmärkte. Was kritisieren Sie daran?

Axel Troost: Die Südländer sollen dadurch wieder wettbewerbsfähig werden, so die Troika. Ihre hohen Lohnsteigerungen vor der Krise wären aber nicht das Problem gewesen, wenn alle Eurostaaten sie gehabt hätten. Innerhalb der Eurozone hätte sich dann am Wettbewerb nichts geändert und nach außen hätte der Wechselkurs reagiert. So aber hat sich Deutschland, wo die Löhne kaum gestiegen sind, Wettbewerbsvorteile zu Lasten anderer verschafft. Die deutsche Politik hat also eine Bringschuld. Das wird aber unter den Teppich gekehrt.

Viele Menschen in Südeuropa, denen die Löhne zusammengestrichen wurden, wurden dadurch in Armut gestürzt. Darunter litt aber auch die lokale Wirtschaft. In den Südländern sind etwa ganze Innenstädte verödet. Arbeitslosigkeit und kollabierende Steuereinnahmen sind die Folge.

Der Eurozone droht Deflation, in Südeuropa ist sie bereits Realität. Kann durch Umverteilung eine Deflation bekämpft werden?

Michael Schlecht: Die Deflation in Südeuropa ist die Folge der weggebrochenen Binnennachfrage durch die Kürzungspolitik, die den Staaten durch Merkel und Co. aufgepresst wurde. Der sofortige Stopp der sozial katastrophalen und wirtschaftlich unsinnigen Kürzungsprogramme sowie ein massives europaweites Zukunftsinvestitionsprogramm sind nötig. So kann die Binnennachfrage wieder stabilisiert und die Deflation bekämpft werden. Um nicht noch tiefer in die Abhängigkeit des Finanzcasinos durch neue Schulden zu kommen und die Verursacher und Profiteure der Krise zu beteiligen, macht es Sinn dies durch eine europaweite Vermögensabgabe zu bezahlen. Also ja, mit Umverteilung kann die Deflation bekämpft werden.

Dass der Wohlstand derzeit nicht richtig verteilt ist, darüber sind sich die meisten Wissenschaftler, die auf diesem Gebiet forschen, einig. Was muss politisch getan werden, damit die soziale Ungleichheit in Deutschland und Europa nicht noch weiter zunimmt?

Axel Troost: Zunächst einmal Umverteilen durch Steuern. Zentral ist dafür die Vermögensteuer, aber auch die Einkommensteuer und die Erbschaftsteuer. Hier gab es in den letzten Jahren deutliche Entlastungen für Reiche.

Eine Kehrtwende ist nicht in Sicht. Die Union lehnt Steuererhöhungen in jeder Form ab. Sigmar Gabriel hält sie auch nicht mehr für vermittelbar. Auch die Grünen zweifeln an ihren Steuerplänen. Umverteilen geht also nur noch mit der LINKEN.

Auf europäischer Ebene müssen Beschlüsse zur Steuerpolitik einstimmig gefällt werden. Solange an diesem Verfahren nichts geändert wird, ist progressive Steuerpolitik dort von Anfang an zum Scheitern verdammt.

Haben Sie Hoffnung, dass die Große Koalition die Zeichen der Zeit verstanden hat?

Michael Schlecht: Auf europäischer Ebene hält die Bundesregierung im Wesentlichen an der Politik der Kürzungsprogramme fest. In Deutschland selbst agiert sie halbherzig. Der Mindestlohn der Koalition ist löchrig wie ein Schweizerkäse und zu niedrig. Die versprochenen zusätzlichen öffentlichen Investitionen verringern bestenfalls den Substanzverzehr. Eine Antwort auf die Deflationsgefahr seitens der Regierung vermisse ich vollständig. Wenn die Große Koalition die Zeichen der Zeit erkannt hat, kann sie es gut verbergen.


linksfraktion.de, 17. April 2014